10.13

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren des Bundesrates! Liebe Kol­leginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parlament! Weil heute hier das Ausweichquartier angesprochen wurde: Es freut mich, hier bei der letzten offi­ziellen Sitzung des österreichischen Parlaments im Ausweichquartier zu sein. Ich kann mich noch sehr gut an den Umzug hierher erinnern, damals als Nationalratsabgeordneter und Klubobmann, und man hat sich eigentlich schwer vorstellen können, wie das alles hier in diesem Saal funktionieren wird. Es ist aber gut, dass das österreichische Parlament wieder hergerichtet ist und man wieder rückübersiedeln kann, denn letztlich ist die Hofburg ja auch ein imperiales Gebäude und das Imperiale ist ja nicht die Sache des Parlaments und der Bürgerkammer, sondern das ist das eigene parlamentarische Haus.

Nun aber zum Thema Zeitenwende: Olaf Scholz hat diesen Begriff in seiner markanten Rede geprägt. Es geht letztlich gerade in diesen schwierigen Zeiten darum, wie wir unsere Freiheit, unsere Demokratie und unseren Wohlstand, unseren sozialen Wohlstand schützen, ausbauen und gestalten können. Der Überfall Putins auf die Ukraine im Februar dieses Jahres hat die gesamte Situation geändert, weil nämlich die oft beklagte Fadheit der Diplomatie, wo man das Gefühl hat, in endlosen Konferenzen geht eigentlich nur sehr wenig wei­ter, von der Hitze eines heißen Krieges abgelöst wurde, der uns vor Augen führt, wie brutal Kriege sein können. Diese Mär von maßgeschneiderten militäri­schen Angriffen, die sofort alle Fragen regeln, hat sich nicht bewahrheitet. Es stellt sich heraus, dass dort Menschenrechtsverbrechen, Massenvergewaltigungen, Kindesentführungen, Verwüstung, Attacken auf zivile Einrichtungen, von Spitä­lern bis hin zu Wohnhäusern, auf der Tagesordnung stehen. Auch der Ein­satz von Giftgas wird nicht ausgeschlossen und die atomare Gefahr schwebt über uns allen.

Das alles ist nicht nur eine Sache, die mit dem 24. Februar begonnen hat, son­dern wenn wir ehrlich sind, haben wir auch schon davor an Russlands Desinformationsangriffen gemerkt, dass der Hauptfeind von Putins Russland jetzt, in der Situation, zwar die Ukraine und die Bevölkerung dort sind, aber in Wahrheit das westliche Lebensmodell, die Demokratie und die Freiheit der Menschen an sich darstellen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rät:innen Himmer, Huber und Schreuder.)

Man muss auch präzise immer wieder betonen, dass es Putin ist, der diesen Krieg führt. Es sind nicht die Russinnen und Russen, denn Tausende, Zigtausende Russinnen und Russen sind sofort auf die Straße gegangen, haben gegen diesen Krieg demonstriert. Das Traurige in diesem Zusammenhang ist, dass diese ebenfalls einen sehr hohen Preis zahlen, weil ja fast jeder, der op­positionelle Gedanken hat, der demokratische, freiheitliche Gedanken hat, dort ebenfalls von Putins Schergen eingesperrt wird.

Neben dem Krieg auf europäischem Boden darf man nicht vergessen, dass wir auch andere Krisen zu bewerkstelligen haben. Die Klimaherausforderung ist ebenfalls epochal. Diese bedeutet für die jüngere Generation, dass sie sich natürlich fragt, wie die Lebensumstände auf unserem Planeten in zehn, 20, 30, 40, 50 Jahren denn sein werden. Welche Maßnahmen müssen wir jetzt set­zen – auch wenn sie vielleicht Veränderung und vielleicht sogar schmerzhafte Veränderung bedeuten –, damit das Leben auf unserem Planeten auch in Zukunft noch lebenswert sein wird? Gerade hier spielt die Europäische Union mit dem Green Deal und all den Maßnahmen, die gerade in Ausarbeitung und Beschlussfassung sind, eine entscheidende Rolle.

Ebenfalls spielt dort die Energiefrage mit hinein. Die Energiepreise sind einer­seits durch den Krieg angestachelt, andererseits aber auch durch den Kli­mawandel. Daher müssen wir uns fragen, ob diese Liberalisierung des Marktes, des Energiemarktes überhaupt die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft gibt, denn die Marktlogik: mehr Wettbewerb heißt niedrigere Preise und bessere Qualität, stellt sich jetzt am Energiemarkt als genau das Gegenteil heraus: schlechtere Qualität, keine Versorgungssicherheit und extrem hohe Preise, und das ist nicht das Modell, das wir wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, wenn die Liberalisierung und diese Marktlogik nicht funktionieren, dann muss der Staat oder die Gemeinschaft, am besten die europäische Gemeinschaft, eingreifen – das Meritordersystem hinterfragen und neu auf­setzen, die Entkoppelung des Strom- und Gaspreises vorantreiben und natürlich noch viel mehr in erneuerbare Energie investieren.

Ein anderes Thema ist diese Übermacht der Konzerne, der digitalen Konzerne. Übrigens: Elon Musk, wie ich gesehen habe, Best Friend von Sebastian Kurz beim Finale der Fußballweltmeisterschaft in Katar. Das hat mich sehr gewundert, nein, eigentlich hat es mich nicht gewundert, ich habe mich nur geärgert, denn das sind wieder Leute, die gut zusammenpassen, aber beide sind solche, mit denen man sich nicht abgeben sollte. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, ja! – Zwischenruf des MEPs Mayer.– Ah, Kollege Mayer, der Verteidiger von Elon Musk und von Sebastian Kurz, interessant! Willkom­men hier im Hohen Haus! (Neuerlicher Zwischenruf des MEPs Mayer.)

Mir geht es aber darum, dass diese Übermacht der Konzerne durch neue Regeln auch eingeschränkt wird (Ruf bei der ÖVP: Bis jetzt warst eigentlich gut unter­wegs, aber jetzt ... SPÖ-Apparatschik ...! – Bundesrat Himmer: ... selbst der Gusen­bauer!), und dazu notwendig sind der Digital-Services-Act und der Digital-Markets-Act und weitere Regelungen.

Es geht aber auch um den sozialen Zusammenhalt in Europa. Das ist vielleicht ein Thema, das bei eurer Reichshälfte, wie ihr immer sagt, ein bisschen unterbewertet ist (Zwischenruf des Bundesrates Himmer), der soziale Zusammen­halt, die soziale Sicherheit in Europa sind nämlich entscheidend. Dazu ge­hört auch die globale Mindeststeuer, das Lieferkettengesetz, der europäische Mindestlohn und auch die Richtlinie für mehr Frauen in Vorständen und jene für Lohntransparenz. (Beifall bei der SPÖ sowie des MEPs Vana.) Das sind alles Dinge, die am Schluss auch in Österreich die Gesellschaft ein Stück weit voran­bringen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, vielleicht zum Abschluss: Das Europäische Parlament ist die einzige Kammer im europäischen Entscheidungsgefü­ge, die demokratisch, direktdemokratisch von den Wählerinnen und Wählern legitimiert wird. Wir, die Abgeordneten zum Europäischen Parlament, stel­len uns diesen Wahlen und haben auch die Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger zu vertreten. Daher ist es besonders ärgerlich und schädlich, dass sich gera­de jetzt bei dieser Korruptionsaffäre, wie man so schön sagt, diesem schändlichen Korruptionsfall, einzelne Abgeordnete und ihre Mitarbeiter über eine NGO von Katar und höchstwahrscheinlich auch von Marokko beste­chen haben lassen, um dort Politik zu machen, weil sich das Europäische Parla­ment, wie ich vorhin aufgezählt habe, gemeinsam – es gibt ja dort weder Opposition noch Regierungsfraktionen, sondern jeder Abgeordnete, jede Abge­ordnete arbeitet für die Zukunftsfragen –für so viele wichtige Fragen einsetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren, Europa ist wohl, wenn man sich die Welt so anschaut, der beste Platz, wo man hingeboren werden will, wenn man es sich aussuchen könnte, und es ist der beste Platz, wo man auf dieser Welt leben kann. Ist es aber der beste Platz, den ich mir vorstellen kann, den wir uns vorstellen können? – Nein, Europa könnte noch ein viel, viel besserer Platz sein, und daran gilt es gemeinsam auch in Zukunft zu arbeiten. – Alles Gute für Ihre weitere Arbeit! (Beifall bei der SPÖ, des Bundesrates Arlamovsky sowie des MEPs Vana.)

10.21

Präsidentin Korinna Schumann: Zu Wort gemeldet ist das Mitglied des Europäi­schen Parlaments Georg Mayer. – Bitte.