9.57

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Also ich bin jetzt nicht zum Agrarier geworden – ich bin vorhin schon gefragt worden: Du redest zu einem Landwirtschaftsthema? –, obwohl mein Großvater – weil jetzt gerade die Nie­der­lande angesprochen worden sind – tatsächlich Bauer, ein Schafzüchter, in den Niederlanden war.

Wir haben – und das halte ich schon für ganz wichtig – jetzt eine Gemeinsame Agrarpolitik. Ich glaube, allein das muss man jetzt einmal unterstreichen. Wie oft haben wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten zum Beispiel im EU-Ausschuss darüber diskutiert, dass die Strukturen der Landwirtschaft in diesen Ländern – und die Niederlande sind ja tatsächlich ein gutes Beispiel – so unterschiedlich sind?

Österreich ist so stark auf kleinteilige Landwirtschaft ausgerichtet. Zum Beispiel in den Niederlanden wird die Agrarpolitik mittlerweile tatsächlich mit einer ausgesprochenen Brutalität, auch mit physischer Gewalt, ausgefochten; das muss man auch in dieser Form sagen. Da kann man schon sagen, dass in Öster­reich dadurch, dass schon sehr früh auf Biolandwirtschaft, auf kleinteilige Landwirtschaft gesetzt worden ist und das auch unterstützt worden ist, sicher etwas richtig gemacht worden ist.

Wie gesagt: Ich bin kein Bauer, sondern ich bin ein Stadtmensch, ich komme aus Wien. Man merkt aber auch in Wien, wenn man auf die Bauernmärkte geht, die an Samstagen sehr, sehr gut besucht werden, dass das Bewusstsein der Men­schen dafür, welche Lebensmittel sie kaufen, aus welcher Region diese stammen und wie sie hergestellt werden, mittlerweile sehr groß geworden ist und immer mehr wächst.

Was mir zu sagen schon auch wichtig ist: Wir haben durchaus diskutiert, auch als Koalitionspartner, weil es da natürlich teilweise unterschiedliche Ansätze und Prioritäten gibt. Eines, glaube ich, ist ganz wichtig – und das sieht man auch in dieser GAP-Strategie, die wir gemeinsam entwickelt haben –: Klimaschutz und eine nachhaltige Landwirtschaft sind kein Gegensatz, die widersprechen einander nicht. Ich glaube, das ist das Wichtige: dass wir sagen müssen, Klima­schutz und eine nachhaltige Landwirtschaft gehen Hand in Hand.

Jetzt haben wir tatsächlich das Problem, dass mit dem brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine der Preisdruck für alle Einkommensbezieher, für alle Haushalte enorm geworden ist. Wie viel man wofür zu bezahlen bereit ist, ist für viele Menschen jetzt eine völlig neue Frage geworden. Da müssen wir die österreichischen Bauern unterstützen. Wir wissen alle, dass der Preisdruck sehr groß ist.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, weil er mir persönlich ein Anliegen ist: Das ist die Insektenpopulation in Österreich. Es gibt seit 1990 – und wir haben jetzt die Vergleichswerte bis 2020; die letzten zwei Jahre fehlen ja – in Öster­reich einen Einbruch der Insektenpopulation von 75 Prozent.

Mit dem Verlust dieser Insektenpopulation haben wir auch sehr, sehr viele Vogel­arten verloren. Ich kann mich noch erinnern, als Kind Wiedehopfe gesehen zu haben. Das ist wirklich ein wunderschönes Erlebnis gewesen. Also wer einmal einen Wiedehopf gesehen hat: Das ist ein unglaublich schöner Vogel, den man jetzt in Österreich eigentlich nicht mehr sehen kann, und das ist einfach schade.

Insektenvielfalt ist auch deswegen so wichtig – natürlich nicht nur in Österreich, sondern weltweit –, weil sie auch für die Landwirtschaft wichtig ist. Der Welt­biodiversitätsrat hat ausgerechnet: Wenn der Insektenschwund weiter so fort­schreitet, dann verlieren wir 90 Prozent der Ernte bei Kakao, bei Wasser­melo­nen, bei Kürbissen, bis zu 90 Prozent bei Kirschen, Äpfeln, Gurken. Das kann man ja nicht wollen. Das heißt: Blühende Wiesen, Blumenwiesen, wieder Räume zu schaffen, damit Insekten existieren können, das ist etwas, das auch für die Landwirtschaft gut ist. – Das ist mir wichtig zu sagen. (Zwischenruf des Bun­des­rates Steiner.)

Ich denke, wir können bei dieser Gemeinsamen Agrarpolitik ganz froh darüber sein, dass auch solche Aspekte wieder stärker in den Vordergrund gerückt worden sind, dass Biolandwirtschaft in den Vordergrund gerückt wird. Wichtig ist auch die Tatsache – und darauf hat meine Kollegin, Frau Huber, hingewie­sen –, dass die Frage, wie wir mit unseren Bäuerinnen und Bauern umgehen, immer auch eine soziale Frage ist. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

10.02

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.