19.41

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! – Die Ländervertreter:innen fragen den Bundesminister, „wann handeln Sie endlich“?, und ich frage: Wann han­deln die Länder, um eine umfassende Kinderbetreuung umzusetzen? (Zwischen­ruf der Bundesrätin Schumann.)

Ja, es braucht dringend – das wissen wir alle, oder zumindest reden alle darü­ber – eine ganzjährige, ganztägige und qualitativ hochwertige Kinderbe­treuung in ganz Österreich. Es braucht einen Ausbau, eine Verbesserung, ein­heitliche Standards und mehr Geld für Kindergärten – ja. Der Bund tut das, was in seiner Kompetenz steht, um das zu erreichen. (Bundesrätin Schumann: Ja, wenig!) Vergessen wir nicht: Nur die Ausbildung der Pädagog:innen liegt beim Bund, in der Bundeskompetenz (Bundesrätin Schumann: Aber die Finanzie­rung nicht!), und diese ist attraktiv und wird immer attraktiver. Die perso­nellen, finanziellen und pädagogischen Rahmenbedingungen liegen in Gesetzge­bung und Vollziehung bei den Ländern.

Seit 2008 beteiligt sich der Bund darüber hinaus über die 15a-Vereinbarungen an den Kosten für die Kindergärten. Die Förderungen sind an konkrete Zie­le gebunden, so auch bei der Artikel-15a-Vereinbarung über die Elementarpäda­gogik, die wir letzten Juli beschlossen haben, um – und das war der Zweck – Bildung und Betreuung in den pädagogischen Einrichtungen für Kleinkinder zu verbessern, denn beginnt die Ausbildung schon im Kindergarten, erhöht das später die Jobchancen und damit auch die soziale Mobilität unserer Kinder. Das wurde schon mehrfach festgestellt.

Natürlich haben mehr und bessere Kindergartenplätze positive Auswirkungen auf den Lebensalltag von Frauen und Alleinerziehenden. Das ist unbe­stritten. Genau deswegen haben wir die 200 Millionen Euro pro Jahr bis 2027 – und somit eine Erhöhung der Zweckzuschüsse vom Bund an die Länder um 40 Prozent pro Jahr – beschlossen. Noch zur Erinnerung: Die drei Gemeinde­pakete stellten hohe Mittel für Kindertageseinrichtungen zur Verfügung. – Ja, wir haben das heute schon mehrmals gehört, aber es muss anscheinend wie­derholt werden, sonst kommt es nicht an.

Und ja: Wichtig für ein Weiterkommen in der Gleichstellungspolitik sind die flexiblen Öffnungszeiten der Kindergärten sowie der signifikante Aus­bau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige. Auch das stand in der Zweck­widmung. Das braucht es – weil es gerade Thema ist –, um in die Voll­beschäftigung wechseln zu können. Es würde mehrere Tausend Arbeitsplätze schaffen und vor allem den Einstieg beziehungsweise Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf erleichtern. Solche Maßnahmen sind wichtige Schritte in Rich­tung Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt. Wir haben es von Kollegin Eder-Gitschthaler gehört: Heute ist Equal-Pay-Day. Wenn man den umrechnet, arbeiten Frauen jedes achte Jahr ein Jahr lang gratis – das muss sich ändern!

Es geht aber auch um Chancengleichheit in der Familienarbeit – auch das wurde heute schon thematisiert. Es ist aber nicht nur eine Last, für Kinder und Älte­re da zu sein, es ist auch mit viel Glück und mit viel berührender Nähe verbunden. Schon das sollte eigentlich Anreiz für Männer sein, um zum Beispiel in Karenz zu gehen; aber es ist auch Arbeit – viel Arbeit, unbezahlte, unsicht­bare, unbewertete Arbeit – und wird überwiegend von Frauen gemacht. Eine ge­rechte Aufteilung in der Familienarbeit wäre für die Gleichstellungspolitik ein ziemlicher Schub.

Ein kleiner Exkurs: In Island gibt es zum Beispiel eine verpflichtende Väterkarenz. Das heißt, Familienunterstützung wird nur dann ausbezahlt, wenn auch die Väter die halbe Karenz in Anspruch nehmen. Das hat einen Kulturwandel in Is­land herbeigeführt, wo jetzt mehr Männer in der Familien-, in der Carear­beit anzutreffen sind.

Ein weiterer Zweck des Zuschusses, der auch einen Betreuungs- und gleichzeitig Bildungsschub bringen würde, ist die Verbesserung des Betreuungsschlüs­sels. Das Ziel ist, die Zahl der betreuten Kinder auf die Hälfte zu reduzieren. Da­mit gewinnt die Qualität von Kindergärten enorm, was auch den Anreiz er­höht, ein Kind in den Kindergarten zu geben. Vor allem aber entlastet ein besse­rer Betreuungsschlüssel die harte Tätigkeit der Pädagog:innen. Auch und gerade in Wien ist dieser aber alles andere als befriedigend. (Bundesrätin Schu­mann: Ja klar! He ...! ... Wienbashing wieder!... Eine Kittl-Rede! Wienbashing!) Ein besserer Betreuungsschlüssel wäre aber Anreiz dafür, in diesen Beruf zu gehen.

Vonseiten des Bundes wurde daher eine Ausbildungsoffensive mit Hunderten zusätzlichen Kollegstandorten gestartet, und es kommen noch mehr. Ge­nauso zeigen die relativ hohen Fachkräftestipendien Wirkung. Auch in Wien ha­ben sie zu einer enormen Steigerung der Anmeldungen geführt. Darüber hinaus kommen nun weitere hohe Stipendien, die den Lebensunterhalt sichern sollen, hinzu. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Die Ausbildung von Pädagog:innen, für die der Bund zuständig ist, wird immer besser.

Wir haben – und das ist das Verrückte – genug fertig ausgebildete Elementar­pädagog:innen, aber nur ein Drittel von ihnen fängt tatsächlich als Elemen­tarpädagog:innen in einem Kindergarten an. Warum? – Weil die Arbeitsbedin­gungen so schlecht sind. – Und wer ist für die Arbeitsbedingungen zustän­dig? – Die Länder!

Daher frage ich die Länder: Warum wird nicht mehr bezahlt? Warum werden Vor- und Nachbereitungszeiten nicht in die Arbeitszeit aufgenommen? Warum sind die Gruppengrößen noch immer nicht reduziert? (Bundesrätin Schumann: Weil sie zu wenig Geld vom Bund kriegen! – Bundesrätin Gruber-Pruner: Die Mittel ...! – Bundesrätin Schumann: ... Die Mittel sind nicht da!) Warum budgetieren die Länder anscheinend zu wenig Geld für die Elementarpädagogik, wenn sie ihnen so wichtig ist?

Das alles liegt in der Länderkompetenz, und das betrifft auch die einheitlichen Mindeststandards. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Gruber-Pruner und Schumann.) Im Rahmen der Artikel-15a-Verhandlungen, genauso wie in der Landeshauptleutekonferenz, gab es keine Einigung betreffend diese Standards, und ich frage mich: Wollen Sie überhaupt eine Einigung? (Bundesrätin Schu­mann: Geh!) Für die Arbeitsbedingungen der Pädagog:innen wäre das sehr wichtig. Es würde sie wohl eher im Beruf halten.

Daher, liebe Länder: Reden Sie sich zusammen! Finden Sie gemeinsame Standards oder geben Sie Ihre Kompetenzen an den Bund ab, dann schaffen wir sehr gerne ein Bundesrahmengesetz. (Bundesrätin Schumann: Die Grünen halten dem konservativen Sparkurs den Steigbügel, wie unglaublich!)

Dasselbe gilt für den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Kein Land wird daran gehindert, ihn einzuführen. Das, was der Bund tun kann, tut er. Das, was die Länder tun könnten, tun sie anscheinend zu wenig, und daher hier, im Rahmen der Dringlichen Anfrage, mein dringlicher Aufruf an die Ländervertreter:innen: Setzen Sie sich dafür ein, mehr Geld für Kindergärten zu budgetieren! (Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner.) Investieren Sie lie­ber in die Pädagog:innen und bauen Sie Kindergärten, anstatt Hunderte Millionen Euro in den nicht notwendigen und klimaschädlichen Straßenbau zu investieren! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Geh bitte! Die Steigbügelhalterin für die ÖVP!)

19.48

Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile dieses.