21.49

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir, die Sozialdemokratie, werden der Erhöhung der Kostenhöchstsätze in der Grundversorgung von geflüchteten Menschen zustimmen. Die letzte Erhöhung war, wir haben es schon gehört, 2016, und nicht zuletzt im Zuge des Ukrainekrieges war es jetzt notwendig, zu erhöhen – das Stichwort Preissteigerungen ist schon gefallen, aber es ist auch nötig, um genügend Quartiere in den Ländern zu finden. Das ist gut und wichtig.

Ich möchte aber die Gelegenheit auch nutzen, um auf zwei weitere Themen in diesem Zusammenhang hinzuweisen. Beide stehen auch im Regierungsübereinkommen der ak­tuellen Bundesregierung, nämlich einerseits die Frage der Obsorgeregelung für unbe­gleitete Minderjährige ab Tag eins. Da steht – ich zitiere aus dem Regierungsüberein­kommen –: „Schutz und Rechtsstellung von geflüchteten Kindern verbessern: Schnelle Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge [...] durch die Kinder- und Jugendhil­fe und“ – das wäre dann das zweite Thema – „Berücksichtigung des Kindeswohls im Asylverfahren; besonderes Augenmerk im Asylverfahren auf UMF“, also unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Bei diesem Thema der Obsorge ab Tag eins geht es darum, dass bei geflüchteten Kin­dern, die ohne ihre Familien zu uns kommen, oft wochenlang nicht klar ist und nicht geregelt ist, welche Behörde jetzt für sie zuständig ist und damit auch die Verantwortung für diese jungen Menschen übernimmt. Bei österreichischen Kindern, die ohne Familie sind, wäre das die Kinder- und Jugendhilfe, und das müsste in Wahrheit auch für diese geflüchteten Minderjährigen der Fall sein. Wenn das so wäre  was wünschenswert wäre –, müsste man natürlich auch diese Tagessätze in der Kinder- und Jugendhilfe für alle diese Kinder angleichen.

Dieses Thema könnte und müsste man dringend lösen. Es scheitert offensichtlich ledig­lich am politischen Willen – in dem Fall der ÖVP, denn bei den Grünen weiß ich, dass sie im Hintergrund redlich an der Lösung dieses Themas arbeiten. (Zwischenruf der Bun­desrätin Grossmann. – Bundesminister Karner: Interessant!)

Beim zweiten Teil im Regierungsübereinkommen geht es um das Kindeswohl im Asyl­verfahren. Alle, die gestern aufmerksam die Medien verfolgt haben, wissen, dass sich die Kindeswohlkommission nach einem Jahr wieder gemeldet hat und Resümee gezo­gen hat, was denn aus ihren vielen Empfehlungen, vor allem auch an das Innen- und an das Justizministerium, geworden ist.

Wir erinnern uns: Diese Kindeswohlkommission ist von der Bundesregierung vor einem Jahr mit dem Ziel eingesetzt worden, Empfehlungen zu erarbeiten, wie denn das Kin­deswohl im Asylverfahren gewahrt werden kann. Stichwort: Abschiebungen von Kindern mitten in der Nacht, die übrigens nach wie vor passieren und nicht ausgesetzt wurden.

Mich überrascht es leider schon nicht mehr: Die Empfehlungen wurden im vergangenen Jahr zum größten Teil nicht umgesetzt. Warum mich das nicht mehr überrascht? – Das klingt schon ein bisschen frustriert und ist es auch: weil ich seit Jahren erlebe, dass die Kinderrechte sowohl im zuständigen Familienministerium keine Rolle spielen als auch, obwohl sie in der Verfassung stehen, im Innenministerium keine Bedeutung haben. (Bundesrat Schennach: Der Minister hat aber geschmunzelt!) – Ja, vielleicht gibt es nachher noch eine Erklärung, dass jetzt etwas angegangen wird.

Jedenfalls könnte man mit diesen Empfehlungen der Kindeswohlkommission Punkt für Punkt diese Missstände, die auch gegen die Kinderrechte sind, die wir ja im Parlament beschlossen haben, aufheben, wenn der entsprechende Wille da wäre. Das ist der große Punkt: wenn der Wille da wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Eigentlich müssten war ja an diesem Punkt auch noch darüber diskutieren, dass ge­flüchtete Menschen auch jetzt an den Grenzen zu Europa – ich denke zum Beispiel an die bosnisch-kroatische Grenze – ganz wissentlich im Stich gelassen werden. Wir wis­sen ganz genau, wie die Zustände dort sind. Im Stich gelassen werden ist eigentlich noch freundlich formuliert, denn wir nehmen einfach in Kauf, dass sie Hunger leiden, dass sie im Winter frieren, dass sie fast jede Nacht bei den ständig stattfindenden und illegalen Push-backs blutig geschlagen werden. Diese Menschenrechtsverletzungen passieren 6 Autostunden von hier entfernt. Ich würde es einen Skandal nennen, den wir und diese Regierung und auch Sie, Herr Minister, schlicht und ergreifend ignorieren. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Also das ist aber eine Unterstellung! He, he, he! – Bundesminister Karner: Also Frau Bundesrätin!)

Trotz all dieser humanitären Baustellen und Skandale werden wir der Erhöhung der Ta­gessätze heute zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Das ist eine gewaltige Ansage!)

21.54

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hau­schildt-Buschberger. Ich erteile dieses. (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Prorede gewe­sen! – Bundesminister Karner: Ich habe es gemerkt!)