21.47

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Corona hat uns gezeigt, was wir in einer Krise brauchen: im Vorhinein ausgearbeitete Notfallpläne, eine klare Kompetenzverteilung mit temporären Durchgriffs­rech­ten über Verwaltungsgrenzen hinweg und ein mit Kompetenzen ausgestattetes Koordinationsorgan. Das Bundes-Krisensicherheitsgesetz dagegen bringt uns Arbeitskreise ohne Einbindung des Parlaments – das Schlechteste beider Welten.

Eine Pandemie stand viele Jahre lang hoch oben auf der Liste der wahrschein­lichsten Bedrohungen in der Sicherheitspolitischen Jahresvorschau des Verteidigungsministeriums, und trotzdem war die Regierung völlig überrumpelt, als Corona ausbrach, und musste im Blindflug arbeiten. Es wurde improvisiert, wo die Informationen zusammenlaufen, wer das Kommando hat oder wer was wann kommuniziert. Der ÖVP-Bundeskanzler und der grüne Gesundheits­minister widersprachen einander öffentlich, sehr zum Schaden der Glaubwürdig­keit der letztendlich in Kompromissen beschlossenen Maßnahmen.

Zur Planlosigkeit kam noch dazu, dass sich mächtige Landesfürsten gegen Maßnahmen des Bundes querlegten, um lokale Interessen zu verteidigen. Die Coronaampel wurde in dem Moment überstimmt, als die Lokalpolitik mit den Konsequenzen einer Einstufung nicht einverstanden war.

Logisch, dass jetzt versucht wird, Österreich für Krisen in Zukunft besser zu wappnen. So kam es schon im Oktober 2021 zu einem Treffen aller Parlaments­parteien, in dem die ÖVP und die Grünen der Opposition vorschlugen, gemeinsam ein Krisensicherheitsgesetz zu erarbeiten, doch Corona ebbte ab und mit der Pandemie schwand der Eifer der Regierung.

Ein Jahr lang passierte gar nichts, dann kam plötzlich eine Gesetzesvorlage – erarbeitet ohne Einbindung der Opposition –, die nichts von dem enthielt, was ursprünglich wichtig schien. Im Gesetzentwurf befindet sich ein Krisenstab ohne echte Kompetenzen, ein Wirrwarr an Arbeitskreisen in den verschiedenen Ministerien und eine Benachrichtigungspflicht gegenüber den Landesfürsten, Städten und Gemeinden. In Artikel 7, der sich über mehr als eine Seite zieht, werden nur Zuständigkeiten, Gremien und Wege definiert – alles ohne klar definierte Durchgriffsrechte. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

Auch kam das Herzensprojekt des Bundeskanzlers noch aus seiner Zeit als Innenminister: ein Lagezentrum in Form eines Bunkers im Innenministerium, als ob die Pandemie uns nur deshalb so schwer erwischt hätte, weil in Wien keine geeigneten Räumlichkeiten für einen Krisenstab zur Verfügung gestanden wären.

Jetzt droht Österreich, sich für die nächste Krise in ähnlicher Art vorzu­berei­ten. Das neue Krisensicherheitsgesetz ändert nichts am unklaren Informations­fluss, an komplizierten Zuständigkeiten und an mangelndem Risikomanagement. Es wäre nicht weniger als die Wiederholung aller Systemfehler, die in der Coronapandemie gemacht wurden.

In einem Krisensicherheitsgesetz, das den Namen verdient, müssten dagegen mehrere Kriterien vorkommen, die im aktuellen Entwurf fehlen. Punkt eins: Risiken erkennen und vorsorgen. Ein Krisensicherheitsgesetz muss Bedrohungen prognostizieren, ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungen einschätzen und Pläne zur Verhinderung, Vorsorge und/oder Bewältigung erarbeiten.

Einen Teil dieser Arbeit macht das Verteidigungsministerium bereits. Bedro­hungen werden identifiziert und nach Wahrscheinlichkeit gereiht. Außerdem gibt es regelmäßig Debatten über ihre möglichen Auswirkungen.

Krisenpläne, die die Regierung im Notfall aus der Schublade holen und sofort implementieren kann, gibt es aber nicht – und das, obwohl andere Staaten wie etwa Taiwan und Südkorea schon aus Sars und Mers gelernt haben und Pandemienotfallpläne bereithalten.

Punkt zwei: die Ermöglichung sinnvoller Informationsflüsse. Alle notwendigen Informationen müssen beim Krisenstab zusammenlaufen. Die Ministerien müssen zur Weitergabe aller relevanten Informationen verpflichtet werden und auch auf Verlangen Expertise an den Krisenstab zur Verhinderung oder Bewältigung der Bedrohung bereitstellen.

Die Bundesregierung schafft hingegen ein Gewirr an Gremien innerhalb von und zwischen Ministerien und beruft sich auf die gesetzlich festgelegten Kompe­tenzen der Ministerien, aufgrund derer niemand von außerhalb Informations- oder Kooperationspflichten einverlangen dürfte. Ein Krisenstab, der aber nicht einmal die Befugnisse hat, Informationen verpflichtend einholen zu dürfen, ist in einer Ausnahmesituation nutzlos und braucht auch keinen 50 Millionen teuren Bunker. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Da der Bundeskanzler als Koordinator der Regierung fungiert, ist ein im Bundeskanzleramt angesiedelter Krisenstab dazu geeignet, Informationsflüsse zu koordinieren und auch darüber zu wachen, dass alle Ministerien im Falle einer Krise an einem Strang ziehen.

Punkt drei: die Ermöglichung einer gesamtstaatlichen Zusammenarbeit. Sobald eine Krise erklärt wird, müssen alle Ebenen des Staates koordiniert zusammenarbeiten und eine Gesamtkoordination über Verwaltungsgrenzen hinweg muss möglich sein.

In einer existenziellen Krise müssen sich auch Länder, Städte und Gemeinden den Maßnahmen unterwerfen, die es zur Krisenbewältigung braucht, wenn auch temporär beschränkt. Diese Neuerung wäre übrigens minimal, denn bereits heute obliegt dem Bundeskanzler die – Zitat – „anlassbezogene Koordination innerstaatlicher Maßnahmen zur Bewältigung überregionaler oder internatio­na­ler Krisen oder Katastrophen“. Die Länder sind im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung ja weisungsgebunden.

Punkt vier: die Sicherung der Freiheit auch im Ausnahmezustand. Klar ist aber auch, dass sich Krisen ausgezeichnet eignen, um Bürgerrechte oder die Verfassung auszuhebeln. Daher muss es eine Grundbedingung sein, dass eine Krise ausschließlich mit einer qualifizierten Mehrheit und für einen eng befristeten Zeitraum ausgerufen werden kann, und nur Maßnahmen zur unmittelbaren Bewältigung der Krise auch für Länder, Städte und Gemeinden verpflichtend sein können.

Schon 2015 erdachte die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ein weit überschießendes Gesetz für einen Ausnahmezustand, in dem die Regierung die Bürgerrechte einschränken könnte. Auch der Einsatz des Bundesheeres über die verfassungsrechtlich gedeckten Hilfs- und Assistenzeinsätze hinaus ginge zu weit. Im Gegenteil! Zur Stärkung des Bundesheeres sollte man seine Assis­tenzeinsätze deutlich beschränken. (Bundesrat Steiner: Richtig!) Ständige Einsätze als Hilfspolizei vor Botschaften oder als Assistenzgrenzschutz lenken von den wirklichen Aufgaben des Heeres ab und sind für Juristinnen und Juristen und auch den Rechnungshof rechtswidrig. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Das Fazit: Wichtig wäre ein Krisensicherheitsgesetz zur Vorsorge oder Bewälti­gung von Bedrohungen, weil wir immer wieder sehen, dass wir trotz Warnungen durch die Sicherheitspolitische Jahresvorschau im Ernstfall dennoch völlig unvorbereitet sind. Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Maßnahmen, aber ein derartiges Gesetz muss die Schwachstellen im System mit minimalen Eingriffen in den normalen Ablauf der Regierung, des Staates korrigieren und darf keinesfalls ein Freibrief einer Regierungsmehrheit sein, sich der lästigen Opposition zu entledigen. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

21.54

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Minister Karner. – Bitte.