11.51

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Vor ziemlich genau drei Wo­chen wurde im Rahmen des Sechsten Sachstandsberichtes des IPCC, des Welt­klimarates, der neueste Synthesis Report vorgestellt. Der fasst kurz und prägnant den aktuellen Stand der weltweiten Klimawissenschaft zusammen und lässt an Deutlichkeit wenig vermissen.

Wir steuern derzeit im globalen Mittel auf eine Plus-3-Grad-Celsius-Welt zu. Das unterschätzt aber die tatsächlichen Auswirkungen und Folgen, weil über den Meeresflächen die Temperaturen ja weniger stark steigen. Das würde bei uns einen Temperaturanstieg um 5 bis 6 Grad im Jahresdurchschnitt bedeuten. Das wäre katastrophal und gilt es unbedingt zu vermeiden. Kollegin Lan­caster hat ja einige Beispiele genannt, wie sich das lokal bereits auswirkt. Die gu­te Nachricht ist, dass es möglich ist, das zu vermeiden. Die Technologien da­für sind da. Allerdings ist dafür entschiedenes und schnelles Handeln notwendig (Ruf bei der SPÖ: Klimaschutzbericht! Klimaschutzbericht!), vor allem in den Industriestaaten, die nun einmal mit Abstand die größten Emittenten sind und vor allem auch pro Kopf mit Abstand die größten Emittenten sind.

Das Handlungserfordernis betrifft alle Bereiche. Gerade in den letzten Jahren ist ja einiges gelungen, um die Wende einzuleiten. Wir müssen aber – das muss man ja auch zugeben – im Bereich des Verkehrs, der Gebäude und auch im Bereich der Industrie tatsächlich noch einiges an Tempo zulegen, um die not­wendigen Ziele zu erreichen, also Klimaneutralität bis 2040 zu schaffen.

Nach dem Verkehr – das ist der größte Emittent – ist die Industrie der zweitgrößte Emittent in Österreich. Ich finde auch, dass man bisher etwas zu wenig Augenmerk auf die Transformation derselbigen gelegt hat, denn auch da geht es darum, in kürzester Zeit – und 17 Jahre bis 2040: das ist wahr­lich sehr kurz (Ruf bei der SPÖ: Tempo 100!) – einen vollständigen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu schaffen.

Das bedingt ja nicht nur einen bloßen Wechsel von Energieträgern, sondern in vielen Fällen gerade in der Industrie auch einen Umbau von Produktions­prozessen. Es geht dabei – das ist ja angeschnitten worden – nicht – unter An­führungszeichen – „nur“ um die technischen Aspekte des Klimaschutzes, sondern gleichzeitig um die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft in Österreich ins­gesamt. Da darf es kein Zögern geben, denn wir sind ja nicht die Einzigen auf diesem Planeten, die vor diesen Herausforderungen stehen und das wissen.

Wer in der Transformation die Nase vorne hat, sichert den Bestand der Industrie und damit auch Arbeitsplätze, die wir ja nicht verlieren wollen. Die ökologi­sche und – das betone ich immer wieder – sozial abgesicherte Transformation der Wirtschaft ist also ein wichtiger Beitrag zur Zukunftssicherung. (Bun­desrätin Schumann: Die Fördermittel für die Transformation in der Industrie wurden nicht an Arbeitsplatzsicherheit gebunden!). Die Transformation bietet auch ein sehr, sehr großes Beschäftigungspotenzial. Gerade in den letzten Jahren ist ja mit der Energiepreiskrise, die vorrangig durch den Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine ausgelöst wurde, die Einsicht gestiegen, dass diese Transfor­mation auch aus Gründen der Unabhängigkeit und der Versorgungssicher­heit notwendig ist.

Das Erfreuliche ist: Viele Unternehmen sind da auch weiter als so mancher prominente Kopf in den Interessenvertretungen. In vielen Unter­nehmen herrscht ein großer Wille vor, die Transformation auch tatsächlich durchzuführen, zu investieren und die Produktion klimaneutral zu gestalten. Da gibt es viele schöne Beispiele.

Ich möchte eine Initiative aus Vorarlberg kurz erwähnen: Vor rund einem Jahr hat sich eine ganze Reihe von namhaften Industriebetrieben unter dem Motto Tun – von: tu etwas! –, Tun – Green Deal Vorarlberg zusam­mengeschlossen. Die haben sich nichts weniger als das Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu werden: 2030, in sieben Jahren! Darunter finden sich Unternehmen wie Alpla, Blum, Getzner, Rauch, Pfanner, Gebrüder Weiss, Rondo und so weiter, also keine Kleinbetriebe, sondern eine ganze Reihe inter­nationaler Konzerne.

Von einem anderen Beispiel der Eigeninitiative haben wir schon gehört. Das ist die Voest, die ihr konkretes Konzept, die Stahlproduktion weg von Kohle hin zu Wasserstoff umzustellen, seit Jahren entwickelt. Auch die Voest weiß na­türlich, dass sie nur mit solchen Strategien der ambitionierten Transforma­tion in Zukunft auf dem Markt bestehen kann, denn die anderen, wie etwa Krupp zum Beispiel – man kann das auch nachlesen –, schlafen nicht, son­dern sind auch sehr intensiv dran.

Die dazu nötigen Investitionen erfordern natürlich viel Geld. Da ist es vor allem – ich betone das – die Aufgabe des Staates, die rechtlichen Rahmenbedin­gungen klar zu setzen, um langfristige Planbarkeit zu sichern. Das Geld will ja auch aufgenommen werden – auch bei den Banken – und investiert werden, und dafür braucht es auch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen. (Bundesrätin Schumann: Ohne staatliche Bedingungen!) Da ist noch etwas zu tun – klar! –, und es ist natürlich auch unsere Aufgabe, die nötige Unterstützung respektive Förderungen bereitzustellen.

Das Umweltförderungsgesetz stellt für die Transformation der Industrie die stolze Summe von immerhin 2 975 Millionen Euro gesetzlich gesichert zur Verfügung. Das ist schon eine völlig neue Dimension, wiewohl wir inzwi­schen an hohe Zahlen gewöhnt sind. Dass das aber wirklich eine völlig neue Dimension ist, erkennt man daran, wenn man ein bisschen zurückschaut, wie die Umweltförderung im Inland in den vergangenen Jahren dotiert war.

In der vorliegenden Novelle wird nun quasi der Zugriff auf diese Mittel wesentlich erleichtert. Wie? – Im Unterschied zu den üblichen Prozessen in der Umweltförderung können Anträge zur Transformation in der Industrie laufend gestellt werden und sind nicht an Ausschreibungen gebunden. Das schafft natürlich höhere Planbarkeit, höhere Geschwindigkeit, mehr Sicherheit, und das gerade jetzt, da wir auch sehen, dass es in Lieferketten teils Pro­bleme gibt und dass das die Planbarkeit natürlich erschwert und das Hinarbeiten auf Ausschreibungen nicht leichter macht.

Zudem werden die förderbaren Branchen ausgeweitet, und zwar vor allem in Richtung der energieintensiven Zementindustrie und auch der Ziegel­industrie. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Auch die sind natürlich sehr stark gefordert, ihre Energieversorgung, ihre Produktion auf erneuerbare Energieträger umzustellen, auch im stofflichen Verbrauch.

Ein wichtiges Detail noch, das nicht erwähnt wurde: Es werden ja auch im Rahmen des UFG Fördermittel der EU im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplanes gewährt, und da wird jetzt dafür gesorgt, dass all die Mittel für die Abwicklung dieser Förderung nicht aus diesen Mitteln finanziert werden, sondern aus dem Budget, sodass dann wirklich jeder Euro bei den Betrieben landet.

Einen Satz möchte ich noch kurz an Kollegin Platzer richten, weil sie es im Zusammenhang mit der Fotovoltaik angesprochen hat. Sie kennt die Sorgen. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass es da Probleme gegeben hat. Ich möchte aber ein bisschen eine Lanze für das System brechen. Es ist schon erstaunlich, was das System leistet. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Ich weiß das, ich habe mich nämlich beim letzten Call vor zwei Wochen selber bei einem Unternehmer an einen Rechner gesetzt und – wie sagt man zur ersten Phase? – die Tickets geholt. Genau! Das ist absolut problemlos ge­gangen. In einer Stunde hat es über 100 000 Anträge gegeben. Es hat dann Pro­bleme in der Vervollständigung gegeben, das stimmt. Man hat die Frist so­fort verlängert, binnen Tagen die Frist auf das Doppelte erstreckt.

Für die, die dransitzen, ist es trotzdem mühsam, das stimmt, aber es ist schon eine Leistung. Ich möchte betonen, alleine in diesem Call sind es min­destens 250 Millionen Euro – 250 Millionen Euro in einem Call! (Zwischenruf des Bundesrates Reisinger.) Das wird jedenfalls für 120 000 Anträge reichen. Alleine das ist mehr als in der Vergangenheit für mehrere Jahre zusammenge­rechnet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Wir hoffen auf viel Schwung bei der Transformation der Industrie in die Klimaneutralität. Wir sind sicher, dass viele Unternehmen vorbereitet und in den Startlöchern sind. Hausverstände gibt es viele, wie wir hier herinnen immer wieder feststellen. Ich freue mich jedenfalls, dass die meisten Hausver­stände dieser Verbesserung im UFG zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.00

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bun­desministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.