20.15

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Lieber Herr Vorsitzender! Zu diesem Be­richt könnte man sehr, sehr lange reden, daher konzentriere ich mich auf den Teil von Vorschlägen, der die Umsetzung des Green Deals betrifft – aber leider braucht auch der ein Weilchen.

Die Europäische Kommission will Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt machen. Eine Maßnahme – vielleicht eine kleine, aber doch –, um das zu verwirklichen – die ist nicht so klein –, ist die Vermeidung von Müll, denn Milliarden Kilo an Waren werden in der EU weggeschmissen. Dafür werden Milliarden Kilo an Ressourcen verbraucht und Milliarden Kilo an Treibhausgasemissionen erzeugt, was nicht nötig wäre, denn in vielen Fällen könnten die Waren noch repariert werden.

Mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission auf ein Recht auf Reparatur werden Ressourcen, Abfall und vor allem Treibhausgasemissionen einge­spart und die Kreislaufwirtschaft wird gestärkt. Das Recht auf Reparatur bedeu­tet, einfordern zu können, dass defekte Haushaltsgeräte einfach zu fairen Preisen und auch noch nach der Garantiefrist repariert werden können. Das Ziel ist, dass die Reparatur einfacher und billiger wird als die bisherige Praxis, defekte Produkte durch neue Produkte zu ersetzen. Damit stärkt das Recht auf Reparatur auch die Langlebigkeit der Produkte, einerseits um Reparatur zu vermeiden, andererseits um leichter reparieren zu können.

Österreich – und das freut mich – geht mit dem Ziel, die Kreislaufwirtschaft zu stärken, mit gutem Beispiel voran, zum Beispiel mit dem Reparaturbonus des Klimaschutzministeriums, bei dem 50 Prozent der Reparaturkosten bis zu 200 Euro übernommen werden, um so Reparatur auf der Anbieter-, aber auch auf der Konsument:innenseite wieder interessanter zu machen. Wien macht das genauso. Auch nationale Onlineplattformen mit wiederherge­stellten Produkten oder Reparaturwerkstätten sollen errichtet werden. Auch da kann Österreich schon etwas vorweisen, zum Beispiel refurbished.at oder eben reparaturbonus.at. Wir können damit wichtige Inputgeberin für die EU sein.

Unvermeidbarer Abfall aber sollte wiederverwendet werden oder zumindest fachgerecht entsorgt werden. Das ist aber leider nicht immer der Fall. Abfall wird illegal verbracht oder abgelagert. Erinnern wir uns an die Bilder der Abfall­berge in den polnischen Wäldern. Böden, Luft und Wasser werden unwiederbringlich verschmutzt und die Umwelt wird zerstört. Das ist unter Umweltkriminalität zu subsumieren und auch strafrechtlich zu ahnden, genauso wie illegale Abholzungen – wir denken an Rumänien –, illegale Fischerei und illegaler Handel mit geschützten Wildtieren. Die Auswirkungen von umweltschädlichem Verhalten sind oft extrem langfristig und irreversibel und meistens töten sie, sei es die Natur oder im schlimmsten Fall Menschen. Die Kosten von Umweltkriminalität für die Allgemeinheit sind enorm, trotzdem nimmt sie jedes Jahr signifikant zu. Das ist in Zeiten der Klimakrise noch verrückter, als es immer schon war.

Genauso unverständlich ist es, dass Umweltschutz eine Minderheitsange­legenheit ist, ein Anliegen von wenigen, die leider immer noch geringschätzig als Alternative oder Hippies oder gar als Terrorist:innen bezeichnet werden. Dass umweltschädliches Verhalten überhaupt ein Straftatbestand und nicht bloß eine Verwaltungsstraftat ist, ist erst ein paar Jahrzehnte her.

Noch nicht durchringen können wir uns dazu, der Natur verfassungsgemäße Rechte einzuräumen, was so manches südamerikanische Land getan hat. Das bedeutet, dass die Natur zum Rechtssubjekt wird und ihre Rechte durch eine Stellvertreterin eingeklagt werden können, so wie bei Kindern, deren Rechte auch stellvertretend einklagbar sind. Das wäre meines Erachtens der sicherste Weg, dem Umweltschutz den Stellenwert in unserem Denken und Handeln zu geben, den die Natur, die uns nährt und gut leben lässt, braucht.

Dass die Natur diesen Schutz braucht, ist uns leider immer noch nicht im Ent­ferntesten bewusst. Die EU kennt die Richtlinie aus 2008 über den straf­rechtlichen Schutz der Umwelt. 2020 wurde sie evaluiert, und sie soll nun aktualisiert werden. Sanktionen sollen verschärft und an Finanzstraftat­bestände angepasst werden, bei denen sich die Geldstrafen an Jahres­umsätzen orientieren, damit es auch schmerzt, denn die Auswirkungen sind mit Geld kaum aufzuwiegen. Bei den Verfahren sollen auch die Betroffe­nen, wie zum Beispiel Umweltschutzorganisationen, mehr Rechte bekommen.

Es gab dazu schon viele Ratsarbeitsgruppentreffen, um das konkreter auszuar­beiten. Hoffen wir, dass sie aufgrund der Dringlichkeit von Klima- und Um­weltschutz bald zu Entscheidungen kommen werden.

Ähnlich sieht es bei der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit aus. Dabei geht es darum, die Sorgfalts­pflichten von Unternehmensführungen entlang globaler Lieferketten im Bereich Umweltschutz und im Bereich Einhaltung von Menschenrechten auszu­bauen. Vor allem Unternehmen in High-Impact-Sektoren wie der Textil- und der Nahrungsmittel- oder der Forstindustrie, der Rohstoffgewinnung oder dem Rohstoffhandel sind verantwortlich für viel Leid auf der Welt. Das ist uns Konsument:innen zunehmend klar. Das muss aber vor allem den Konzer­nen klar werden, denn sie haben ungeheure Macht. Sie formen das Leben von Milliarden von Menschen, von Konsument:innen, Produzent:innen, Händ­ler:innen, Lieferant:innen, Logistiker:innen et cetera, et cetera.

Daher braucht es ein Umdenken im Wirtschaften in Richtung Nachhaltigkeit und Verantwortung. Meiner Meinung nach braucht es dieses Umdenken auch in der Politik, denn die Politik prägt die Werte, die dem gesellschaftlichen und dem wirtschaftlichen Handeln zugrunde liegen, und ist verantwortlich dafür, dass es uns und eben auch unserer Umwelt gut geht.

Wir wissen aus leidvoller Erfahrung: Die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten ist erschreckenderweise durch gut Zureden nicht um­setzbar. Daher braucht es verbindliche Regeln für unternehmerische Verantwor­tung, die mit der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen umgesetzt werden könnten. Wichtige Player auf diesem Feld des Umweltschut­zes sind Menschen und Organisationen, die auf Verbrechen gegen die Umwelt aufmerksam machen. Das ist aber kein leichtes Unterfangen, denn sie zeigen Missstände von oft sehr großen Konzernen an.

Diese Unternehmen sind finanziell potent und wollen mit sogenannten Slapp-Klagen diese Missstände vertuschen. Angeklagte Umweltschützer:innen werden damit immer wieder in den finanziellen Ruin getrieben. Das soll sie und auch zukünftige Aufdecker:innen einschüchtern. Auch der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie gegen solche strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung wurde lange diskutiert – und wird leider immer noch diskutiert. Meines Erachtens ist es hier wie dort eine Verzögerungs­taktik von lobbyisierten Parteien, die großen Unternehmen näher stehen als dem Wohl der Umwelt und damit der vielen Menschen, die sie wählen.

All die erwähnten Vorschläge der Europäischen Kommission – die Richtlinie zum Umweltstrafrecht, zur Lieferkette, die Initiativen zum Recht auf Reparatur, zur Verhinderung von Slapp-Klagen – könnten gemeinsam mit den Maßnahmen, die unsere Regierung setzt, einen Paradigmenwechsel hin zu einem verant­wortungsvollen Umgang mit unseren Ressourcen einleiten. Rücken wir endlich die verrückten Wertigkeiten zurecht. Nicht Umwelt- und Klimaktivist:innen, die für den Schutz der Natur eintreten, sollen kriminalisiert werden, sondern die, die die Umwelt zerstören und der Allgemeinheit extrem hohen Schaden zu­fügen, sollen zur Verantwortung gezogen werden. Verurteilen wir die, die die Umwelt zerstören, und nicht die, die sie schützen wollen! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Kurz möchte ich noch auf das eingehen, was die Bundesregierung vorgestern im Ministerrat für den Umweltschutz deklariert hat: Mittels Aktionsplan und einer Arbeitsgruppe, die den netten Namen Nest trägt – National Environmental Security Task Force –, soll es national und international eine bessere Ver­netzung und Zusammenarbeit der verschiedenen Ministerien, Behörden und NGOs im Bereich Umweltkriminalität geben. Das Personal – vor allem von Behörden, die sich mit Umweltfragen befassen – soll für den Umweltschutz mehr sensibilisiert werden, in der Grundausbildung genauso wie in den Führungsetagen. Das erklärte Ziel – und das ist ein wichtiger Punkt – ist, die Verurteilungsrate bei Umweltverbrechen zu erhöhen, denn man stelle sich vor: Nicht einmal 1 Prozent der angezeigten Umweltverbrechen wird ver­urteilt.

Das alles erinnert mich frappant an die fehlenden Urteile bei Gewaltverbrechen gegen Frauen. Hier wie dort fehlt das Bewusstsein der Dringlichkeit. Hier wie dort kommt es kaum zu Verurteilungen, weil zu wenig Beweise gesammelt werden. Hier wie dort kann man dem begegnen und zukünftige Delikte durch Prävention vermeiden, indem die Zusammenarbeit von Behörden und Schutzorganisationen sowie eine intensive Auseinandersetzung des Per­sonals mit dem Thema gefördert werden. Ich freue mich, dass das in beiden Fällen nun angegangen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

20.24

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Matthias Zauner. – Bitte, Herr Kollege.