22.27
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir stärken heute mit diesem Beschluss die bundesweite Ermittlung und Aufklärung, wenn Misshandlungsvorwürfe bei der Polizei Thema werden. Darum geht es bei diesem Punkt, Frau Mag.a Theuermann, und nicht um diese Verschwörungserzählungen vom tiefen Staat, die Sie erwähnt haben.
Nebenbei bemerkt leben wir in einem Land, in dem die Versammlungsfreiheit und die Demonstrationsfreiheit Grundpfeiler der Demokratie sind. Das gilt für alle.
Wir stellen hier die konsequente Ermittlung und Aufklärung im Zusammenhang mit Misshandlungsvorwürfen im BMI durch eine eigene Organisationseinheit sicher, die übrigens nicht bei der Polizei angesiedelt sein wird, sondern im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung – ich finde wichtig, dass man das auch hier deutlich sagt. Diese wird Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe, kurz EBS, heißen.
Wir schaffen hier zweierlei: erstens ein Gesetz für die Opfer von Polizeigewalt und zweitens ein Gesetz für all jene Polizistinnen und Polizisten in diesem Land – das ist ein überwältigender, riesengroßer Teil dieser Beamtinnen und Beamten –, die ihren Dienst hervorragend, gewissenhaft und großartig verrichten. Auch diese – und vor allem diese – haben kein Interesse daran, wenn es Fälle von Missbrauch in den eigenen Reihen gibt.
Zudem – das sei hier auch noch einmal deutlich angemerkt – wird bei Verdachtsfällen von Missbrauch sehr schnell ermittelt, denn zu Unrecht beschuldigte Exekutivbeamtinnen und -beamte haben ebenso das Recht, dass Verdachtsfälle sofort und schnell aufgeklärt werden, wie wenn ein tatsächlicher Missbrauch stattgefunden hat, der ebenso schnell aufgeklärt wird. Das ist im Interesse der Bevölkerung und das ist vor allem auch im Interesse unserer Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamten.
Was wir an dieser Stelle aber schon brauchen – deswegen kann es zum Beispiel, so wie es vorgeschlagen wurde, keine Schlichtungsstelle und auch nicht beim Rechnungshof oder so angesiedelt sein –, sind Ermittlungsbeamtinnen und -beamte. Wir brauchen Beamtinnen und Beamte, die tatsächlich und wirklich ermitteln können, polizeilich ermitteln können, aber unabhängig von der Polizei. (Bundesrätin Schumann: Ja, weisungsgebunden vom Minister!)
Eine völlig neue Perspektive ergibt sich auch durch die wirklich durchdachte Zusammenstellung, die sehr interdisziplinär gemacht wird, denn neben dieser polizeilichen Arbeit, von der ich gerade gesprochen habe, wird es in dieser Stelle auch Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Psychologie, der Sozialarbeit, der Medizin und so weiter geben. Alle werden in juristischen Bereichen, in Menschenrechtsbereichen und in Bürger:innenrechtsbereichen gut geschult. Also das halte ich für gelungen.
Noch ein Wort zum Thema Unabhängigkeit: Da wird jetzt eine Art von Menetekel an die Wand gemalt. Wenn man sich aber doch ein bisschen tiefer ins Gesetz hineinarbeitet, wird man feststellen: Diese Stelle – das ist wichtig zu sagen – wird strikt von der Polizei getrennt. Das BMI hat ja auch nicht nur die Polizei. Das ist ein großes Haus mit sehr vielen Abteilungen, und diese wird – noch einmal – im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung angesiedelt.
Die Bestellung der Leitung – das ist auch wichtig – wird auf zehn Jahre erfolgen. Damit ist auch eine sehr große Unabhängigkeit gewährleistet. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Diese Leitung hat auch die Personalhoheit und die Budgetsicherheit. Die fügt dann das ihre dazu. Die fixen Arbeitsplätze für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können nicht gegen ihren Willen dorthin oder von dort weg versetzt werden – auch das garantiert Unabhängigkeit.
Jede Weisung an diese Stelle, Frau Kollegin Schumann, weil Sie es gerade hereingerufen haben, muss schriftlich ergehen und sofort dem Beirat dieser Stelle bekannt gegeben werden. (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Ja, und das hilft dann!) Eine Einflussnahme oder das Vertuschen wird so absolut unmöglich gemacht. Es wird unmöglich gemacht. (Bundesrätin Schumann: Genau! Da kennen wir uns aber aus, in einem Ministerium, Herr Schreuder! Da kennen wir uns aus!)
Apropos Beirat: Für die Kontrolle der neuen Stelle wird ein unabhängiger Beirat eingerichtet. Dieser Beirat hat Einblick in alle erforderlichen Unterlagen. Die EBS ist verpflichtet, diesem Beirat jegliche Auskunft zu erteilen. Der Beirat hat eine enorm starke zivilgesellschaftliche Komponente und sehr viel Expertise. Die Mitglieder – beispielsweise aus den Kammern und aus den Ministerien – müssen auch aus einschlägigen Bereichen kommen, wie zum Beispiel Menschenrechte, Psychologie oder Strafrecht.
Der Beirat darf übrigens auch – das ist, finde ich, ein ganz interessanter kleiner Nebenaspekt – selbstständig und allein an die Medien herantreten und muss nicht den Herrn Innenminister um Erlaubnis bitten. Dieser Beirat kann dem Innenminister aber auch sichtbar, öffentlich und auch deutlich Empfehlungen geben.
Ein Aspekt ist mir noch sehr wichtig: Niemand – niemand!, das ist auch eine wichtige Botschaft nach draußen – der Opfer von Polizeigewalt wird, muss mehr zur Polizei gehen, um sich zu beschweren. Das halte ich wirklich für einen riesigen Fortschritt. Viele Polizistinnen und Polizisten arbeiten tagtäglich gut und gerne und sind zu Recht sauer, wenn Kolleginnen und Kollegen sich nicht an wichtige Grundsätze halten. Sie schaffen hiermit etwas, das für unsere Polizei vielleicht sogar am wichtigsten ist, nämlich dass die Bürger:innen der Polizei vertrauen können. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
22.33
Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu Wort gemeldet ist Bundesminister Mag. Gerhard Karner. – Bitte.