9.32
Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. Klaudia Tanner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir alle wissen, der Angriff Russlands, Putins auf die Ukraine hat in ganz Europa und auch in Österreich vieles verändert. Zu Beginn meiner Amtszeit vor nunmehr über zweieinhalb Jahren hat man wohl noch nicht so rasch mit einer kriegerischen Auseinandersetzung dieses Ausmaßes in Europa rechnen können Das ist jetzt bittere Realität geworden, und daraus müssen wir nicht nur in der Politik, sondern selbstverständlich oder gerade als Militär die erforderlichen Konsequenzen ziehen.
Das haben wir zum einen heute in der Früh budgetär mit einer wohl historischen Entscheidung getan: 16 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre. Das ist eine Planbarkeit, die wir damit für das österreichische Bundesheer geschaffen haben, die tatsächlich dringend notwendig ist. Selbstverständlich werden die Pensionen nicht aus der UG 14, sondern aus der UG 23 des Sozialressorts bezahlt. Ich glaube, das sollte eigentlich für jeden und jede hier auch klar sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der Grünen.)
Es ist heute von Ihnen auch schon der Krieg mit all seinen wirtschaftlichen Folgen angesprochen worden. Das ist eine Herausforderung, aber nicht die einzige, die wir jetzt und in den kommenden Jahren zu bewältigen haben. Sie wissen, sehr geehrte Damen und Herren, die Herausforderungen steigen. Neben der Pandemie, wie wir sie in den vergangenen zwei Jahren schon erleben mussten oder noch erleben, kommen Krisenszenarien wie Terroranschläge, Cyberattacken, Naturkatastrophen, nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels, und eben auch die Gefahr von Blackouts dazu.
Sehr geehrte Damen und Herren, ein umfassendes Blackout kann zu erheblichen Schädigungen der Infrastruktur, der Wirtschaft, des öffentlichen Lebens und natürlich bei der Bevölkerung selbst führen, und dahin gehend müssen wir uns bestmöglich rüsten. Wir haben sehr umfangreiche Konzepte im Ressort erstellt, da wir uns bewusst sind, dass die kritische Infrastruktur und die Notversorgungseinrichtungen besonders verwundbar sind.
Ohne Strom bricht in Wahrheit alles zusammen. Es gibt dann kein Licht, kein Telefon, keinen Fernseher, kein Internet und vielfach auch keine Heizung. Es gibt keine Supermarktkasse, keine Züge, keine Straßenbahnen, Lifte bleiben stecken, Ampeln, Tankstellen funktionieren nicht und die Straßen sind verstopft, weil den Autos das Benzin ausgeht. Da habe ich aber noch nicht einmal über die Wasserversorgung in manchen Teilen Österreichs gesprochen, die Folgen für die Industrie, vor allem auch für das Gesundheitssystem. Nach 72 Stunden würde nach Ansicht der Experten auch die öffentliche Ordnung zusammenbrechen. Für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger könnte dann nicht mehr ausreichend gesorgt werden.
Auch wenn das österreichische Stromnetz im Vergleich zu manch anderen Ländern ohne Zweifel als zuverlässig gilt, so ist Österreich mit Sicherheit keine Insel der Seligen. Wir hängen nun einmal am europäischen Stromnetz, nicht alles liegt daher ausschließlich in unserem Einflussbereich. Die jetzige Energiekrise mit all den Teuerungen verschärft noch die Situation, die sich im schlimmsten Fall eben auch auf die Sicherheit des Landes auswirken kann.
Warum spreche ich das an? – Die Bewältigung dieses Szenarios, nämlich eines Blackouts, ist ja nicht die Hauptaufgabe des Bundesheeres, aber wir sind uns sehr wohl bewusst, dass wir als die strategische Reserve der Republik – das ist auch schon angesprochen worden – dann jedenfalls für die Einsätze zur Bewältigung der Krise herangezogen werden würden, weil wir nach unserem Grundauftrag ja darauf ausgerichtet sind, auch dann noch zu funktionieren, wenn sonst nichts mehr funktioniert. Das heißt, neben der militärischen Landesverteidigung stellt die Gewährleistung der Sicherheit im Inneren, im Rahmen eines sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes, insbesondere zum Schutz kritischer Infrastruktur und Notversorgungseinrichtungen sowie zum Schutz und auch zur Unterstützung der Bevölkerung, eine besondere Aufgabe dar und erfordert daher die Stärkung der Resilienz Österreichs im Allgemeinen, aber selbstverständlich für uns, für das österreichische Bundesheer im Speziellen.
Wir sind dabei, das Bundesheer so aufzustellen, dass es all diesen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts begegnen kann und diese auch gut bewältigen kann. Ein besonders wichtiger Aspekt dabei ist, dass wir bestimmte Kasernen und Liegenschaften autark machen, damit wir uns auch in Krisensituationen selbst versorgen können, damit wir einsatzfähig bleiben und den Menschen weiterhin rasch und effektiv helfen können.
Wir haben daher im Ressort ein Projekt aufgesetzt, das die Autarkie ausbauen soll, und mit den budgetären Mitteln – ohne Ihrer Entscheidung vorgreifen zu wollen, denn selbstverständlich bedarf all dies auch einer gesetzlichen Grundlage – werden wir das auch schaffen, weil autarke Kasernen und Liegenschaften die Basis für die Sicherstellung und den Erhalt der eigenen militärischen Handlungsfähigkeit im Einsatz im Krisen- und im Katastrophenfall sind.
Das heißt, bis zum Jahr 2025 bauen wir die Autarkie in 100 Liegenschaften aus. Es sind dafür 100 Millionen Euro veranschlagt. Um die Kasernen und Liegenschaften autark machen zu können (Bundesrat Leinfellner: Mit 100 Millionen?), haben wir einen konkreten Realisierungsplan erstellt und nunmehr wie gesagt auch die budgetären Mittel sichergestellt.
Was brauchen wir dazu? – Einerseits verschiedene Baumaßnahmen im Infrastrukturbereich. Betroffen sind in erster Linie die Stromversorgung, die Wärmelieferung ebenso wie die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung. Darüber hinaus muss auch die Versorgung von Kasernen – das ist auch schon treffend angesprochen worden – mit den notwendigen Betriebsmitteln, selbstverständlich auch mit der Verpflegung und mit den Kommunikationsmitteln, das heißt, zum Beispiel mit militärischen Truppenfunksystemen, sichergestellt werden. Auch die Sanitätsversorgung zählt dazu.
Mit der Realisierung werden wir in wenigen Monaten dann so weit sein, dass wir mit den ersten beiden Kasernen in der Steiermark und in Niederösterreich – es ist schon angesprochen worden, das sind die Landwehr Kaserne in Sankt Michael und die Flugfeld Kaserne in Wiener Neustadt – fertig sein werden. Wir werden zügig voranschreiten, wir werden an diesem Bauplan festhalten. Für heuer sind zum Beispiel noch die konkreten Planungen für das Kommandogebäude Hess in Sankt Pölten und auch die Andreas-Hofer-Kaserne in Tirol für einen Umbau in Richtung Autarkie vorgesehen. Wir sind jetzt gerade dabei, für 42 Liegenschaften die Maßnahmen zur Herstellung der Autarkie im Infrastrukturbereich einzuleiten.
Die Herstellung der Autarkie im Bereich der Betriebsmittelversorgung ist eine besondere Herausforderung – nicht zuletzt aufgrund der Pandemie hat es da eine Verzögerung gegeben –, damit ist aber nun begonnen worden. Die Revitalisierung und Inbetriebnahme der ersten zehn ortsfesten Tankanlagen ist bereits eingeleitet worden, die Anlagen sind mit Treibstoff befüllt.
Was die Verpflegung anbelangt, sind wir im Plan. Die Beschaffung und Einlagerung der Verpflegung für die ersten neun Liegenschaften sind abgeschlossen. Der Beschaffungsprozess zur Herstellung der Verpflegsautarkie für weitere 16 Liegenschaften wurde bereits eingeleitet. All dies erfolgt nach einem genauen Konzept und einer festgelegten Priorisierung, für ganz Österreich wurde ein Konzept ausgearbeitet.
Was sind nun die einzelnen Punkte, nach denen diese Priorisierung festgelegt worden ist? – Zunächst kommen jene Liegenschaften dran, die insbesondere für die Erfüllung der gesetzlich verankerten Aufgaben von strategischer Bedeutung sind, dann kommen die Liegenschaften dran, die als Sicherheitsinseln vorgesehen sind. Anschließend wird die Autarkie für die restlichen Liegenschaften mit Sanitätszentren, permanenter Luftraumüberwachung, Hubschrauberstützpunkten sowie der Landstreitkräfte, Militär- und Brigadekommanden, Bataillone und der militärischen Logistikdienstleister realisiert werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, ein Beispiel für eine nachhaltige Energieversorgungslösung und Umweltbewusstsein bei den Autarkiebemühungen sind die Fotovoltaikanlagen, die aktuell vielerorts entstehen. Wir haben bereits einige in Betrieb, nämlich auf dem Truppenübungsplatz Seetaler Alpe, in der Landwehr-Kaserne und in der Gablenz-Kaserne in der Steiermark. Die erste große Fotovoltaikanlage besteht bereits seit dem Jahr 1998 und befindet sich in einer Netzfunkstelle im Bereich des Dachsteinmassivs.
Derzeit werden moderne Anlagen errichtet, zum Beispiel im Lager Kaufholz in Allentsteig in Niederösterreich und in der Schwarzenberg-Kaserne in Salzburg. Auch in der Von-der-Groeben-Kaserne in der Steiermark befindet sich der Bau von Fotovoltaikanlagen zurzeit in Umsetzung. Wir müssen aber eines auch ganz offen sagen: Die alleinige Sicherstellung einer autarken Notstromversorgung nur mittels Fotovoltaikanlagen ist aufgrund der derzeit noch begrenzten Speicherkapazität für den Bedarf einer gesamten Liegenschaft – nicht zuletzt auch aus Redundanzgründen – nicht praktikabel.
Wir arbeiten jedoch konstant an Lösungen und Adaptionen: So sind zur Unterstützung der autarken elektrischen Energie- und Wärmeversorgung neben der Errichtung von Fotovoltaikanlagen auch thermische Solaranlagen, Biogasheizwerke und Kleinwindkraftanlagen beabsichtigt. Eine optimale und vor allem auch wirtschaftliche Lösung sind zum Beispiel Biomasseheizwerke mit angeschlossener Kraft-Wärme-Kopplung zur eigenständigen Strom- und Nutzwärmeerzeugung.
Ja, Sie haben vollkommen recht: All das geht nur mit einem höheren Budget, und wir werden den Betrag von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts schon früher erreichen, nämlich ab 2027. (Bundesrat Steiner: Da sind Sie nicht mehr Ministerin!)
Ich freue mich, dass dies wirklich von allen politischen Parteien außer Streit gestellt wurde und insbesondere auch der Koalitionspartner da an unserer Seite war. Ich glaube, dass es auch wichtig ist, dass in Zukunft eines nicht mehr geschieht: dass man die soziale Sicherheit gegen die militärische Sicherheit ausspielt. (Bundesrat Spanring: ... ÖVP-Finanzminister!) Dahin gehend ist es umso notwendiger, dies auch mit einem Landesverteidigungssicherheitsgesetz zu tun.
Sehr geehrte Damen und Herren, viele Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte machen es jetzt notwendig, dass wir vieles nachholen und aufholen, und ganz offen: Das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Insbesondere bei Baumaßnahmen und bei Beschaffungen brauchen wir etwas Zeit. Wir haben einen engen Zeitplan erstellt und setzen alles daran, ihn auch einzuhalten.
Wir sind auf einem sehr richtigen Weg, und ich bin überzeugt davon, dass Sie diesen Weg mit uns gemeinsam gehen werden, um aktuellen und zukünftigen Krisen zu begegnen. Es geht um unser aller Schutz und Sicherheit. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
9.44
Präsidentin Korinna Schumann: Ich danke der Frau Bundesministerin.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile dieses. (Ruf bei der FPÖ – in Richtung des sich zum Redner:innenpult begebenden Bundesrates Schwindsackl –: Du hast 10 Minuten ...!)