11.51
Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ja, bei dieser Show der Selbstbeweihräucherung und bei diesen Lobgesängen, die die Regierungsvertreterinnen und -vertreter (Bundesrat Kornhäusl: Zu Recht! Zu Recht!) da anstimmen, fällt mir eigentlich nur ein geläufiger Spruch ein, mit einem kleinen Augenzwinkern. Der heißt: Hurra, noch so ein Sieg – und wir sind verloren. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)
Nun darf ich noch einmal unterstreichen, warum die SPÖ-Fraktion hier im Bundesrat diesem Gesetzesantrag nicht zustimmen wird: weil dieser Antrag einmal mehr beweist, dass die Regierung bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung völlig danebenliegt. Wir sagen nicht: Es gibt keine Hilfe. Wir sagen und wir wiederholen: Es gibt zu wenig, und Sie setzen die Hebel an der falschen Stelle an – und zwar deshalb, weil die ÖVP und die Grünen entgegen den Expertenmeinungen beim verfehlten System der Almosenverteilung bleiben. Ich bleibe dabei: Das ist Almosenverteilung, weil wiederum verabsäumt wird, endlich nachhaltig, steuernd, regulierend in die Preisgestaltung einzugreifen. (Beifall bei der SPÖ.)
Das ist für die Menschen in unserem Land eine Katastrophe – umso mehr, als wir wissen, dass Hunderttausende Einzelpersonen und Familien unter dieser Teuerung leiden.
Ich möchte auch in seiner Abwesenheit dem Finanzminister etwas ins Stammbuch schreiben. Er hat ja in diesen letzten Tagen eine groteske Aussage getätigt, die eigentlich gar nicht zu interpretieren ist. Sie gehört eher in die Kategorie Treppenwitz der Nation, und ich möchte ihm an dieser Stelle ausrichten, dass die Inflation nicht durch die Lohnabschlüsse getrieben ist, sondern dass die Inflation profitgetrieben ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)
Ich weiß auch nicht, ob es sich bei den Regierenden schon herumgesprochen hat, dass die Teuerung keine Minderheit in Österreich betrifft. Sie betrifft die Mehrheit, das belegt auch eine aktuelle Umfrage der Arbeiterkammer: Drei von vier Befragten sagen, dass sie stark von der Teuerung betroffen sind und deshalb ihre Freizeitaktivitäten einschränken müssen. 60 Prozent gehen seltener essen, fast 60 Prozent gehen weniger aus, und ein Viertel muss anderswo – nämlich billiger – einkaufen. Wenn da nicht die Alarmglocken bei allen hier im Saal schrillen, dann weiß ich nicht, was noch passieren muss. (Beifall bei der SPÖ.)
Während sich Einzelpersonen und Familien ihren Lebensunterhalt nicht mehr leisten können, ihre Mieten und ihre Energiekosten nicht mehr zahlen können, gehen Sie her, liebe Vertreter der Regierung, und verteilen 60 Euro im Monat für Kinder unter 18 Jahren. Wer jetzt schnell rechnet – wir haben die Zahl schon gehört, es ist ja kein Geheimnis mehr –, bemerkt, dass wir da von glatten 2 Euro pro Tag reden. Ja meine Herrschaften, das ist doch völlig untauglich, um wirklich Familien und Kinder aus der strukturellen Armut herauszuholen. (Beifall bei der SPÖ.)
Bei Ihnen ist Papier allerdings geduldig; in Ihrem eigenen Regierungsprogramm steht ja die Halbierung der Zahl der von Armut Betroffenen in Österreich. Ja wie soll denn das geschehen? – Seit 2019 steigt die Zahl der Armutsbetroffenen in Österreich, sie wird nicht einmal weniger – und Sie wollen sie halbieren! Allein das zeigt, dass Ihre Maßnahmen an der Realität vorbeigehen.
Mein Kollege Andi Babler hat es schon erwähnt: Jedes fünfte Kind hier in Österreich ist armutsgefährdet. Im Osten Österreichs beginnen bald die Sommerferien. Können Sie sich auch nur irgendwie vorstellen, wie es einer Familie geht, die zwischen Nachhilfekosten für die Kinder und Urlaub abwägen muss, weil ihre finanzielle Lage derart prekär geworden ist?
Es gibt allerdings auch das andere Extrem. In den letzten Tagen ist es durch alle Medien gegangen: In Österreich leben 335 Superreiche, die ein Drittel des ganzen Finanzvermögens halten. Na wunderbar! Im westeuropäischen Durchschnitt hält das gleiche Segment an Superreichen nur rund 17 Prozent des gesamten Finanzvermögens. Das heißt im Umkehrschluss, Österreich ist ein Schlaraffenland für die Reichen – und die Regierung macht Politik für ihre Interessen. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn das nicht so ist, dann erklären Sie mir doch bitte Ihre reflexartige, manchmal sogar hysterische Ablehnung, wenn wir vonseiten der SPÖ oder auch Experten Reichensteuern, Millionärssteuern, oder Erbschaftssteuern ansprechen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt muss es endlich heißen: Preise runter! Es ist kein Geheimnis mehr: Wir müssen Preise beim Wohnen durch Mietpreisdeckel, eine ordentliche Leerstandsabgabe und den Ausbau des sozialen Wohnbaus senken. Wir müssen die Preise bei den Lebensmitteln durch die Streichung der Steuer auf Grundnahrungsmittel senken; und wir müssen ebenfalls durch Preisdeckel für geringere Kosten bei der Energie, beim Heizen und beim Strom sorgen.
Angesichts dessen, was man als Bundesregierung gegen die Teuerung tun müsste und könnte, ist – und damit schließe ich auch – Ihre Ignoranz und Ihr eigentlich gönnerhaftes Getue, wenn Sie heute 2 Euro pro Tag und Kind verteilen, nur mehr lächerlich. Für die Menschen draußen ist es aber längst unerträglich. Deshalb fordern wir Sie abermals auf, endlich strukturelle Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung zu ergreifen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
11.58
Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Sascha Obrecht. – Bitte, Herr Kollege.