12.44
Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Ja, jetzt würde ich natürlich sehr gerne die Frau Ministerin begrüßen, sie ist jetzt aber leider nicht hier. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Die wird vielleicht auch noch wohin dürfen!) – Das ist verständlich. Ich darf aber Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucherinnen und Besucher, sehr herzlich begrüßen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was verlieren wir mit der „Wiener Zeitung“, die heute offensichtlich mit einer schwarz-grünen Mehrheit zu Grabe getragen wird? – Wir verlieren ein Kulturgut, das den Titel Weltkulturerbe verdienen würde, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir verlieren ein wertvolles Dokument der Gesamtheit unserer Wirtschafts- und Sozialgeschichte und wir verlieren ein Medium, das sehr früh schon auch Frauen eine Chance gegeben hat, sehr früh schon auch Frauen in der Redaktion beschäftigt hat und auch in diesem Sinne schon avantgardistisch war. Das kann eigentlich gar nicht besser zum Ausdruck gebracht werden als durch einen Artikel von Anna Hartmann mit dem Titel „Eine Frau betritt die Welt der Männer“, aus dem ich Ihnen einen kurzen Auszug bringen möchte.
Frau Hartmann wurde beauftragt, einen Artikel über die österreichische Wirtschafts- und Industriegeschichte zu schreiben und eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, und sie hat das in einem sehr umfassenden Artikel aus dem Jahre 1953, also in der Zeit des Wirtschaftsaufschwungs, des Wirtschaftsbooms, der absolut lesenswert ist, folgendermaßen zusammengefasst:
„Man hat mich – eine Frau! – eingeladen, über die verstaatlichten Betriebe Österreichs zu berichten, also über einen Komplex der Wirtschaft, der nur in einem einzigen Zweige den Frauen ein größeres Arbeitsfeld bietet und sonst eine für sich abgeschlossene Männerwelt ist. Diese Einladung zeugt von Mut! Vielleicht für beide Teile. Denn in der Meinung der Öffentlichkeit wird die Welt der Männer fraglos hingenommen, während die Ansicht einer Frau doch immer fragwürdig ist.“ (Beifall bei der SPÖ.) – Daran hat sich leider ja in vielen Bereichen nicht viel geändert.
„Ich habe mir meine Ansicht aus der praktischen Anschauung heraus gebildet. Ich habe den Erzberg erklommen, bin bei der Aufbereitung des Erzes dabei gewesen und habe die ganze dramatische Entwicklung des Minerals bis zum Eisen und Stahl verfolgt. Ich bin diesen Eisen- und Stahlstücken nachgereist und habe sie auf hochalpinen Baustellen als Freileitungsmaste für Hochspannungen gesehen, als Stützen der Bergwerksstollen, die tief in die Eingeweide der Erde führen, ich habe sie als Bleche gesehen, die den Rumpf der Schiffe einhüllen, die die Kohle bringen, aus der der Koks gebrannt wird; ich sah sie als riesenhafte Wellen der Generatoren, die aus der Wasserkraft die ‚weiße Kohle‘, den elektrischen Strom fördern, und ich folgte dem Lauf dieses Stromes bis zu den Knotenpunkten, von denen tausend Kupferarme in die Welt gehen, bis zu den Motoren der Lokomotiven, zu den Ackerbaugeräten und den Küchenherden – zu all den Dingen, die an dem Werden und Gedeihen des Räderwerks der Wirtschaft entscheidenden Anteil haben. Ich habe auch in das Leben jener Menschen einen Blick geworfen, die mit geistiger und physischer Kraft diese Räder zum Schwingen bringen, ich habe von ihren Wünschen, Hoffnungen und Plänen gehört, habe ihren Kindern beim Spiel und beim Lernen zugesehen, bin mit den alten Leuten zusammen gesessen, die ein Leben lang an all dieser Arbeit Anteil hatten, und ich habe als beglückendes Ende der für eine Frau so einmaligen – vielleicht erstmaligen – Mission ein wundervolles Land entdeckt – ich habe meine Heimat in neuem Glanz entdeckt [....]“, schreibt Anna Hartmann 1953. Das ist also wirklich ein Dokument der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, wie es in der „Wiener Zeitung“ viele gibt.
Ich möchte Ihnen auch ein Zitat von einer Jubiläumsfeier 1953 bringen, von einem gewissen Herrn Julius Raab, Bundeskanzler, der Ihnen wohlbekannt sein wird. Er hat bei der Jubiläumsfeier gesagt – und das ist auch in der Festschrift in den Wünschen an die „Wiener Zeitung“ nachzulesen –:
„Jemandes Weggefährte sein, bedeutet schon im Alltag des menschlichen Lebens viel. Um wieviel mehr liegt in der Feststellung, dass die ‚Wiener Zeitung‘ durch 250 Jahre unserem Vaterlande Österreich publizistischer Weggefährte und Herold war. Dazu kann ich Sie nur beglückwünschen und hoffen, daß sie diese Mission noch lange ausüben möge.“ – Das schrieb einst Julius Raab, Bundeskanzler der Republik Österreich.
Es ist schon auch eine Ironie des Schicksals, dass seine Namenskollegin und auch Parteikollegin, Ministerin Susanne Raab, die ich jetzt wieder hier begrüßen darf, nun diesem Kulturgut, diesem Weltkulturerbe den Todesstoß versetzt. Das ist wirklich traurig, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)
12.50
Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Lancaster. – Bitte, Frau Bundesrätin.