20.20
Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen und – sofern noch jemand via Livestream zusieht (Bundesrat Preineder – erheitert –: Lieber Zuseher!) – lieber Zuseher, genau! (Heiterkeit der Rednerin.)
Ich bin jetzt verwundert, aber ich bleibe trotzdem bei deinem Thema, bei dem ich mich aus der Praxis einfach gut auskenne. Ich bin Bürgermeisterin und habe sehr viel mit Elementarpädagogik zu tun, und zwar gerade jetzt im Februar, wenn von den elementarpädagogischen Einrichtungen wieder die neuen Bedarfserhebungen hereinkommen. Dann sind wir – die Gemeinderäte, aber hauptsächlich auch wir Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – meistens vor die Tatsache gestellt, dass wir zu wenig Plätze haben und ausbauen müssen.
Mir ist es vor zwei Jahren so gegangen: ein Defizit von neun Plätzen. Das hat geheißen, ich bin zu meinen Nachbargemeinden gepilgert, habe angefragt, ob sie übrige Plätze für die Kinder aus Steinbach am Ziehberg haben, und habe mir eigentlich bei allen Gemeinden eine große Abfuhr geholt. Ich bin dann zur Bildungsdirektion gegangen und habe einen Antrag gestellt, dass ich eine weitere Gruppe dazubaue – und ja, Frau Kittl, dort hat mir innerhalb eines halben Jahres das KIP 2020 geholfen, weil ich es dazu verwendet habe.
Ich muss sagen, an und für sich – ich bin natürlich manchmal auch hier im Bundesrat – ist das ein Fulltimejob, wenn man so eine Bildungseinrichtung, das heißt eine Gruppe, in den Gemeinden von null herausstampft, damit man für die Eltern ein Angebot schafft, weil – das ist eine andere Sache, mit der ich mich öfter auseinandersetze – natürlich auch Menschen zu mir auf die Gemeinde kommen, weil sie ihren Haushalt in der Gemeinde gründen möchten. Sind das junge Menschen, ist eine der ersten Fragen: Wie schaut es bei euch mit der Kinderbetreuung aus? (Bundesrätin Schumann: Das ist die Frage!) Es ist für die Gemeinde eine entscheidende Standortfrage, dass man genügend Plätze anbietet. In meiner Gemeinde hat Elementarbildung Priorität. (Beifall bei der SPÖ.)
Würde ich das nicht anbieten, geht man nämlich zur nächsten Gemeinde, die vielleicht etwas größer, etwas finanzstärker und etwas strukturstärker ist, und siedelt sich eben dort an. In den bereits strukturschwachen ländlichen Gemeinden, die keine Post, keine Bank und fehlende Elementarbildungsplätze haben, wird das zu einem Grund für die Abwanderung und Überalterung, was die Ursache für einen weiteren Strukturabbau bietet.
Die Stärkung des ländlichen Raumes ist uns Sozialdemokraten ein zentrales Anliegen. Aus den Daten des Landes Oberösterreich geht hervor, dass im Bezirk Kirchdorf – ein ländlicher Bezirk, mein Heimatbezirk – derzeit lediglich 5,9 Prozent des Kinderbetreuungsangebotes VIF-konform sind. (Bundesrätin Schumann: 5,9 Prozent!) Im Bezirk Gmunden sind es überhaupt nur 2,2 Prozent, in Grieskirchen sind es 3 Prozent.
Bei den Krabbelstuben ist die Situation noch schlimmer. Das ist nicht nur tragisch für unsere Kinder, die keinen adäquaten Kinderbildungsplatz bekommen, sondern es ist auch tragisch für alle Mütter und Väter in diesen Bezirken, die keine Wahlfreiheit haben, ob sie berufstätig sein möchten oder nicht.
Der flächendeckende Ausbau des ganzjährigen und ganztägigen elementarpädagogischen Angebotes für die Ein- bis Sechsjährigen gehört unabdingbar angegangen. Auch die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit muss dabei ein Thema sein. Wir sozialdemokratischen Gemeindevertreter und ‑vertreterinnen fordern schon längstens einen Rechtsanspruch auf einen Elementarbildungsplatz für die Ein- bis Sechsjährigen. Wir Sozialdemokraten wollen damit das notwendige Tempo in diese Baustelle bringen.
Allein die dringend umzusetzende Reduktion der Kinderanzahl in den Gruppen, die Erweiterung der Randzeiten sowie die steigende Anzahl von I-Kindern bedeuten einen enormen Bedarf an einerseits zu bauenden Gruppenräumen und andererseits ausgebildeten Pädagog:innen und Assistent:innen, um den Bestand an Plätzen zu sichern. Da wird noch kein einziger zusätzlicher elementarpädagogischer Bildungsplatz zur Verfügung gestellt.
Wir brauchen dringend Ausbauoffensiven in der Fläche bei gesicherter Qualität im Betrieb. Beides können die Kommunen mit den bestehenden Bundes- und Landesfinanzierungsinstrumenten, aber auch mit den zur Verfügung stehenden Pädagog:innen und Assistent:innen schon längst nicht mehr stemmen.
Die hohen Kosten beziehungsweise Abgänge hemmen den dringend notwendigen Fortschritt beim Ausbau in den Gemeinden und Städten. Die auf mehrere Jahre zugesagte Elementarpädagogikmilliarde sowie die KIP-Mittel werden beim Bau der Gruppenräume einen Anschub leisten, doch bleibt es bei Anschüben. Einen großen Teil haben die Gemeinden als Kofinanzierung aufzustellen – und das bei leeren Kassen. Vielleicht reichen die Mittel, um das bestehende Platzangebot abzusichern, der flächendeckende Ausbau ist da noch in weiter Ferne.
Nun zum laufenden Betrieb: In meiner Gemeinde, einer kleinen Landgemeinde mit 860 Einwohnern, bleibt zum Beispiel im Rechnungsvoranschlag 2023 nach den Gruppenförderungen des Landes und den Elternbeiträgen bei zwei Kindergartengruppen und einer Krabbelstube ein prognostizierter Abgang von 160 000 Euro übrig.
Das mag für viele von euch nicht nach viel klingen, aber für eine kleine Gemeinde ist das eine enorme Summe, die bewirkt, dass die Gemeinde nicht ausgleichen kann und damit unter strengste Kriterien fällt, um ihren Haushalt zu sanieren, wie das dann heißt. Das bewirkt ein Minus von 2 000 bis 4 000 Euro pro Kind und Jahr.
Nach Rücksprache mit dem privaten Betreiber – denn in meiner Gemeinde ist nicht die Gemeinde selbst der Betreiber, sondern wir haben einen privaten Betreiber – ist das ein durchschnittlicher oberösterreichischer Abgangswert, wir fallen also nicht aus der Reihe. Da wir Abgangsgemeinde oder Härteausgleichsgemeinde sind, unterliegen wir auch strengen Prüfungen, die uns bestätigen, dass wir in der Norm liegen.
Transferzahlungen für Elementarpädagogik an die Gemeinden reichen schon längst nicht mehr aus, um den nachgefragten Betrieb nachhaltig zu sichern. Die Bedarfe in den Gemeinden und Städten haben sich enorm geändert. Die Halbtagskindergärten mit der Zielgruppe Schulanfänger:innen sind längst Vergangenheit. Die Nachfrage geht auch im ländlichen Raum in Richtung eines umfangreichen Bildungsangebotes für die Ein- bis Sechsjährigen. (Beifall bei der SPÖ.)
Elementarpädagogik ist, wie wir heute schon gehört haben, eine Investition in die Zukunft. Sparen und falsche Prioritätensetzung rächen sich da katastrophal. Geben wir den Gemeinderäten und den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen wieder die Gestaltungskraft vor Ort! Bauen wir auf ihre Expertise!
Die Finanzierung der Elementarpädagogik braucht bei den Verhandlungen im Finanzausgleich aus Sicht der sozialdemokratischen Gemeindevertreter und -vertreterinnen eine Neubewertung. Deshalb freue ich mich auch, dass Herr Staatssekretär Tursky hier ist, damit er das auch mitnehmen kann.
Die notwendige Ausweitung des Angebotes schlägt bei den Kommunen mit enormen Kosten auf. Diverse Anschubfinanzierungen bringen Gemeinden – das sagen mir die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, mit denen ich mich häufig austausche – in Schwierigkeiten. Wer sichert die Finanzierung nach dem Anschub? Was passiert mit den 15a-Assistent:innen nach Ablauf der drei Förderungsjahre? Dazu habe ich noch einen kleineren Zusatz: Wer finanziert mir die Ausbildung der 15a-Kräfte, bis sie einsatzfähig sind, wenn sie umgeschult werden? Wer stellt sie an?
Das sind alles Probleme, die in der Praxis einfach aufschlagen und mit denen strukturschwache Gemeinden dann eigentlich ohne Lösung dastehen, weil sie ganz einfach nicht das Geld dazu haben.
Meine Bitte: Geben Sie der Elementarpädagogik auch in der praktischen Umsetzung den rechten Stellenwert! Ich halte es da mit dem Städtebund: 18 Prozent für die Kommunen beim Finanzausgleich. Oder der Bund überlegt sich, die Personalkosten für Pädagog:innen und Assistent:innen der Elementarpädagogik zu übernehmen. Das wäre ein Vorschlag, den ich immer wieder von den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen höre. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)
20.30
Vizepräsidentin Andrea Kahofer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr das Wort.