20.38
Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Jetzt fange ich meine Rede ganz anders an, als ich eigentlich vorgehabt hätte, (Bundesrätin Zwazl: Das ist gut!) ich rede zu diesem Thema Radfahren und Straßenverkehr. Ich fahre circa 35 000 Kilometer mit dem Auto, ich bin aber noch nie mit dem Auto nach Wien gefahren, sondern immer mit dem Zug. (Bundesrat Schennach: Sehr gut!) Ich kenne den ländlichen Raum und die Probleme mit Radfahrern und Landwirtschaft in Verbindung mit Freizeit sehr gut und ich kenne auch die Städte und wie hier der Verkehr läuft doch einigermaßen gut.
Ich möchte sagen, diese Stammfassung der Straßenverkehrsordnung wurde 1960 beschlossen und ist einfach gut sechs Jahrzehnte alt. Das bedeutet in einer Rückschau in den letzten 60 Jahren eine rasend schnelle und intensive Entwicklung in der Mobilität und im Verkehr. Damit verbunden ist natürlich auch ein großer wirtschaftlicher Aufschwung, ob im urbanen Bereich, aber speziell auch in der ländlichen Region. Eine positive Entwicklung hat stattgefunden, und im ganzen Land wurde die Infrastruktur geschaffen, um eben mobil zu sein – Straßenbau, Wegebau und so weiter.
Aus vielen Erzählungen und auch aufgrund alter Fotos weiß ich, dass zum Beispiel bei uns im Großarltal in den Fünfzigerjahren das erste Auto gefahren ist. Wenn ich an meine Familie denke, erinnere ich mich: Meine Eltern haben im Jahr 1964 das erste Auto gekauft. Wir sind eine große Familie, und was das für eine Aufregung gewesen ist, daran kann ich mich heute noch erinnern. Ich war sechs Jahre alt. Mit dem Auto mitzufahren, endlich einmal ein Auto anzugreifen, auf dem Schoß von Papa zu sitzen und das Lenkrad in der Hand zu halten, war wirklich eine Riesenfreude und ein Riesenfortschritt im ländlichen Raum.
Heute beschließen wir zum 33. Mal eine StVO-Novelle, und ich denke, es gibt sehr wenige Gesetze, die so oft abgeändert werden mussten. (Bundesrat Steiner: COVID-19-Maßnahmengesetz!) Das ist natürlich auch einer großen Entwicklung geschuldet, und ich bin mir ganz sicher – es ist schon angesprochen worden –, es wird sicherlich nicht die letzte Novelle sein. Ja, die Fortbewegungsmöglichkeiten haben sich massiv verändert, und dieser Situation müssen wir uns stellen, egal ob es uns passt oder nicht, denn die Kombination von Radfahrern und Autofahrern entwickelt sich. Ich muss auch dazusagen – das habe ich vorab vergessen –: Ich bin auch Radfahrer und fahre auch zwischen 2 500 und 3 000 Kilometer mit dem Rad, mit dem E-Bike. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)
Die neue Straßenverkehrsordnung bindet die Fußgänger und Radfahrer wesentlich stärker mit ein. Das ist eben eine Entwicklung, der wir uns stellen müssen. (Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) Das ist jene stark wachsende Gruppe von VerkehrsteilnehmerInnen, die bisher zu wenig berücksichtigt worden ist. Ich muss aber dazusagen und beobachten, die Radfahrer kümmern sich oftmals sehr wenig um Verkehrszeichen und um Vorschriften gemäß der StVO. Die nehmen sich doch ab und zu heraus, alles tun zu dürfen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Das stimmt! Ja!)
Man kann beobachten: Wo es ein gutes Radwegenetz gibt, ist der Trend zum Radeln extrem stark im Steigen. Deshalb muss es auch für Gruppen, aber speziell, wenn auch Kinder mitradeln – und das tun sie sehr gerne –, sicherer werden. Frau Kollegin Grossmann hat die Güterwege oder die schmalen Wege angeschnitten, und da haben wir wirklich ein großes Problem bei den Güterwegen, die 2,8 Meter Breite mit Asphaltdecke haben. Wenn die Bauern dann ihre Heuernte einbringen wollen und auf den Güterwegen und auf den Forstwegen eigentlich pro Tag 100, 150, 200 Radfahrer fahren, dann, Adi, ist es nicht so einfach, einfach nur hinterherzufahren. Genau hier ist der Punkt, dass die Radfahrer nicht ausweichen. Sie nehmen nicht einmal eine Ausweiche, wenn sie vorhanden ist, und fahren vorbei. Da gibt es wirklich Probleme. Dies ist in dieser Straßenverkehrsordnungsnovelle nicht enthalten, aber ich habe auch gesagt, es werden weitere folgen müssen. (Bundesrat Leinfellner: Ja, spätestens, wenn die weg sind! – Bundesrat Schennach: Ist das jetzt ein Koalitionsproblem?) – Bitte? (Bundesrat Schennach: Gibt es jetzt ein Koalitionsproblem?) – Nein, haben wir keines. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Schreuder: Aber lieb, dass du dir Sorgen machst!)
Eine klare Regelung und einen weiteren wesentlichen Punkt für mehr Sicherheit bringt auch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Beim Anhalten von Bussen, wenn die Türen offen sind, wird das Vorbeifahren verboten, und wenn die Türen geschlossen sind, ist Vorbeifahren erlaubt.
Sehr positiv finde ich auch Verbesserungen für FußgeherInnen, für Familien mit Kinderwagen oder Menschen mit Behinderung – auch das hat Adi Gross angesprochen –, und zwar dass der Gehsteig grundsätzlich für jene da ist und sie einen entsprechenden Platz haben müssen.
Ein wesentlicher Punkt dieser Novelle ist ein sicherer Schulweg. Die Gemeinden haben die Möglichkeit, Schulstraßen zu beschließen. Was heißt das? Was hat das für Auswirkungen? Wir kennen ja die Situation vor Schulen, speziell morgens, wenn alle zugleich in die Schule drängen. Wir wissen auch, wie viele Eltern aus Bequemlichkeit oder was auch immer ihre Sprösslinge, auch wenn es nur 100 Meter oder 300 Meter sind, mit dem Auto zur Schule bringen. (Bundesrat Schennach: Da müssen wir Gleitzeit machen!) Dabei könnte man auch etwas umdenken. Ich glaube, das gibt den Gemeinden gewisse Chancen, den Kraftfahrverkehr im Schulbereich zeitweise, stundenweise einzuschränken, natürlich mit Ausnahme der RadfahrerInnen, dem Schülerverkehr und von Einsatzfahrzeugen. Man muss selbstverständlich auch den AnrainerInnen die Möglichkeit geben, zu- und abzufahren.
Geschätzte Damen und Herren, Mobilität ist ein ganz wesentlicher Teil unseres Lebens. War die StVO früher hauptsächlich auf motorisierte Kraftfahrzeuge abgestimmt, sind, wie schon erwähnt, die Ansprüche heute ganz andere.
Ich denke, mit dieser Novelle schaffen wir mehr Klarheit und Sicherheit, und vor allem wird die Straßenverkehrsordnung dem Trend der Zeit etwas angepasst. Ich weiß aber heute schon, es müssen weitere Novellen folgen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)
20.46
Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Leonore Gewessler. – Bitte, Frau Bundesminister.