18.10
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Auf diesen Augenblick habe ich ja lange gewartet, weil er Gelegenheit bietet, doch etwas ausführlicher über das österreichische Gesundheitssystem zu sprechen. (Bundesrat Steiner: ...! Die Mehrheit ist das nicht ...! – Ruf bei der ÖVP: Bitte, Christoph!) – Zu Ihnen komme ich in 1 Minute, Herr Bundesrat Steiner (Bundesrat Steiner: Ja, es reicht auch in ...!), denn das ist auch eine gute Gelegenheit.
Wenn Sie nämlich hier eine Geschäftsordnungswortmeldung machen als Vorsitzender einer Fraktion, die den Parlamentarismus permanent mit Füßen tritt - - (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Steiner: Was? – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) – Ja, ja. Sie müssen sich noch ein bisschen gedulden, Sie müssen sich jetzt noch etwas mehr anhören (Bundesrat Steiner: Passt schon! – Bundesrat Spanring: Das werden wir ja sehen! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) – Ja, ja. – So, wie Sie dieses Parlament behandeln, die Wortspenden, die Sie abliefern, das ist eine Menschenverachtung, die ihresgleichen sucht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Corona!)
Das hat Ihnen offenbar noch nie jemand gesagt. Es fehlt Ihnen auch die Kinderstube dazu, es fehlt Ihnen die parlamentarische Reife dazu. (Beifall bei Bundesrät:innen von Grünen und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Jetzt reicht’s aber einmal! – Weitere Zwischenrufe der Bundesräte Spanring und Steiner.) – Nein, ich bin noch nicht fertig.
Ich bin noch nicht fertig, und ich sage das in aller Ruhe: Menschen wie Sie desavouieren Parlamente. (Bundesrat Spanring: Ja, ja!) Sie sind schuld daran und tragen Mitverantwortung (Bundesrat Spanring: Genau!), dass sich Menschen von der Politik abwenden. (Bundesrat Spanring: Eingesperrt habts ihr sie, Herr Rauch! Ihr wart das, Herr Rauch! Ihr wart das!) Sie sind derjenige und es ist Ihre Partei, die nicht in der Lage sind, sich an ein Mindestmaß an Anstand und parlamentarische Gepflogenheiten zu halten, und ich würde Sie dringend ersuchen, in diesem Sinne vor Ihrer eigenen Türe zu kehren und zur Sacharbeit zurückzukehren. Das hat dieser Bundesrat jedenfalls verdient. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Zur Sache und zur Gesundheitsreform: Ich bin ja sehr dankbar und möchte das auch würdigen, dass das Primärversorgungsgesetz eine breite Zustimmung findet, und würde auch gerne ausführen, warum das wichtig ist und warum das ein zentraler Baustein dessen ist, was wir Gesundheitsreform nennen und auch vorbereiten: weil – und darum haben wir gerungen – dieses Primärversorgungsgesetz die Voraussetzung dafür schafft, dass ein Ausbau in jenem Bereich stattfindet, der besonders wichtig ist, nämlich dem niedergelassenen Bereich. Ich kann Ihnen sagen, alleine die Tatsache, dass dieses Gesetz angekündigt worden ist, hat dazu geführt, dass zusätzlich zu den 44 Primärversorgungseinheiten, die wir jetzt in Österreich haben, 30 weitere in der Pipeline, in Vorbereitung sind – fünf davon sind Kinder-PVEs, die wir dringend brauchen –, und das in allen Bundesländern.
Ich sage Ihnen auch, warum das so wichtig ist: Nein, es ist nicht der Ersatz des Hausarztes, nein, es ist nicht das Allheilmittel, aber es ist die beste Voraussetzung dafür, die Arbeitsbedingungen für Medizinerinnen und Mediziner so zu gestalten, dass sie – und das wollen viele – anders arbeiten können, als es noch vor zehn, 15 Jahren üblich war. Das heißt: Arbeiten im Team, bessere Abstimmung, Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, Öffnungszeiten, die für Patientinnen und Patienten deutlich ausgeweitet sind, Urlaubsvertretungen, die klar geregelt sind, und insgesamt eine bessere Versorgung.
Das führt auch dazu – und das finde ich für die Bundesländer wichtig –, dass wir jetzt im Finanzausgleich darüber reden, wie wir an den Schrauben drehen können, um auch die Spitäler zu entlasten. Die Spitäler sind ja Landesangelegenheit und müssen von den Ländern finanziert werden. Und weil das österreichische Gesundheitssystem so ist, wie es ist, nämlich dass wir keine Finanzierung aus einer Hand haben, dass wir Zuständigkeiten haben, die von den Bundesländern über die Sozialversicherung, die eine Selbstverwaltungseinheit darstellt, bis zum Bund reichen, muss es uns eben gelingen, zu den negativen Effekten, die wir haben – dass Menschen im Spital, in Spitalsambulanzen landen, die dort nicht hingehören –, Ausgleich zu schaffen, Angebot in der Fläche zu schaffen.
Das machen wir unter anderem mit den Primärversorgungseinrichtungen; das machen wir mit dem Facharzt für Allgemeinmedizin, den wir einführen werden; das machen wir auch mit einem Ausbau der Kassenärztinnen und Kassenärzte; und das machen wir auch mit einem Ausbau der Digitalisierung, insbesondere der Telemedizin.
Das machen wir weiters mit einem massiven Ausbau der Gesundheitsförderung, weil es ein ganz wesentlicher Bestandteil ist, in die Prävention zu investieren, und letztlich auch, wenn es um die Medikamentenversorgung geht, um die gemeinsame Beschaffung von insbesondere teuren Medikamenten bei Spitälern zustande zu bekommen, weil klar ist: Gemeinsam zu verhandeln zahlt sich in dieser Frage jedenfalls aus. Wir haben eine Kostenentwicklung, insbesondere bei den hochpreisigen Medikamenten, bei den Landesspitälern, die Sorgen macht, was die Finanzierung angeht. Da wird auch, das sei dazugesagt, auf europäischer Ebene eine Regelung kommen, die durchaus gemeinsame Beschaffungen von Staaten nach vorne bringt, um ein besseres Verhandlungsmandat für die Patientinnen und Patienten sowie für die Landesspitäler zu haben.
Es gibt eine interessante Befragung der Gesundheit Österreich und der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, die abgefragt haben, was denn die Motivation ist und was Ärztinnen und Ärzte heute brauchen, und zwar sowohl im stationären Bereich wie auch im ambulanten Bereich. Da ist beispielsweise die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Ärztinnen und Ärzte heutzutage wesentlich dominanter, als es noch vor zehn, 15 Jahren war. Da geht es auch – und der erste Fokus ist nicht die Bezahlung – um das Arbeiten im Team und den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, weil das einfach Sicherheit gibt, auch in der Praxis, und jedenfalls dazu führt, dort die Arbeit besser abwickeln zu können.
Noch einen Satz zum Finanzausgleich: Wir sind mit den Bundesländern dazu in einem guten Austausch, weil es darum geht, mehr Geld ins System hineinzubekommen, auch unter der Maßgabe, dass Reformen zustande gebracht werden können. Da laufen die Verhandlungen gerade. Es wird Zweckzuschusszuweisungen an die Bundesländer geben, es wird eine Aufstockung geben, auch bei einer ganzen Reihe von Gesundheitsmaßnahmen, die eine Wirkung entfalten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird, da die Dinge gut zu regeln.
Letzter Satz oder letzter Teil zum Eltern-Kind-Pass: Das ist im Bereich der Digitalisierung ein wesentlicher Fortschritt. Wir halten das für notwendig. Es werden die Leistungen ausgebaut.
Wir haben mit dem Mutter-Kind-Pass – jetzt Eltern-Kind-Pass – ein Erfolgsprojekt, das sei dazugesagt, eine Errungenschaft der Sozialdemokratie, die das im Jahr 1974 unter Ingrid Leodolter eingeführt hat. Das hat wesentlich dazu beigetragen, dass in Österreich die Kindersterblichkeit zurückgegangen ist, die Kindergesundheit gestiegen ist und sich insgesamt die gesundheitliche Versorgung von Mutter und Kind, Eltern und Kindern deutlich verbessert hat.
Was ist neu? – Es gibt eine zweite, freiwillige Hebammenberatung vor der Geburt. Das stärkt den Beruf der Hebammen. Es gibt ein zusätzliches Hörscreening für Neugeborene. Auch das halten wir für wichtig, weil – und das ist erwiesen – sich eine Hörschwäche gerade im frühkindlichen Bereich als verzögerte Sprachentwicklung ausprägt. Weiters gibt es die Möglichkeit eines zusätzlichen kostenlosen Ultraschalls gegen Ende der Schwangerschaft, um Komplikationen bei der Geburt zu verhindern.
Insofern freue ich mich, wenn dieses Gesetz heute Zustimmung findet. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
18.18
Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Marlies Doppler zu Wort gemeldet. – Bitte.