12.51

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Julian Assange, Edward Snowden, Chelsea Manning, Thomas Schmid, diese mitunter nicht unumstrittenen Persönlichkeiten haben eines gemeinsam: Sie waren alle Whistleblower, sogenannte Hinweisgeber, Hinweisgeberinnen, und haben auf illegale Machenschaften hingewiesen, auch mitunter von Inkaufnahme persönlicher Nachteile.

Darum geht es heute bei diesem Tagesordnungspunkt: um ein Instrument, um ein Gesetz, das genau solche Whistleblower, solche Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber, schützen soll. Das Interessante dabei ist: Es ist nicht einmal eine österreichische Idee gewesen, sondern das kam von der Europäischen Union. Es war die Whistleblowerrichtlinie, die das veranlasst hat. Ich weiß, eine Exkursion ins Europarecht nimmt nicht immer alle mit, aber ich versuche, es kurz und spannend zu halten. (Bundesrat Tiefnig: ... auf der Uni ...!) 2019 ist diese schon beschlossen worden. Es gab zwei Jahre lang Zeit, diese gescheit umzusetzen. Diese Frist ist 2021 verstrichen, seitdem ist die Republik säumig.

Maßgeblicher Minister, der die legistische Abteilung dafür hätte, ist Minister Kocher. Seitdem ist die Republik säumig, weil Minister Kocher das nicht ordentlich vorangetrieben hat. Wir sind jetzt im Jahr 2023. Vier Jahre hat es gebraucht, diese Richtlinie umzusetzen, und wir haben sie mit einem absoluten Minimum umgesetzt, einem absoluten Minimum, wenn man sich das anschaut.

Der sachliche Geltungsbereich dieses Gesetzes ist ein Witz. Man kann das nicht anders formulieren. Es sind nur Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber geschützt, die quasi einen Hinweis geben, der mit dem EU-Recht zu tun hat oder bestimmte Amtsdelikte umfasst. Was nicht abgedeckt ist, sind Dinge wie Betrug oder Veruntreuung. Oder machen wir es sehr konkret: Wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin von Wirecard einen Hinweis auf diesen Finanzskandal gegeben hätte, dann wäre diese Person nicht dem Schutzbereich unterlegen beziehungsweise hätte vorher 21 EU-Richtlinien studieren dürfen, die potenziell einschlägig wären, und hätte dann vielleicht entscheiden können, ob sie vielleicht geschützt ist oder nicht. Oder eine Bundespartei, sagen wir eine hypothetische Bundespartei, die wissentlich und mit voller Absicht Wahlkampfkosten massiv überschreitet: Wenn da ein Mitarbeiter rausgegangen wäre und ein Dokument geleakt hätte, in dem das drinnen war, wäre es sehr fraglich, ob diese Person dem Schutzbereich dieses Gesetzes unterliegt.

Es kann daher sein, dass hier eine Chance vertan wurde, Menschen Schutz zu bieten, die diesen Schutz wirklich brauchen. Man hätte illegale Machenschaften aufdecken können, aber das war ganz offensichtlich nicht im Interesse. Ich habe im Ausschuss gefragt, ob das nicht diskutiert wurde: Will man den Anwendungsbereich nicht auch auf Delikte wie Betrug erweitern? Oder denken wir an den Fall Teichtmeister. Die Antwort war: Es war eine politische Entscheidung, es gab keinen politischen Konsens, das auszuweiten.

Wer könnte in dieser Republik ein Interesse daran haben, illegale Machenschaften zu verstecken? Wer könnte ein Interesse daran haben, jenen Personen keinen Schutz zukommen zu lassen, die illegale Machenschaften aufdecken wollen? (Bundesrat Schennach: ÖVP?!) – Das ist die ÖVP, natürlich, ja. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Geh, geh, geh, geh! Ihr habt da irgendwie einen Verfolgungswahn!)

Es ist das verantwortliche Ministerium, man kann es nicht anders sagen. Ich bin jetzt nicht jemand, der die Grünen immer in Schutz nimmt, aber ich glaube, da wären sogar die Grünen weiter gegangen; es liegt an der ÖVP, dass das so passiert ist. Der Minister, der verantwortlich ist, kann im Grunde nämlich nur eines wirklich gut: Er kann Menschen sekkieren, und das ist auch das, was er jetzt wieder gemacht hat. Er ist ein absoluter Profi darin.

Was hat er gemacht? Er hat gesagt, wir müssen Teilzeitbeschäftigung sanktionieren. Dabei wissen wir, jede zweite Frau und etwa jeder zehnte Mann in Österreich arbeiten Teilzeit. Das heißt, Teilzeitbeschäftigung sanktionieren heißt Frauen bestrafen, nichts anderes. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Was hat das jetzt damit zu tun?)

Das absolut Perfide daran ist, dass das von einer Partei kommt, die 2017 einen fertigen Deal für die Ausfinanzierung von Kinderbetreuungsplätzen einfach gekippt hat, weil ein aufstrebender Kanzler das per SMS verhindern wollte. Und dann herzugehen und Frauen dafür zu bestrafen, dass sie nicht Vollzeit arbeiten können, das ist perfide (Bundesrätin Zwazl: Worüber reden wir jetzt?), das ist unwürdig. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Zur Sache!)

Ich komme damit schon zum Schluss: Dass gerade der Vorschlag von Arbeitsminister Kocher kommt, Teilzeitbeschäftigte zu bestrafen, ist perfide, weil der Arbeitsminister selbst nur ein Teilzeitminister ist. Teilzeitarbeitsminister und Vollzeitminister für die Industriellenvereinigung und Wirtschaftsbonzen, das ist Minister Kocher! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist wirklich an der Zeit, dass dieser Minister einsieht, dass es genug ist. Die Österreicher haben die Nase voll von ihm. Er soll jemanden ranlassen, der wirklich ein Interesse daran hat, etwas für die Menschen in diesem Land zu tun, und den Weg für eine neue Person im Arbeitsministerium freimachen. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

12.56

Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mag. Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr dieses.