10.23

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Spanring: Also ich kann mich erinnern, wir sind ... von den Schwarzen abgedreht worden, wenn wir überzogen haben!) Herr Bundesminister, Sie – oder Ihr Kabinett – haben sich heute ein vermeintliches Wohlfühlthema für die Aktuelle Stunde ausgesucht. Sie wollen damit den Themen ausweichen, die eigentlich die drängenderen Themen, die großen Baustellen in Ihrem Ressort wären. (Bundesrat Himmer: Abschaffung des Bundesrates wäre ein dringendes Thema!) „Die Presse“ hat heute folgenden Aufmacher zu diesem Thema: „Österreichs Bildungslücken [...] Zahlreiche Probleme verlangen zeitnahe Lösungen“.

Es geht nämlich bei den wirklich größeren Baustellen in Ihrem Ressort nichts weiter, beim Thema Personalmangel – sowohl Lehrpersonal als auch Assistenzpersonal; darauf werde ich noch näher eingehen –, beim ideologischen Holzweg Deutschförderklassen und beim Hinausschieben des elften und zwölften Schuljahres für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, was gerade erst wieder im Nationalratsausschuss vertagt worden ist.

Wir NEOS – unsere Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre – haben eine Bildungstour begonnen, bei der wir zuhören, bei der wir uns verschiedene Einrichtungen und Institutionen anschauen, bei der wir wissen wollen, was an den Schulen tatsächlich gebraucht wird und was die Schulen nicht brauchen.

Unter der Initiative Talente blühen! haben wir bei einem anerkannten Institut eine Befragung in Auftrag gegeben. 700 Lehrerinnen und Lehrer wurden befragt. (Bundesrat Steiner: Karmasin!) Das Ergebnis dessen: Die Bürokratie verhindert Bildung und bricht Flügel.

In der Befragung haben neun von zehn befragten Lehrerinnen und Lehrern angegeben, dass dringend etwas verändert gehört, um den Arbeitsalltag zu verbessern. Die Antwort, was verändert gehört, ist auch eindeutig: Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich weniger Bürokratie und Verwaltungsaufwand und will administrative Entlastung. Auf die Frage, ob es Tätigkeiten gibt, die viel Zeit in Anspruch nehmen und wenig Nutzen haben, sagen 90 Prozent klar Ja.

Wir haben weiter nachgefragt: Was sind denn die Tätigkeiten, die wenig bringen und viel Zeit in Anspruch nehmen? – Die Antwort: Administration und Bürokratie. 57 Prozent der Befragten, also wieder deutlich mehr als die Hälfte, haben das geantwortet. Weitere 19 Prozent geben Dokumentation und Protokolle, also ebenfalls bürokratische Tätigkeiten, an. Der Schmerz der Lehrerinnen und Lehrer ist eindeutig, und Sie wundern sich dann, warum wir einen Lehrerinnen- und Lehrermangel haben.

Daher fordern wir folgende drei Punkte, um die Bürokratie in den Schulen zu reduzieren und den Pädagoginnen und Pädagogen so zu ermöglichen, sich um ihre Kernaufgaben zu kümmern:

Punkt eins: autonome Schule nach dem Prinzip Vertrauen statt Kontrolle. Ein Beispiel dafür wäre das Bildungswesen in Finnland. Das Ministerium und die Bildungsdirektionen sollen Serviceeinrichtungen werden, Dinge ermöglichen und vom Kontrollorgan wegkommen. Die Lehrerinnen und Lehrer kennen die Bedürfnisse ihrer Schülerinnen und Schüler am besten. Sie können mit mehr Autonomie besser darauf reagieren. Die endlosen Dokumentations- und Berichtspflichten würden dann entfallen.

Punkt zwei: eine digitale und userfreundliche Schule. Es ist absurd, dass es mehrere Verwaltungssysteme gibt – in jedem Bundesland ein anderes. Das ist administrativer Unfug und finanzieller Wahnsinn, eine Steuergeldverschwendung erster Güte.

Ein absurdes Highlight ist, dass die Zahl der ukrainischen Schülerinnen und Schüler wöchentlich erhoben werden muss. Niemand weiß, was mit diesen Zahlen passiert.

Auch da können wir von den Besten lernen, Beispiel Estland: Dort gibt es einfache Strukturen, Automatisierung und die userfreundlichen Oberflächen erleichtern den Arbeitsalltag. Das Ministerium fragt nur das absolut Notwendige ab, weil es seiner Aufgabe als Steuerungseinrichtung nachkommt.

Punkt drei: Jede und jeder wird dort eingesetzt, wofür sie oder er ausgebildet ist. Die Lehrerinnen und Lehrer arbeiten als Lehrerinnen und Lehrer. Sie unterrichten und begleiten junge Menschen ins Leben. Die Verwaltungskräfte kümmern sich um die Verwaltung. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen kümmern sich in ihren Bereichen um die Schülerinnen und Schüler. Die Lehrerinnen und Lehrer wollen nämlich Lehrerinnen und Lehrer werden und sein und nicht Sozialarbeiter oder Schulpsychologin. Zur weiteren Unterstützung bekommen die größeren Schulen ein mittleres Management, das die Schulleitung unterstützt.

All diese Punkte besprechen und diskutieren wir auch auf unserer Bildungstour direkt mit den Leuten, die in den Klassen stehen, die in den Schulen arbeiten, aber auch mit Experten von den PHs, Unis, Gewerkschaften, Elternverbänden, NGOs im Bildungsbereich. Wir bekommen die sehr positive Rückmeldung: Vielen Dank, dass Sie uns fragen, das macht sonst niemand!

Zusammengefasst: Weg mit unnötiger Bürokratie, freispielen der Lehrer, eine autonome Schule ermöglichen, jede und jeder wird dort eingesetzt, wofür sie oder er ausgebildet ist! – Nur so kann die Schule ein Ort werden, an dem die Schülerinnen und Schüler gerne lernen und die Lehrerinnen und Lehrer gerne arbeiten. Nur so können wir jedem Kind die Flügel heben. Dafür setzen wir uns ein. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

10.28

Präsident Günter Kovacs: Herzlichen Dank, Herr Bundesrat.

Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich der Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.