21.27

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Lassen Sie mich noch auf die letzte Debatte Bezug nehmen: Es ist schon so, dass, wenn Arbeitskräfte zu uns kommen, nicht nur Arbeitskräfte kommen. Es kommen Menschen und es ist nicht nur so, dass sie in der Küche den Kochlöffel rühren. Da kommt ein Mensch mit seinem Leben, mit seinen Wünschen, mit seinen Vorstellungen, der vielleicht auch blei­ben wird. Da geht es also auf keinen Fall um die reine Arbeitskraft. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Himmer: Er kann aber trotzdem den Kochlöffel rühren, oder?)

Jetzt zum vorliegenden Bericht: Wir hätten dem vorliegenden Bericht ohne Zweifel zustimmen können, das ist gar keine Frage. Die Punkte, die die wirtschaftlichen Belange betreffen, sind sehr ausführlich dargestellt. Jene Punkte, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen, sind ein bisserl dünn, aber das wissen wir ja, das kommt ja aus diesem Ministerium, in dem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht so wirklich an erster Stelle stehen.

Was einen in diesem Bericht aber wirklich betroffen und stutzig macht, ist, dass da drinnen steht, dass der Minister nicht bereit ist, das IAO-Abkommen Nr. 190 zu ratifizieren. Worum geht es denn bei diesem Abkommen? – Das ist jenes Abkommen, das sich darum dreht, dass man die Beseitigung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz vorantreibt. Dieses IAO-Abkommen ist eines der wichtigsten Abkommen, um den Menschen, die im Arbeitsleben ganz stark unter jeder Form der Gewalt leiden – sei es psychische, sei es physi­sche Gewalt, sei es Mobbing oder sei es sexuelle Belästigung –, zu zeigen: Wir wollen das als Land nicht, dass das in unseren Arbeitsstätten vorkommt, wir wollen dem Einhalt gebieten! Schon sehr viele Länder haben diese Verein­barung ratifiziert, nur Österreich nicht.

Der Herr Minister sagt: Nein, ich lege das dem Parlament vor, wir werden es nicht ratifizieren, das ist zu kompliziert. – Das kann man nur ablehnen, denn es ist ganz, ganz wesentlich, dass diese Vereinbarung ratifiziert wird!

Ich kann gar nicht sagen, wie viele Problemstellungen wir in Bezug auf Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern haben, die unter verschiedenster Form von Gewalt leiden, unter Gewalt von Kolleginnen und Kollegen, von Vorgesetzten, von Kundinnen und Kunden. Es ist ganz, ganz schlimm. Wir hatten in der Ge­werkschaft jetzt erst eine große Tagung über Gewalt am Arbeitsplatz, in der ganz deutlich dargestellt wurde, wie sehr die Beschäftigten darunter leiden, denn die Zahlen hinsichtlich Gewalt am Arbeitsplatz sind gewaltig angestiegen. Die Coronazeit war da ein Brennglas für mehr Gewalt. Ich kann Ihnen sagen, in der Pflege werden die Beschäftigten angespuckt, beschimpft; in den Kun­dendiensten passieren Dinge, die unerträglich sind und ein Arbeitsleben wirklich zur Hölle machen. Das wollen wir nicht.

Die sexuelle Belästigung ist ein ganz schwieriges Thema: In einer Umfrage der Arbeiterkammer, die wirklich repräsentativ war, hat sich herausgestellt, dass jede zweite Frau, jede zweite Arbeitnehmerin (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP) – das ist nicht lustig, ich sage es Ihnen ganz ehrlich, das ist nicht lustig (Bundesrat Tiefnig: Nein, nein!) –, jede zweite Frau in der Arbeitswelt bereits von sexueller Belästigung betroffen ist und dass 14 Prozent aller Arbeitneh­merinnen wirklich tätlich sexuell belästigt worden sind. Das ist unerträglich. Das wollen wir doch alle nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Da muss man an verschiedensten Schrauben drehen: Es braucht Prävention; es braucht das Bekenntnis der Betriebe, dass das in ihren Betrieben nicht statt­finden soll; es braucht da die Teilnahme der Arbeitsinspektion. Dieses Übereinkommen, das Deutschland demnächst ratifizieren wird, muss auch in Österreich unterzeichnet werden. Das haben zuerst wir als Arbeitneh­mer:innenvertretung gefordert und jetzt fordern es alle Präsidenten der Sozial­partnervereinigungen. Der Brief ist an den Minister ergangen.

Ganz ehrlich: Es ist längst an der Zeit, das zu ratifizieren und in diesen Bericht hi­neinzuschreiben: Wir wollen das auf keinen Fall! – Wenn alle Präsidenten der Sozialpartner sagen: Bitte, setzt das um, weil wir keine Gewalt am Arbeitsplatz wollen!, dann müsste man vielleicht seine Haltung überdenken. Wir werden der Kenntnisnahme dieses Berichts nicht zustimmen, weil wir fordern, dass das IAO-Abkommen 190 ratifiziert wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.32

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. – Bitte, Frau Bundesrätin.