13.39

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin, ich wünsche Ihnen für diese Amtszeit alles, alles Gute! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Besucher und Besucherinnen im Bundesrat, herzlich willkommen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen – leider nicht im ORF! Ich gebe zu, ich hätte auch nichts dagegen, wenn der ORF zum Beispiel Europaparla­mentsdiskussionen überträgt, heute fand ja eine sehr spannende Debatte statt, oder auch Debatten aus dem Bundesrat. Das mag also schon sein, aber es geht ja hier um etwas Spezielles.

Eines möchte ich Ihnen schon sagen, Herr Kollege Steiner von der FPÖ: Objektivität bedeutet nicht, dass etwas unbedingt nur Ihre Meinung ist! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Na eben! Alle Meinungen! Alle Meinungen!)

Ich verstehe es schon, ihr seid schon so rechts außen (Rufe bei der FPÖ: Hallo!), dass bei euch der Raiffeisen-Konzern ein linkslinker Marxistenkonzern wäre, aber - - (Bundesrat Steiner: Ich bin gern rechts! Ich bin gern rechts!) – Ja, das weiß ich eh, dass du gern rechts bist, das hört man ja eh immer. Welche medien­politischen Ideen ihr habt, das haben wir ja im Ibizavideo hervorragend sehen können. Herr Strache ist aus eurer Ecke (Bundesrat Steiner: Das ist Ihr Thema! Das ist Ihr Thema!), er wollte Zeitungen kaufen, er wollte Orbanismus, er wollte eine Medienlandschaft, die nur seiner Meinung ist. (Bundesrat Steiner: Das zieht nicht mehr!) Das ist eure Medienpolitik, und dem werden wir mit aller Kraft, die wir haben, etwas entgegensetzen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Das ist Ihr Thema!)

Herr Kollege Schennach hat ja in vielen Punkten recht gehabt. Ich kann ja Kritikpunkte gut verstehen, Herr Kollege Schennach, das ist ja in vielen Punkten auch richtig. Ich denke mir auch, ja, da hätten wir vielleicht auch noch verhan­deln können, aber gerade bei einem so wichtigen Punkt wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wäre es schön gewesen, hätten wir ein gemeinsames Zeichen gesetzt. (Bundesrat Schennach: Das hätten wir uns bei der „Wiener Zei­tung“ auch gewünscht!)

Mir scheint es nämlich in dieser Debatte schon wichtig, darauf hinzuweisen, warum es in einem Europa nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gekommen ist. Der ORF ist keine öster­reichische Erfindung, wir haben solche öffentlich-rechtlichen Sender in ganz Europa, die BBC in Großbritannien, NPO in den Niederlanden, ZDF, ARD in Deutschland, RAI in Italien und so weiter, und gemeinsam gestalten sie, wie Kollege Schennach schon gesagt hat, über die EBU, die European Broadcasting Union, auch gemeinsame Transfers von Bildern, von Rechten, von Nachrichten, von Sportereignissen, von Unterhaltungsereignissen, von Kulturereignissen.

Fundamentale Kritik am Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat ja zurzeit durchaus Konjunktur, vor allem vonseiten der FPÖ oder der AfD in Deutschland. (Bundesrat Steiner: Über 30 Prozent mittlerweile!) Sie diskreditieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, er wird gerne als Lügenpresse tituliert, weil er nicht die eigene Meinung vertritt, um eigene Sender aufzubauen, um jegliche Recherchefilter des Journalismus auszuschalten und ungebremst Fakenews verteilen zu können. Das wäre Ihnen natürlich lieber im Sinne eines rechtspopu­lis­tischen Gedankenguts. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Angriffe auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das muss man dazusagen, haben auch im liberalen Eck durchaus Tradition, weil da marktwirtschaftliche Grundsätze in den Vordergrund gerückt werden. Gerade in diesen Zeiten ist es aber umso wichtiger, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, warum es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den öffentlich-rechtlichen Journalismus braucht.

Sie haben natürlich nur ein paar ausgesuchte Beispiele gebracht. Es stimmt schon, über die amerikanischen Serien, die auch nicht viel kosten, kann man diskutieren, das geben wir zu, aber Sie haben natürlich nicht das Ö1-Programm vorgelesen, was die jeden Tag auf ihrem Sender bringen, oder die Regional­programme von ORF 2, oder ORF III. Sie haben das sehr selektiv vorgetragen.

Die Grundversorgung mit unabhängigen Informationen, Unterhaltung, Nach­richten, Sport, Kultur so unabhängig wie möglich von der Politik, aber gleichzeitig so demokratisch legitimiert wie möglich und unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen, was bei Privatsendern der Fall wäre, und auch von Quoten oder von den Besitzern und Besitzerinnen dieses Mediums – das ist der Sinn und Zweck von öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist nicht nach kommerziellem Angebot gestaltet, richtet sich nicht am Markt aus, sondern ermöglicht eine demokratische gesellschaftliche Debatte und somit auch den Menschen eine Grunddiskussion, die ihn nicht konsumieren.

Eines möchte ich auch sagen, Herr Kollege Steiner: 95 Prozent der Österreiche­rinnen und Österreicher nützen ORF-Programme und schauen ORF-Programme, im Radio, im Fernsehen oder auch im Internet – 95 Prozent! (Bundesrat Spanring: Eine Märchengeschichte für Kinder!)

Und seien Sie mir nicht böse: Kein einziger privater Sender würde sich zum Beispiel so ein Korrespondentinnen- oder Korrespondentennetz leisten, das zum Beispiel aus Moskau, aus Kiew, aus Tokio, aus London, aus Washington oder von sonst wo berichtet. Kein einziger würde das machen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Gerd Bacher – das ist schon eine Zeit lang her, das gebe ich zu –, der General­intendant vor vielen, vielen Jahren war, hat einmal gesagt: Privatsender brauchen Programm, um Geld zu machen, öffentlich-rechtliche Sender brauchen Geld, um Programm zu machen. – Dieser Satz ist nach wie vor richtig. (Bundesrat Spanring: Das war einmal!)

Der ORF ist unser aller Sender, der ORF gehört uns allen, und er wird jetzt für alle günstiger. Mit der Haushaltsabgabe wird es jetzt tatsächlich günstiger für alle; meine Vorrednerin hat es schon ausgeführt. Der ORF wird – und das finde ich auch wichtig – barrierefreier. Und eine Sache ist mir noch wichtig zu sagen, weil es in den letzten Wochen und Monaten auch vonseiten vieler privater Medien Attacken auf den ORF gab: Die Konkurrenz der österreichischen Medien­landschaft ist nicht so sehr eine Konkurrenz untereinander. Es kann nicht um Puls 4 gegen ORF oder um VÖZ gegen die blaue Seite und so weiter gehen. Die österreichische Medienlandschaft muss sich gegen Streamingdienste, inter­nationale Plattformen und digitale Giganten behaupten, und heute helfen wir dem ORF, mit der Digitalisierung auch dazu einen Beitrag zu leisten.

Eines möchte ich auch noch sagen: Ich habe hier wieder einmal meine Freund-des-RSO-Karte mit, ich bin ja ein leidenschaftlicher Besucher der Konzerte des Radio-Symphonieorchesters und Hörer ihres Programms. Gestern bekam ich eine neue Ö1-Klubkarte (diese in die Höhe haltend), ich bin Mitglied des Ö1 Clubs. Der ORF ist ein so wichtiger Motor für die österreichische Kulturlandschaft, denn: Ohne den ORF und ohne Kofinanzierung der Filmproduktionen wären nahezu alle Filme nicht möglich. Wir würden Unmengen an Arbeitsplätzen, Unmengen an Möglichkeiten, Kameraleuten, Schauspielerinnen, Schauspielern und so weiter verlieren. Der ORF kofinanziert solche Produktionen, und das ist etwas, über das ich sage, der ORF macht da etwas sehr richtig.

Weil wir ja jetzt nicht nur über den ORF diskutieren, möchte ich auch noch zu Tagesordnungspunkt 2, zum Privatradio, etwas sagen. Diese Gesetzesnovelle, die wir hier behandeln, kam ja auf Wunsch der KommAustria zustande, und zwar zu Recht. Es sollen ja bald neue Sendeplätze, also auch eine Chance für private Anbieter und Anbieterinnen, im Bereich Digitalradio ausgeschrieben werden. Dazu braucht es in diesem Bereich auch diese Liberalisierung, die wir jetzt hier beschließen, um den einzelnen Betreibern mehr Sendeplätze zur Verfügung zu stellen. DAB+ – das ist der neue Standard, das ist das neue Privatradio – ist in Österreich vielleicht noch nicht so präsent, wie es in anderen europäischen Ländern schon üblich ist, aber mit dieser Novelle werden wir sicher einen neuen Anstoß geben, der ganz wichtig ist.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, man kann alles, was die Politik demokra­tisch beschließt, mit dem Wort Zwang framen. (Bundesrat Steiner: Zwangssteuer!) Man kann jeden Meldezettel, den man ausfüllen muss, als Zwang framen, man kann jede Steuer als Zwang framen, man kann alles als Zwang framen (Bundesrat Steiner: Die Zwangsspritze haben Sie vergessen!), aber es ist doch immer eine demokratische Mehrheit im Parlament, die entscheidet, wie wir in einem öffent­lichen Diskurs umgehen wollen. Und ich sage Ja zum öffentlich-rechtlichen Diskurs und Ja zur Ermöglichung eines unabhängigen Mediums in diesem Land. Ich finde, das ist für die Demokratiepolitik in diesem Land eine ganz, ganz wichtige Säule. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.48

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort.