9.18

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Am Beginn dieser Aktuellen Stunde möchte ich mich recht herzlich bei jedem einzelnen Landwirt für den Einsatz und die umweltgerechte Produktion unserer hochwertigen Qualitätsprodukte bedanken. (Beifall bei der FPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Herr Minister, bevor ich auf Ihre sogenannte „Neue Gemeinsame Agrarpolitik ab 2023 – ein Zukunftsprogramm für unsere Bäuerinnen und Bauern“ – zumindest lautet so der Titel der heutigen Aktuellen Stunde – näher eingehe, wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn Sie uns verraten könnten, wann Sie die Angelo­bung und für welches Ministerium, mit welcher Bestallungsurkunde, mit welchem Titel, für welches Ressort gehabt haben, da es anscheinend verschie­dene Rechtsauffassungen gibt, um das auch in Zukunft zu wissen, um zum Beispiel formal richtig unsere parlamentarischen Anfragen einbringen zu können, und, falls Sie noch nicht ordnungsgemäß bestallt und angelobt sind, wann dies geplant ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun aber zum sogenannten Zukunftsprogramm: Eine Ihrer letzten Presse­meldungen – bis jetzt waren es ja nicht viele, die sich bei mir eingeprägt haben – war die unglaubliche Aussage Ihrerseits, wie Sie über die positive Erfolgskurve in der Landwirtschaft, geprägt durch die ÖVP-Landwirtschaftspolitik, fantasiert haben.

Herr Minister, ich nenne Ihnen einige Zahlen, die meiner Meinung nach – ich denke, ich spreche vielen Landwirten aus der Seele – beweisen, dass Sie anscheinend eine andere Anschauung von positiv oder negativ haben. 1970 gab es in Österreich 366 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, 1990 waren es 282 000, 2017 162 000, 2020 154 000, und derzeit sind es, wenn man sich auf die Statistik Austria verlässt, 126 000 Betriebe. Diese Zahlen beweisen ein­drucksvoll, dass die ÖVP-Bauernvertretung nicht funktioniert und dass Sie den Unterschied von positiv und negativ anscheinend nicht sehen. Zwei Drittel der österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe mussten zusperren – unglaub­liche zwei Drittel!

Sie mit Ihrer ÖVP-Agrarpolitik (Bundesrat Preineder: In welchem Land der Welt geht es besser?) oder Bauernsterbehilfeprogrammpolitik treiben die Industria­lisierung der Landwirtschaft voran. Zusätzlich verkaufen Sie in den sogenannten Zukunftsprogrammen mehr Bürokratie, mehr Auflagen, weniger Produktion und weniger Geld auf den Bauernhöfen. Nach derzeitigen Umfragen werden in Österreich bis 2040 weitere 30 Prozent der Landwirte aufhören. Die ÖVP-Agrar­politik der letzten Jahre hat dazu geführt, dass es in vielen Bereichen keine Eigenversorgung mehr gibt und wir uns auf Importe verlassen müssen. Was bedeutet das für uns in der Zukunft?

Sie, Herr Minister, sind mit Ihren Regierungskollegen mitverantwortlich, dass der Prozentsatz der Eigenversorgung zusätzlich durch haarsträubende Maßnahmen wie die Mindestanlage von 7 Prozent Biodiversitätsflächen bei sonst drohendem Förderungsverlust weiter reduziert wird. Die Ausrede, die Ihre ausgesandten Funktionäre den Landwirten vor Ort anzubringen probieren, dass Sie zustimmen mussten, da Sie mit den bösen Grünen in der Regierung sind, können Sie sich auch klein zusammenlegen und in den sogenannten Erdäpfelsack legen, da ja von Ihnen selbst und Frau Gewessler im Ausschuss auf Anfrage des freiheitlichen Abgeordneten ausgesagt wurde, dass lediglich Vertreter der ÖVP und Beamte des Landwirtschaftsministeriums zu den Verhandlungen entsandt waren.

Apropos Erdäpfelsack: Aufgrund der derzeitigen Beschränkungen bei den Spritz­mitteln gegen Drahtwurm gibt es bei uns im Weinviertel beim Ertrag jetzt schon Ausfälle von 20 bis 80 Prozent. Sie haben mit Ihrem sogenannten Zukunftspro­gramm unter dem Titel Green Deal einer weiteren Reduktion von 50 Prozent der Spritzmittel zugestimmt. Das gleicht meiner Meinung nach einer Bankrott­erklä­rung beim Thema Versorgungssicherheit. (Beifall bei der FPÖ.)

In Österreich wird die Produktion eingeschränkt, und gleichzeitig wird fleißig importiert. Dann gibt es etwas sehr Seltsames, zum Beispiel Herrn Bundes­kanz­ler Nehammer oder den Minister, der die Zeltbauindustrie durch seine Versa­gerpolitik gerade ankurbelt: Wenn es um Bundesratssitzungen mit vielen seiner Regierungskollegen geht, flüchtet er schnell ins Ausland, bevor er sich der Diskussion mit uns stellt. (Bundesrat Buchmann: Das ist aber ein europäischer ...!) Generell kann man diese türkis-/schwarz-grüne von Korruption geprägte Regierung eine Demokratieverweigerungsregierung nennen.

Dieselben Personen stellen sich aber hin und verkünden: Ach wie super, ach wie klasse, wir haben jetzt Getreide aus der Ukraine! – Plötzlich spielen Produktions­bedingungen und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln keine Rolle mehr, aber vermutlich weil die RWA, die Raiffeisen, der Hauptimporteur war.

Nun nochmals zurück zum sogenannten Zukunftsprogramm: Seit 1995, als den Landwirten erklärt wurde, dass durch den Beitritt zur EU die teilweise halbierten Produktpreise durch Ausgleichszahlungen größtenteils ausgeglichen werden sollten, wurde das Versprechen nicht eingehalten. Seit 27 Jahren wurde die Aus­gleichszahlung nicht an den Index, die Inflation angepasst.

Ich glaube, Sie (in Richtung des mit Bundesrat Schennach sprechenden Bundesminis­ters Totschnig) interessiert das sowieso nicht, was wir reden, gell? (Bundesrat Schwindsackl: ... ein Hellseher! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Jetzt ist er ganz aus dem Konzept! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Nein, ich bin nicht aus dem Konzept.

Auch da wurden Versprechen nicht eingehalten. Zur Erinnerung: Damals kostete der Dieseltreibstoff 7,20 Schilling, das sind 53 Cent; damals hat der Diesel also 53 Cent gekostet, jetzt kostet er 2 Euro, 2,10 Euro. Es gibt keine Indexanpas­sung der Ausgleichszahlungen, aber das interessiert Sie ja nicht als Minister. (Bundesrat Bader: Ja was soll diese ...? – Bundesrat Preineder: Du hast das ja auch nicht alles verstanden, was er immer erzählt!)

Großartigerweise verkaufen Sie das jetzt als ein unglaubliches Plus der Förde­rung. Wenn man das auf die derzeit noch 126 000 Betriebe runterrechnet, haben Sie ein unglaubliches Plus von 277,78 Euro erzielt. Das ist ja gigantisch! Jetzt fragt man sich, was die Bauern mit diesen 277,78 Euro machen sollen. (Bundesrat Spanring: Traktor kaufen!) Wenn ich einmal den Traktor tanke, ist das so viel mehr, als ich früher gezahlt habe. Was wollen sie damit machen? (Bun­desrat Preineder: Was hast du für die Bauern ...?)

Herr Minister, es ist aber endlich an der Zeit, in Österreich Landwirtschaftspolitik mit Hausverstand umzusetzen. (Bundesrat Preineder: Sag mir ein Land als Vorbild! Ein Land als Vorbild!) Wir fordern ein klares Bekenntnis zur heimischen Produk­tion, zur Selbstversorgung und zum heimischen Arbeitsplatz Bauernhof.

Kurz zusammengefasst: Dass Investitionen in die biologische Landwirtschaft und besonders tierwohlfreundliche Stallungen, die Ausgleichszulage für unsere Berg­landwirtschaft und im benachteiligten Gebiet aufgestockt werden, es eine Unterstützung für Junglandwirtinnen und Junglandwirte bei der Hofübernahme gibt, gilt es, auch positiv zu werten, das kompensiert aber leider nicht die ande­ren angeführten Schwachpunkte und nicht angepassten Fördergelder. (Beifall bei der FPÖ.)

9.26

Präsidentin Korinna Schumann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Maria Huber. Ich erteile ihr dieses.