13.05

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Vorsitzende! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher hier im Haus und Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Meine sehr geschätzte Kollegin Gruber-Pruner hat erwähnt, die Volkshilfe zum Beispiel wisse, wie Kinderarmut ausschaut. In diesem Zusammenhang stelle ich eine Frage hier in den Raum: Wer von Ihnen, wer von den Anwesenden kennt die sogenannten Kartoffeltage?

Ich kann Ihnen erklären, was Kartoffeltage sind, ich kenne sie aus eigener Erfahrung aus meiner Kindheit: Das sind solche Tage, an denen manche Familien nur noch so wenig Geld für Lebensmittel zur Verfügung haben, dass sie sich nur noch billige Lebensmittel leisten können, wie eben Kartoffeln oder Nudeln.

Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass kein Kind in Österreich diese Kartoffeltage aus eigener Erfahrung kennen sollte und dass auch kein Kind ausgrenzungsgefährdet sein sollte, weil ihm seine Eltern eine Teilhabe am sozialen Leben nicht ermöglichen können.

Kinder aus sozial schwachen Familien, aus finanziell schwachen Familien haben nicht nur geringere Chancen auf eine ihren Stärken entsprechende Bildung, sie sind auch sozial massiv benachteiligt. Armut ist nämlich relativ und misst sich immer am sozialen Umfeld. Das heißt nicht, dass es Kindern, nur weil sie ein Dach über dem Kopf haben und nicht hungern oder frieren müssen, unweigerlich gut geht.

Finanzielle Not in Familien führt immer zur Ausgrenzung von Kindern. Das erlebe ich als Elternvereinsvorsitzende, als Elternvereinsobfrau regelmäßig, nämlich dass Kinder aus finanziellen Gründen von sozialer Teilhabe ausgeschlossen werden. Wenn es sich Eltern nicht leisten können, ihre Kinder zum Beispiel auf Schulausflüge mitzuschicken oder an Sportwochen teilnehmen zu lassen, dann macht das etwas ganz Gravierendes mit der Würde dieser Kinder. Und wenn sich Eltern das trotz der Unterstützung zum Beispiel von Elternvereinen nicht leisten können – das haben wir heuer ganz, ganz zahlreich; die Unterstützungen haben sich teilweise verdoppelt und trotzdem gibt es Sportwochen, die abgesagt werden mussten, weil zu wenige Schüler:innen teilnehmen konnten –, dann sind wir uns, hoffe ich, einig, dass wir dringend Maßnahmen setzen müssen, um Kinderarmut zu verringern.

Wie auch schon erwähnt sind in Österreich immerhin über 350 000 Kinder und Jugendliche armutsgefährdet. Das ist mehr, als Graz Einwohner:innen hat, und, wie auch meine Kollegin vorhin schon gesagt hat, jedes fünfte Kind. Das muss man sich einmal vorstellen! So viele Kinder in jeder Klasse – in jeder Klasse, in die man hineinschaut, sind potenziell Kinder drinnen, die zum Beispiel nicht jeden Tag eine warme Mahlzeit haben.

Jetzt haben wir natürlich von meiner Vorrednerin schon gehört, was die Regierung alles nicht umsetzt. Ich werde heute darüber sprechen, welche Maßnahmen wir mit dem Paket, um das es heute geht, umsetzen, um zumindest teilweise dazu beizutragen, Kinderarmut zu bekämpfen.

Wir wissen, dass Kinder von Mindestsicherungs- und Sozialhilfebezieher:innen am stärksten armutsgefährdet sind und dass Personen dieser Gruppe am meisten unter der derzeitigen Teuerung, der hohen Inflation leiden. Genau diese Gruppe erreichen wir mit den Maßnahmen gezielt, nämlich die Sozialhilfebezieher:innen, die bis Ende 2023 pro Haushalt und Monat 60 Euro mehr bekommen. Für jedes Kind erhalten Mindestsicherungs- und Sozialhilfebezieher:innen noch einmal 60 Euro pro Monat mehr, und das bis Ende 2024.

Für uns Grüne ist ganz klar: Wer zusätzliche Unterstützung braucht, der soll sie so lange wie notwendig bekommen, und bis zum Ende der Legislaturperiode konnten wir das jetzt jedenfalls fixieren.

Diese Zahlungen gibt es zusätzlich zu der Inflationsanpassung der Sozialleistungen, die wir Ende letzten Jahres beschlossen haben und die seit Anfang des Jahres, also seit heuer, gilt.

Also da muss ich ein bisschen widersprechen, weil ich das auch in den Reden in den Nationalratssitzungen und auch hier wieder gehört habe, in denen immer von den 2 Euro geredet wird und dass das ja viel zu wenig sei. – Ich rechne gerne einmal vor, wie viel diese Familien durch unsere Maßnahmen – auch diese Inflationsanpassung – jetzt wirklich mehr bekommen.

Da gibt es für Kinder von drei bis neun Jahren zum Beispiel die Familienbeihilfe: Die hat sich von 2022 auf 2024 von rund 180 Euro auf rund 270 Euro erhöht, das heißt, das sind 90 Euro im Monat mehr. Da kommen jetzt noch die 60 Euro dazu. – Ich muss schon sagen, ich kann mich nicht daran erinnern, dass ihr, liebe SPÖ, eine derart massive Erhöhung, also Entlastung und Erleichterung für armutsgefährdete Familien, in den vergangenen Perioden, in denen ihr in der Regierung wart, in ähnlicher Weise zusammengebracht habt. Das muss ich jetzt leider schon so deutlich sagen.

Es ist auch immer wieder von Einmalzahlungen die Rede – meine Kollegin hat ja vorhin eh schon gesagt: Sonderzahlungen, aber dann ist sie wieder auf Einmalzahlungen umgeschwenkt –: Das sind keine Einmalzahlungen! Das ist genau das Gegenteil von Einmalzahlungen, und es ist ein bisschen schwierig zu verstehen, warum gerade ihr als Sozialdemokratie den Unterschied zwischen Einmalzahlungen und dem gesetzlichen Anspruch auf automatische monatliche Sonderzahlungen nicht kennt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Außerdem wird der Förderbetrag des Projekts Schulstartklar von 120 Euro auf 150 Euro erhöht und das dann auch noch einmal durch die zusätzliche Auszahlung vor dem Sommersemester verdoppelt. Es handelt sich hierbei um Gutscheine, und in diesem Entwurf ist jetzt auch neu, dass diese Gutscheine zum Beispiel auch für Kleidung, Schuhe und Hygieneartikel verwendet werden können.

Wie bereits auch von meiner Kollegin angeschnitten – ich möchte das auch noch einmal betonen –, wurde gestern im Familienausschuss der zweite Teil des Pakets beschlossen und weitere armutsgefährdete Haushalte miteinbezogen, nämlich Bezieher:innen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, Mindestpensionist:innen, Alleinerziehende, Alleinverdienende mit einem monatlichen Einkommen von unter 2 000 Euro brutto.

Zur Treffsicherheit: Der Budgetdienst hat die Aufteilung des Entlastungsvolumens dieses Pakets nach Einkommen errechnet – also die Treffsicherheit des Pakets gegen Kinderarmut –, und die Zahlen sind relativ eindeutig: Das Antiteuerungspaket für Familien kommt bei der untersten Einkommensdezile, das heißt den 10 Prozent der Familien, die das geringste Einkommen haben, zu 41 Prozent an, bei der zweiten Dezile sind es noch 25 Prozent – und so weiter –, und die 50 Prozent der bestverdienenden Haushalte profitieren im Verhältnis nur noch sehr, sehr wenig. – Also treffsicherer geht es, glaube ich, gar nicht.

Die Zahlen des Budgetdienstes zeigen, weil dieser auch andere Zahlen erhebt, auch besonders gut den Nachteil preissenkender Maßnahmen, weil diese preissenkenden Maßnahmen genau dieses Gießkannenprinzip darstellen, das ihr immer kritisiert.

Alles in allem kommen wir mit den heute zur Debatte stehenden Maßnahmen auf über 500 Millionen Euro, die wir Kinderarmut entgegenstellen – ich meine, in einer guten Mischung aus Finanzleistungen und Sachleistungen, und, ganz ehrlich, wer wirklich etwas gegen Kinderarmut in Österreich tun möchte, der kann diesem Gesetz nur zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.13

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Inzwischen bei uns im Bundesrat eingetroffen ist Herr Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch, den ich an dieser Stelle recht herzlich bei uns begrüßen darf. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte schön.