9.21

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Wenn man bedenkt, dass ein Vizepräsident dieses Hauses jetzt gerade einen solch unqualifizierten Zwischenruf gemacht hat und die Arbeitslosigkeit von 1 900 Menschen als bla, bla, bla bezeichnet, dann, finde ich, sind Sie rücktrittsreif. (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Bundesrat Kornhäusl: Da sind die Blauen auch keine Ministranten!)

Wir haben schon für ganz andere Dinge Ordnungsrufe erhalten, meiner Meinung nach wäre da einer ganz dringend geboten gewesen. (Zwischenruf der Bundesrätin Miesenberger.)

Nun aber zum Thema: Als ich das Thema der Aktuellen Stunde erfahren habe, habe ich mir zuerst gedacht, okay, Österreich, ich lebe doch auf einer Insel der Seligen, es geht uns so traumhaft gut, es gibt keine Probleme, es läuft alles, es funktioniert, es ist alles wunderschön, weil wir die Aktuelle Stunde zu einem wahrscheinlich schon nicht unwichtigen Thema, aber in der jetzigen Zeit meiner Meinung nach zu einem Randthema haben. (Bundesrat Schreuder: Was? Wie bitte?) – Sie müssen mir eines erklären, lieber Herr Kollege Schreuder: Wenn man Daten erfasst, um Lieferkettenengpässe rechtzeitig zu erkennen, und im Suezkanal steht ein Schiff quer, was hilft einem das, wenn man die Daten hat und das drei Wochen vorher weiß, aber das Produkt trotzdem im Suezkanal steckt? Wir haben in Europa leider nicht die Produktionsstätten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, wenn die ÖVP neue Projekte hat, dann ist es immer sehr empfehlenswert, noch einmal genauer nachzuschauen und zu recherchieren. Dieses Institut Supply Chain Intelligence Institute Austria, kurz Ascii genannt, wurde eigens dafür gegründet, um diese Liefernetzwerke und -risiken sichtbarer zu machen und früher zu erkennen. Spannend ist aber, dass der Direktor dieses neu gegründeten Institutes der Komplexitätsforscher Peter Klimek ist. Falls es die Menschen vergessen haben: Das ist jener Herr, der in der Coronapandemie federführend die Regierung beraten hat, und dadurch wurden viele Fehlentscheidungen getroffen (Beifall bei der FPÖ), Menschen sind weggesperrt worden, Menschen sind eingesperrt worden, unsere Kinder leiden heute wesentlich darunter, dass man ihnen die sozialen Kontakte genommen hat. Jener Herr Klimek soll jetzt dafür sorgen, dass der Wirtschaftsstandort Österreich für die Zukunft gesichert wird.

Das wird jetzt vom Wirtschaftsministerium mit 7,5 Millionen Euro gefördert. Dies zwar auf fünf Jahre verteilt, aber eigentlich, Herr Minister, denke ich, könnten wir das Geld beim Fenster hinausschmeißen, dann hätten wenigstens ein paar Österreicher, die vorbeigehen und zufällig Geld aufheben könnten, etwas davon.

Ich finde, gerade in der jetzigen Zeit müsste man eine Aktuelle Stunde zu viel, viel wichtigeren Themen machen, aber bedauerlicherweise werden – und das haben wir alle befürchtet, als Sie die Wirtschaftsagenden dazubekamen – halt leider die Agenden für die arbeitenden Menschen, die meiner Meinung sehr wichtig und gleich wichtig sind, eigentlich sehr hintangestellt.

Es gäbe diesbezüglich so viele Dinge: Erstens einmal gibt es neue Herausforderungen am Arbeitsmarkt. Wie begegnen wir diesen? Was machen wir mit der Digitalisierung? Wie gehen wir mit diesen Dingen um? Auch das von heute: Ich meine, wenn man bedenkt, dass Herr Benko vom österreichischen Staat in Zeiten der Coronapandemie 7,7 Millionen Euro Steuergeld bekommen hat, insgesamt 12 Millionen Euro – in Deutschland hat er 680 Millionen Euro genommen, und Kaufhof Galeria ist jetzt auch vernichtet und zerschlagen worden –, dann haben wir mit österreichischem Steuergeld jemandem geholfen, der mit dem Verkauf von Immobilien einfach einen guten Reibach macht. Es gehört auch einmal überdacht, dass man diesen Förderungsdschungel dahin gehend endlich einmal überprüft. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Das wäre doch so wichtig: Es gab im letzten halben Jahr sogar auf Anregung unseres Bundesratspräsidenten eine Pflegeenquete, und wir wissen, dass es vor allem die Rahmenbedingungen sind, die momentan diesen Beruf sehr erschweren. Warum kann man sich nicht dafür zusammensetzen? Es gäbe dazu so viele wichtige Dinge: Wir müssten schauen, dass man endlich die Rahmenbedingungen schafft, dass das in die Schwerarbeit hineingerechnet wird, damit die Menschen abschlagsfrei vorzeitig in Pension gehen können. Ein Pflegeberuf – und ich habe nur kurz gepflegt, ein ganzes Jahr – ist körperlich schwerste, geistig schwerste, emotional schwerste Arbeit. Diese Menschen können nicht bis 65 Jahre arbeiten, das geht nicht! (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Das ist wirklich ein Beruf, bei dem man sagt: Da muss zwingend gesetzlich die Viertagewoche verordnet werden. Das ist ein Beruf, bei dem eine gute Arbeitszeitverkürzung gemacht gehört.

Oder nehmen wir das Berufsausbildungsgesetz: Seit xx Jahren – weil Sie in diesem Fall als Wirtschaftsminister angesprochen werden – kommen die Betriebe und sagen: Bitte, bitte, wir müssen das Berufsausbildungsgesetz endlich einmal evaluieren und an die neuen, tatsächlichen Gegebenheiten anpassen! – Da passiert gar nichts. Wir haben noch immer für bestimmte traditionelle handwerkliche Lehrberufe die uralten Ausbildungsbestimmungen, die wir vor 40 Jahren auch schon gehabt haben. Die Dinge verändern sich. Es wird zwar dort oder da ein bisschen gedreht, aber das große Ganze ist nach wie vor noch nicht in Ordnung.

Was ich ganz spannend finde, ist, wenn ein Unternehmer sich entschließt, erstmalig Lehrlinge auszubilden. Dann durchläuft das ein sogenanntes Feststellungsverfahren. Das heißt, es kommt die Wirtschaftskammer, es kommt die Arbeiterkammer, und sie überprüfen, ob die Rahmenbedingungen im Unternehmen würdig sind, einen Lehrling auszubilden. Ein Kriterium dabei ist, dass ein Lehrherr, der nicht zwei WCs anbieten kann, sprich ein Damen-WC und ein Herren-WC, nicht die Bewilligung dafür, Lehrlinge auszubilden, bekommt.

Wir freuen uns aber momentan sehr, dass man im öffentlichen Raum, auf den Universitäten – das haben Sie mitbeschlossen – Unisextoiletten hat; wenn jemand nicht weiß, ob er ein Manderl oder Weiberl ist, geht er einmal aufs Frauenklo und einmal auf das Männerklo. Man hindert aber Betriebe daran, dass sie einen Lehrberuf anbieten. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich finde, momentan wird von der Regierung viel Zeit investiert und viel Geld ausgegeben für meiner Meinung nach eher Nebensächlichkeiten. Für die tatsächlich wichtigen Dinge aber – wie sie auch Frau Kollegin Schumann erwähnt hat, nämlich dass es Menschen gibt, die nicht wissen: Wie soll ich jetzt meine Miete zahlen?, Wie kann ich etwas einkaufen?, Wie kann ich meine Kinder an so wichtigen Schulveranstaltungen teilhaben lassen? – gibt es dann solche Alibiaktionen, die halt ein bisschen Geld bringen. Oder es ist sehr kompliziert, dass man irgendwie zu einer Förderung kommt. Bedauerlicherweise, das muss man wirklich sagen, fallen bei uns in Österreich jene Menschen, die jeden Tag arbeiten gehen, aber das Pech haben, in einem Beruf zu arbeiten, der leider im Niedriglohnsektor liegt, komplett durch den Rost.

Deshalb würde ich sagen, es ist höchste Zeit für eine Aktuelle Stunde mit dem Thema: Die Regierung Österreichs hat ihre Unfähigkeit eingesehen und wird, um weiteren Schaden von Österreich abzuwenden, sofort zurücktreten. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

9.28

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Frau Bundesrätin.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber. – Bitte sehr.