11.10

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Als ich Kollegen Ebner so zugehört habe, habe ich mir gedacht, ich befinde mich in einer Extrastunde unter dem Titel Tarnen und Täuschen. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na, na, na!) – Ja, ja, Frau Kollegin Eder-Gitschthaler, das Tarnen und Täuschen kennen wir schon aus der Debatte zur Pensionsan­pas­sung. (Beifall bei der SPÖ.) Da haben wir beim letzten Mal einen Strauß ausge­fochten, wir müssen den heute nicht wieder ausfechten. Ich ziehe den Strauß zurück. (Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ich habe mich immer gefreut!) Hier aber zu sagen: Wir schaffen die kalte Progression ab!, also das ist schon – auf Wienerisch gesagt – ein bisschen eine Chuzpe.

Jetzt schau ich gerade Frau Grossmann an und dann schaue ich die Grünen an: Die letzten 20 Jahre sind die Grünen, insbesondere ein bestimmter Herr Prof. And­reas Novy, herumgelaufen und haben uns erklärt, wir müssen Genderbudgeting machen. Dann haben wir das zum allgemeinen Grundsatz erhoben. Es gibt wis­senschaftliche Studien, die sagen: Lasst die Frauen ein Budget machen (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl) – ja, lasst die Frauen ein Budget machen, Sonja –, dann schaut ein Budget ganz anders aus (Bundesrat Tiefnig: Das hat euch bei Fekter auch nicht gepasst!), weil sie aus ihrem Leben heraus ganz andere Schwer­punkte setzen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Tiefnig: Dann darfst du aber auch nicht mehr mitreden!) Nur fehlt dieses Genderbudgeting hier insbe­sondere beim letzten Drittel komplett. (Bundesrat Tiefnig: Du Mann, du!) Das letzte Drittel, das sich der Finanzminister zurückbehalten hat, könnte jetzt genau hier Ausgleiche schaffen.

Dann kommen wir zu den ersten beiden Tarifstufen: Da noch keine hundertpro­zentige Rückgabe zu machen ist doch so was von kleinlich! Genau in diese Stufen fallen die meisten Gehälter von Frauen, da wir noch immer so ein Riesen­loch haben.

Frau Kittl, wir wohnen Bezirk an Bezirk und wir sind beide aus Wien, da findet man sich automatisch auch sympathisch. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ah!) Ja, auch Himmer ist sympathisch, Gott im Himmel, also so ist es nicht. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Hier aber herauszugehen und zu versuchen, völlig unmotiviert alles der SPÖ rüberzukübeln, ist ein starkes Stück. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) In voller Sympathie sage ich nur: Liebe Frau Mag.a Kittl, lernen Sie Geschichte! (Bundesrat Schwindsackl: Daran ist schon Kreisky gescheitert!) Seit den Siebzigerjahren hat die Geschichte jeglicher familienpolitischen, sozialpolitischen Fortschritte eine einzige Handschrift, und das ist die Handschrift der Sozialde­mo­kratie. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Egal ob das das Gratisschulbuch war, ob das die Familienrechtsreform war, ob das die Schülerfreifahrt oder der Mutter-Kind-Pass, der jetzt in eine neue Krise kommt, war: Das sind alles Errungenschaften der Sozialdemokratie. Was sind jetzt eure Errungenschaften? – Abschaffung der Hacklerregelung – so schaut es aus! – (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Kovacs: Genau! – Bundesrat Köck: Hundstorfer hat das gemacht!); Abschaffung eines wirklich guten Integrationsprogrammes für Langzeitarbeitslose, der Aktion 20 000, bei der man Menschen die Würde zurück­gibt; keine Vermögen- und Erbschaftssteuer!

Schauen wir uns doch das aktuelle Budget an, schauen wir uns doch das völlige Aushungern der Universitäten an! Und plötzlich fällt ein paar Regierungsmit­gliedern ein: Da muss doch irgendetwas falsch gerechnet worden sein, weil der gesamte Inflationsausgleich die Universitäten nicht berührt. Die können jetzt ihre Posten nicht nachbesetzen. (Bundesrätin Schumann: Wahnsinn!)

Darf ich auch nachfragen, wo das Geld im Bereich der Pflege ist, im Bereich der mobilen Pflege? Ja, lieber Herr Finanzminister, wir machen da jetzt einen Schritt hinaus aus dem Kapitel Tarnen und Täuschen, erste Stunde. Das ist schon okay, wir sind auch dafür, aber Sie brauchen weitere Gesetzesvorlagen. Wo ist zum Beispiel die Valorisierung im Bereich der Pendlerpauschale, der Werbungs­kosten, der Inlandsdiäten, der Kilometergelder, der Veranlagungsfreibeträge; was ist mit den außergewöhnlichen Belastungen, mit der Besteuerung der Zuschläge und Sonderzahlungen? Das sind ja alles Dinge, zu denen Sie hier mit neuen Gesetzen wieder herzlich begrüßt werden. Das ist doch ein Witz: Seit Jahrzehnten haben wir hier überall dieselben Beträge!

Jetzt sage ich noch etwas: Wo bleibt die Valorisierung und Erhöhung des Arbeits­losengeldes? (Beifall bei der SPÖ.) Das ist etwas, was gerade - - (Bundesrat Kornhäusl: Das ist ja kein Arbeitsmodell! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.Herr Doktor aus der Steiermark, nicht jeder Doktor ist allwissend. (Bundesrat Preineder: Das gilt auch für Professoren!) Darum gibt es ja Allgemeinmedizin und andere (Bundesminister Brunner: Auch nicht jeder Professor!) – Auch nicht jeder Vorarlberger ist allwissend. Wir behaupten das auch nicht. (Bundesrat Buchmann: Wie du weißt, das gilt für Professoren auch!) – Ja, ja, das weiß ich, und wenn du es auch weißt, wenn wir es beide wissen, ist das gut.

Jetzt hat mich der Herr Doktor tatsächlich ganz kurz rausgebracht, aber das macht nichts. Auch das gehört dazu. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Schön!)

Wir bringen zu diesem Punkt einen Entschließungsantrag, was Steuergeschenke an Spitzenverdiener und Spitzenverdienerinnen betrifft, ein, und zwar:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gezielte Hilfe in der Teuerungskrise statt Steuergeschenke für Spitzenver­diener*innen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, dem Nationalrat sowie dem Bundesrat unverzüglich ein Gesetzes­paket vorzulegen, mit welchem die Abschaffung der kalten Progression um folgende Punkte korrigiert wird:

- Die gänzliche Abgeltung der kalten Progression der ersten beiden Tarifstufen

- Die Ergänzung des Progressionsberichtes um eine detaillierte Verteilungsanalyse

- Die Verteilung des letzten Drittels des Steuersenkungsvolumens explizit nach sozialpolitischen – insbesondere Armut vermeidenden – Gesichtspunkten

- Sozialpolitische Maßnahmen, um Frauen und Männer gleichermaßen zu entlasten“

*****

Es sollen also Frauen und Männer gleichermaßen entlastet werden, nicht vorwiegend die Männer.

In diesem Sinne werden Sie nach all unseren Debatten verstehen, dass wir dem Kapitel Tarnen und Täuschen, was dieses Gesetzespaket betrifft, nicht zustim­men werden. (Beifall bei der SPÖ.)

11.18

Vizepräsident Bernhard Hirczy: Danke, Herr Bundesrat.

Der von den Bundesräten Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen einge­brachte Entschließungsantrag betreffend „Gezielte Hilfe in der Teuerungskrise statt Steuergeschenke für Spitzenverdiener*innen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin.