11.56
Bundesrätin Mag. Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident, ganz kurz, ich heiße Arpa, aber das macht nichts, das ist halt manchmal schwierig; Arpa, wie die Harfe auf Italienisch.
Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Bundesministerin! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Warum wir uns heute so eingehend mit der „Wiener Zeitung“ beschäftigen, haben wir schon von zahlreichen Vorrednerinnen und Vorrednern gehört, die Betonung ist aber dennoch eine wichtige, da es um eine Zeitung geht, die 315 Jahre Bestand gehabt hat und die wichtige, große und zentrale Ereignisse dokumentiert und somit auch überliefert hat.
Ich möchte einen Blick zurückwerfen und zitiere aus der „Wiener Zeitung“ zur Jahrhundertwende, vom 30. Dezember 1899: „Auch hierzulande sind die Meinungen getheilt, aber wie immer unsere individuellen Anschauungen über die Frage: 1900 oder 1901 sein mögen – wir Österreicher sollten bereitwillig uns schon jetzt den bedeutsamen Betrachtungen hingeben, zu denen die wirkliche Jahrhundertwende Anlaß bietet. Denn solche Rückschau auf lange geschichtliche Zeiträume erhebt die Menschen über das Gemeine des Alltags, er gewinnt historische Perspektive, in dem Großen und in dem Ganzen reduciren sich die Nichtigkeiten, die uns tagaus, tagein gefangen halten, auf ihre wahren Verhältnisse.“ – Das sind Sätze, die vor 100 Jahren geschrieben wurden und die wir heute genau so problemlos übernehmen können. Heutzutage haben wir mehr Informationen denn je, und vor 100 Jahren erfolgte die Informationsbeschaffung natürlich über die gedruckte Zeitung, aus der auch dieses Zitat stammt.
Wir können uns in verschiedener Weise mit der Geschichte befassen, mithilfe von Büchern, Filmen, Museen, aber auch mithilfe historischer Stätten. Wir sehen aber auch, dass viele Menschen aufgrund ihrer täglichen Verpflichtungen und des schnellen Tempos des modernen Lebens wenig Zeit haben, sich mit der Geschichte zu beschäftigen.
Wenn ich einen Blick auf unsere Gesellschaft werfe, vor allem jetzt, so muss ich sagen, dieses Antiteuerungspaket oder Teuerungs-Entlastungspaket, wie wir es gerade haben, kommt bei den Menschen einfach nicht an. Es kommt nicht dort an, wohin es adressiert ist, und da weigere ich mich, das so hinzunehmen. Da stehe ich dafür ein, dass wir daran arbeiten müssen, dass die Menschen es bekommen, denn ich glaube, es ist einfach notwendig, diese 1,3 Millionen Menschen, die armutsgefährdet sind, zu unterstützen, sehr geehrte Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn wir uns die langfristigen Auswirkungen und die Entscheidungen der Vergangenheit ansehen, dann haben wir ja mit jedem Jahr die Möglichkeit, die heutigen Herausforderungen und Probleme in einer breiteren Perspektive zu betrachten. Und um meine Frage zu beantworten, die ich vorhin gestellt habe: Nein, alle 100 Jahre nachzudenken reicht einfach nicht aus! Manchmal würden ja ein paar Tage ausreichen, um gut nachzudenken.
Wenn wir nun den gesamten geschichtlichen Zeitraum betrachten, in dem die Erde bisher existiert, sehen wir auch, dass sich das Klima schon immer verändert hat. Die heutige Wissenschaft ermöglicht uns sogar, die Zukunft relativ genau vorauszusagen. Die Erderwärmung und ihre Auswirkungen auf die Umwelt sind spürbar, und das bereits heute. Seit mehr als 100 Jahren – seit mehr als 100 Jahren! – wissen wir, dass der Klimawandel schwerwiegende Folgen haben wird, insbesondere für unsere jüngste Generation. Und dennoch haben wir es bisher nicht geschafft und schaffen es auch heute nicht, aktiv darauf zu reagieren. Noch immer hat Österreich kein Klimaschutzgesetz, und das wird in dieser Regierungsperiode auch nichts mehr werden, wie es aussieht. (Beifall bei der SPÖ.)
Deshalb reicht auch das Nachdenken, geschätzte Bundesregierung, geschätzte Bundesministerin, über das große Ganze nicht mehr aus, sondern es wird Zeit zu handeln. Nach wissenschaftlichen Modellberechnungen im Österreichischen Sachstandsbericht Klimawandel erhöht sich die Temperatur während der Hitzeperioden im Sommer bis zum Jahr 2100 um durchschnittlich 4 Grad Celsius. 2100: die nächste Jahrhundertwende, bei der die zukünftigen Generationen auch die Möglichkeit haben sollen, Nichtigkeiten, die sie tagein, tagaus beschäftigen, auf ihre wahren Verhältnisse zu reduzieren. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)
Kommen wir jetzt zum Abschluss noch auf die „Wiener Zeitung“ zurück, weil es gerade in Anbetracht so weitreichender Krisen wichtig ist, objektive, qualitätsvolle und gute Berichterstattung zu haben! Mit dem heutigen Beschluss wird die „Wiener Zeitung“, die bisher älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt, eingestellt werden. Wir verlieren in Österreich damit eine Zeitung, die zugleich auch ein Kulturjuwel ist und die ganz einfach nicht gerettet werden sollte – es war von der Regierung schlichtweg nicht gewünscht. Es ist ein Drama und eine Schande, weil alle Vorschläge, die am Tisch gelegen sind, nicht einmal diskutiert wurden. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir wollen dieser Einstellung nicht tatenlos zusehen und appellieren erneut an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen: Denken Sie noch einmal nach! Tun Sie das Richtige! Retten Sie mit uns gemeinsam die „Wiener Zeitung“ und damit ein Stück Qualitätsjournalismus, den es heute genauso dringend braucht wie vor 100 Jahren und in 100 Jahren! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
12.01
Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Daniel Schmid zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.