13.14

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Ich habe bereits beim letzten Mal ein Zitat gebracht, das ich heute hier gerne wiederholen möchte, weil es schön ist und weil es den Punkt dieser heutigen Debatte so gut trifft, nämlich: dass man den Wert einer Gesellschaft unter anderem daran erkennt, wie sie mit ihren alten Menschen umgeht.

Ich glaube, eines ist klar, und da trennt uns hier herinnen sicherlich nichts: Altern in Würde ist ein Menschenrecht, ein unteilbares, unverrückbares Menschenrecht, das wir gewährleisten müssen. Deshalb erfüllt es mich mit außerordentlicher Freude, dass wir heute hier dieses große Pflegepaket verabschieden werden (Bundesrat Schennach: Groß?), für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege, für jene Menschen, die Pflege brauchen, aber auch und vor allem für jene, die selbst zu Hause Angehörige oder geliebte Menschen pflegen.

Sie wissen es, und ich darf das in meinem Brotberuf als Arzt selbst jeden Tag erleben und mit eigenen Augen sehen, mit wie viel Hingabe, mit wie viel Leidenschaft, mit wie viel Herz und Empathie unsere Krankenschwestern und Krankenpfleger sich jeden Tag um unsere Patientinnen und Patienten kümmern. Da geht es ja nicht nur um die körper­liche Pflege, da geht es ganz viel um das Zuhören, darum, Ansprechpartner zu sein, manchmal auch darum, Tröster zu sein. Ich sage es hier von dieser Stelle aus, ich werde aber auch im Spital bei meinen Kolleginnen und Kollegen nicht müde, es zu betonen: Ich verneige mich in großer Ehrfurcht vor dieser Leistung, und ich bedanke mich von ganzem Herzen für das, was jeden Tag in den Spitälern, in unseren Pflegeheimen und in den Betreuungseinrichtungen geleistet wird. (Allgemeiner Beifall.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verabschieden heute unter anderem genau für diese Menschen dieses Paket – ein Paket, das die Situation in der Pflege und für die Pflege nachhaltig und kraftvoll verbessern soll. Ich glaube, da dürfen wir uns nichts vormachen. Die Herausforderungen sind groß. Der letzte wahre große Wurf liegt knapp 30 Jahre zurück: die Einführung des Bundespflegegelds. Danach hat es immer wieder Anpassun­gen und kleine Änderungen gegeben. Die Situation in den letzten 30 Jahren hat sich aber natürlich dramatisch verändert. So hat sich zum Beispiel beim Bundespflegegeld die Anzahl der Bezieherinnen und Bezieher verdoppelt, auf mittlerweile über 470 000 Men­schen in Österreich.

Wir wissen, und das hat meine Vorrednerin bereits gesagt, dass wir in den nächsten Jahren über 70 000 zusätzliche Fachkräfte in der Pflege brauchen werden, um diese Anforderungen bewältigen zu können. Deshalb beschließen wir hier und heute dieses größte Paket der letzten 30 Jahre. Zwei Zahlen möchte ich besonders hervorheben: Wir reden hier von nicht weniger als 1 Milliarde Euro in den nächsten zwei Jahren, die diese Bundesregierung in die Hand nimmt. Sehr geehrter Herr Bundesminister, dafür mein al­lergrößter Dank! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Schauen wir uns diese Maßnahmen an: Es sind ganz konkret 20 an der Zahl, und sie teilen sich in drei große Bereiche. Das wäre zum ersten die Arbeit in der Pflege. Sehr geehrte Damen und Herren, 570 Millionen Euro, sage und schreibe 570 Millionen Euro, wird es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege mehr an Gehalt geben. Das entspricht einem 15. Monatsgehalt im Jahr! Wir haben sogar von ursprünglich 520 Mil­lionen Euro auf 570 Millionen aufgestockt, um noch die Heimhilfen und die Behinder­tenbetreuungspersonen mit hineinzunehmen, um auch ihnen unsere Wertschätzung auszudrücken. Wir haben auch den vielen Stellungnahmen in der Gesetzwerdung Rech­nung getragen und diese 50 Millionen Euro zusätzlich in die Hand genommen.

Ab dem 43. Lebensjahr wird es eine Entlastungswoche geben, eine zusätzliche Urlaubs­woche. Es wird für die Nachtarbeit, die absolviert wird, Entlastung in Form von zwei Gut­stunden pro absolviertem Nachtdienst geben, und es kommt zu den bereits erwähnten Kompetenzerweiterungen, die wir dringend brauchen.

Der zweite große Teilaspekt: die Ausbildung in der Pflege. Da möchte ich vor allem die Pflegelehre hervorheben. Das ist ein Projekt, das bereits seit vielen Jahren auch von uns gefordert wird und das wir nun endlich auf Schiene bringen (Bundesrat Steiner: Na ja! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Die Freiheitlichen! – Bundesrätin Schumann: Von der Ge­werkschaft nicht!), aus der Zeit, als wir noch gemeinsam regiert haben, mit Bundesmi­nisterin Hartinger-Klein. Heute wird es umgesetzt und auf Schiene gebracht. Wir brau­chen diese Pflegelehre - - (Bundesrat Schennach: Herr Kornhäusl! Gewerkschaft ha­ben Sie vergessen!) – auch die Gewerkschaft, Entschuldigung, danke fürs - - (Bundes­rätin Schumann: Die Gewerkschaft fordert es nicht!) – Ja, offensichtlich orte ich da Zu­stimmung oder zumindest Dissens in den Reihen der SPÖ, weil die eine Seite sagt, sie hätten es gerne, und die andere, sie wollen es nicht. (Bundesrätin Schumann: Nein, da ist kein Dissens! Die Gewerkschaft fordert es nicht! Die Gewerkschaft will es nicht  Punkt! Ende!)

Ich sage Ihnen aber, warum es wichtig ist: weil wir damit die Lücke zwischen dem 15. und 17. Lebensjahr schließen, denn da haben wir die jungen Frauen und Männer verlo­ren, weil die in andere Berufe gegangen sind. Deshalb brauchen wir diese Pflegelehre. (Bundesrätin Grossmann: Die bleiben dann nicht im Beruf!) Es wird für Neueinsteiger, die einen Pflegeberuf ergreifen, 600 Euro im Monat geben (Bundesrätin Grossmann: Die bleiben nicht!), 1 400 Euro im Monat für Um- und Wiedereinsteiger, 1 400 Euro, und Erleichterungen beim Erhalt der Rot-Weiß-Rot-Karte.

Wir kommen zum dritten großen Teilaspekt dieser Maßnahmen, nämlich jenen – das ist besonders wichtig – für Betroffene und Angehörige in der Pflege. Da möchte ich vor al­lem das Pflegekarenzgeld, das wir erhöhen, ansprechen: der Rechtsanspruch wurde von einem Monat auf drei Monate angehoben; oder den Demenzzuschlag: 20 Stunden kann man jetzt mehr anrechnen lassen; den Angehörigenbonus: 1 500 Euro im Jahr für Menschen, die ihre Liebsten zu Hause pflegen. Es ist so wichtig, dass die Pflege daheim diesen Stellenwert bekommt. (Bundesrätin Schumann: Auf die Pensionisten habt ihr vergessen!) Zusätzlich gibt es Pflegekurse, die im ganzen Land angeboten werden. Ich glaube, da brauchen wir uns nicht zu verstecken. Das ist ein Paket, das sich sehen las­sen kann, und darauf können wir auch stolz sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, dass dieses Paket richtig ist und dass es gut ist, das beweisen auch einzelne Stellungnahmen, Reaktionen und das beweist teilweise auch das Abstimmungsverhalten, das es bereits im Nationalrat gegeben hat und das es heute vermutlich auch im Bundesrat geben wird. So freut es mich schon – und da darf ich jetzt sogar einmal zu Kollegen Steiner schauen –, dass die FPÖ die Notwendigkeit erkannt hat, gemeinsam anzupacken, und als Oppositionspartei heute bei diesem wichtigen Pa­ket mitstimmen wird. Ich möchte jetzt nicht nur die Freiheitliche Partei loben. Ich möchte auch auf andere Reaktionen eingehen, auf die der Volkshilfe zum Beispiel – ich glaube, da werden Sie mir recht geben –, die ja bei Gott nicht im Verdacht steht, ÖVP-nahe zu sein. Wenn aber der Geschäftsführer und der Präsident der Volkshilfe sagen, dass sie diese Reform begrüßen und als Meilenstein sehen, dann kann es so schlecht nicht sein. Wenn die Caritas sagt, dass ein großes Aufatmen in der Branche hörbar ist, dann kann es so schlecht nicht sein, oder, mir persönlich am allerliebsten und am besten: Stadtrat Hacker, ein Mann der Praxis, der offensichtlich weiß, wovon er da redet, der im offiziellen Presseportal der Stadt Wien schreibt: Ich freue mich, dass diese spürbaren Schritte gesetzt werden. Na dann kann es so schlecht nicht sein. Da wundert es mich, dass die SPÖ da nicht mitgehen will, vor allem die Vertreter aus Wien nicht, deren Stadtrat Hacker gesagt hat, was das für ein großer, wichtiger Meilenstein ist. Ich würde mir das noch einmal gut durch den Kopf gehen lassen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich habe lobende Worte gefunden. Und so sehr mich wie gesagt das vermutliche Ab­stimmungsverhalten der FPÖ heute freut, so sehr wundere ich mich über das Ab­stimmungsverhalten der Sozialdemokratie im Nationalrat. Ich bin schon gespannt, wie Sie heute im Bundesrat mit der Situation umgehen werden, denn eines möchte ich Ihnen schon ins Stammbuch schreiben: Dass jemand gegen diese Maßnahmen ist, das kann ich persönlich nur mit der Haltung einer Fundamentalopposition argumentieren, weil Sie es der Regierung einfach nicht vergönnen, diesen großen Wurf heute zu beschließen.

Frau Kollegin, Sie werden es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Pflege erklären müssen, dass Sie dagegen sind, dass sie insgesamt 570 Millionen Euro an Gehaltser­höhung bekommen. Das werden Sie erklären müssen, und ich werde auch sagen, wer da dagegen gestimmt hat, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. (Bundesrätin Hahn: Haben Sie nicht zugehört? – Bundesrätin Schumann: Wir sind näher bei den Leuten, als ihr jemals wart!) Ich habe mir die Reden im Nationalrat gut angehört, und gegipfelt hat das Ganze ja in den Ausführungen des Abgeordneten Stöger. Alois Stöger, dieser Mann war mit den jeweiligen Zuständigkeiten selber Bundesminister und stellt sich hier ans Rednerpult und sagt: zu wenig, zu schlecht, alles eine Katastrophe. Der hätte selbst die Zügel in der Hand gehabt, um irgendetwas zu tun. Was hat er aber ge­macht? – Nichts, gar nichts hat Alois Stöger getan! Das ist die Wahrheit! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Schumann: Pflegekarenz! Pflegehospiz! Sie kennen sich im Thema nicht aus, Herr Kollege!)

Dieser Mann ist ein Ankündigungsweltmeister und ein Umsetzungszwerg, so schaut die Realität aus.

Kommen wir aber zurück zum eigentlichen Thema! Ich habe es schon das letzte Mal gesagt und ich werde auch nicht müde, es zu betonen: Diese Herausforderungen in der Pflege sind nicht das Problem eines Bundeslandes, das sind auch nicht die Probleme einer Partei, es sind Herausforderungen für uns alle. Und deshalb noch einmal die Ein­ladung: Gehen wir das gemeinsam an, lösen wir diese Herausforderungen gemeinsam! Es sind riesige Schritte, vor denen wir stehen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksam­keit, wünsche Ihnen einen schönen und erholsamen Sommer, und bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.25

Vizepräsident Günther Novak: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.