Antrittsansprache der Präsidentin

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Da heute ja ein besonderer Tag ist, starte ich gleich einmal mit meiner Antrittsrede.

Hohes Haus! Geschätzte Kolleg:innen aus dem Bundesrat! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Voller Freude und Respekt stehe ich heute vor Ihnen, um als Vertreterin Kärntens im österreichischen Parlament, dem Herzstück unserer Demokratie und einem Ort der Begegnungen, als Präsidentin des österreichischen Bundesrates hier die Verantwortung zu übernehmen.

Ich bedanke mich sehr bei Landeshauptmann Peter Kaiser und dem Kärntner Landtag für das in mich und meine Kärntner Kolleginnen und Kollegen gesetzte Vertrauen – vielen Dank dafür.

Ich danke auch dem vorigen Präsidenten aus dem Burgenland, Günter Kovacs, für seine wertschätzende Präsidentschaft. Ein besonderer Dank – und das gestatten Sie mir heute – gilt auch meiner Familie, die mich nämlich immer gut unterstützt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Steiner.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundesrat wird erstmals in seinem Bestehen von drei Frauen geführt. Es ist mir gemeinsam mit meinen beiden Vize­präsidentinnen Margit Göll und Doris Hahn wichtig, dieses Zeichen in Richtung Gleichberechtigung zu setzen, und wir freuen uns sehr darüber. – Bitte (Heiterkeit der Rednerin), man kann auch applaudieren. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.Mit diesem Präsidium wollen wir Vorbild sein. Wir wollen Mut machen, damit viele Mädchen den Wunsch haben, sich politisch zu engagieren.

Gestatten Sie mir einen Blick in die Geschichte: Bereits 1927, also vor 96 Jahren, stand mit Olga Rudel-Zeynek erstmals eine Frau an der Spitze dieses Bundesrates, und sie war überhaupt die erste Parlamentspräsidentin weltweit. Dass wir uns über so ein erstmals vollständig mit Frauen besetztes Präsidium freuen, zeigt uns aber auch, dass die Gleichstellung von Frauen noch immer nicht selbstverständlich ist und es noch viel zu tun gibt.

Nicht nur als neue Präsidentin des österreichischen Bundesrates, sondern auch als Mutter von drei Töchtern wünsche ich mir, dass Mädchen und junge Frauen in einem Umfeld aufwachsen können, in dem es eine Selbstverständ­lichkeit ist, dass sie ihre Talente leben und jenen Weg gehen können, der für sie der richtige ist.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist ja erfreulich, dass heute junge Menschen in Österreich aus allen sozialen Schichten Chancen, Möglichkeiten und Perspektiven für ihre Zukunft finden, aber es ist auch Fakt, dass einige mehr profitieren als andere und manche junge Menschen hoffnungsvoller in die Zukunft blicken können. Das führt uns vor Augen, dass Chancengleichheit noch lange nicht erreicht ist.

Ich möchte dazu meine eigene Geschichte erzählen, denn nur durch diesen freien Zugang zu Bildung wurde der Startschuss dafür gelegt, dass ich heute als Bundesratspräsidentin vor Ihnen stehe. Ich selbst komme aus einer kleinen Landgemeinde und erinnere mich daran, dass eine höhere Schulbildung die Ausnahme war und ein ausgefallener Berufswunsch für viele von uns etwas Unerreichbares darstellte.

Dass bessere und vielfältigere Schulbildung möglich wurde, verdanken wir all jenen Politikerinnen und Politikern, die in den 1970er-Jahren mit Weitblick gehandelt haben. Sie waren es, die den Zugang zu Bildung und zur Universität ermöglichten und so auch mir, unabhängig von der Herkunft und von der Bildung meiner Eltern, neue Perspektiven gaben. Sie stellten sich den großen Herausforderungen ihrer Zeit und begannen so, unser Land zu einem gerechteren Ort für zukünftige Generationen zu machen – ein Weg, der noch nicht zu Ende ist, ein Weg, auf dem wir in den letzten Jahrzehnten vielleicht auch das eine oder andere Mal falsch abgebogen oder teilweise auch ein Stück zurückgegangen sind.

Klimawandel, hohe Inflation, Energiekrise: Mit diesen Themen ist unsere Gesellschaft aktuell konfrontiert, und das sind auch die Themen, mit denen wir Politikerinnen und Politiker uns auseinandersetzen müssen. Wir tragen die Verantwortung, uns diesen Herausforderungen zu stellen. Es ist unbestritten, dass Krisen eine erhebliche Belastung für unsere Gemeinschaft darstellen. Sie bedrohen die Stabilität, die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen. In solchen Zeiten ist es daher von entscheidender Bedeutung, effektive Lösungen zu entwickeln, damit die Auswirkungen für die Menschen minimiert werden, denn wir wissen: Am schwersten treffen diese Verwerfungen durch äußere Umstände Familien mit Kindern, Alleinerziehende – oftmals Frauen –, Pensionistinnen und Pensionisten sowie Beschäftigte in schlecht bezahlten Berufen. Ihnen fehlen die Mittel und Möglichkeiten, sich aus diesem Negativkreislauf, der durch die Teuerung in Gang gesetzt worden ist, zu befreien. Sie sind es, die nun wieder bei der Bildung und bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sparen müssen und deren Perspektiven und Möglichkeiten damit weniger und auch kleiner werden.

Die Erfahrung von Armut prägt Kinder ihr ganzes Leben lang. Arm zu sein bedeutet, gerade noch die wichtigsten Grundbedürfnisse ausreichend zu decken, was aber nicht mehr möglich ist, ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Eltern können so ihren Kindern keine Ferienbetreuung oder einen schönen Sommer ermöglichen. Sie würden ihren Kindern oft gerne gesündere Lebens­mittel kaufen, aber diese sind oft zu teuer, und Nachhilfe, wenn es in der Schule gerade nicht so gut läuft, wird unleistbar und die Bildungskarriere dadurch wesentlich schwieriger. Der Besuch im Freibad, das Anschauen eines Films im Kino oder das Taschengeld, um am Wochenende mit Freund:innen auszugehen, fehlen.

Armut versteckt sich in den eigenen vier Wänden. Kinder, die kostenpflichtige Schulveranstaltungen besuchen sollen und deren Eltern sich das nicht leisten können, werden oft krankgemeldet. Wir kennen die Zahlen: In Österreich waren im Jahr 2022 353 000 Kinder armuts- und ausgrenzungsgefährdet.

Die so erlebten Ungleichheiten prägen unsere Kinder. Sie setzen sich in der Bildung und im Gesundheitswesen sowie später vielfach auch in der Arbeitswelt fort. Armut wird in Österreich vererbt und das dürfen wir nicht zulassen – im Sinne all jener Kinder, für die und mit denen wir das Heute und das Morgen gestalten. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Geschätzte Damen und Herren, nur gemeinsam und im Konsens können wir den Krisen und Herausforderungen unserer Zeit entgegentreten. Für meine Präsidentschaft habe ich deshalb das Thema „Kindern Perspektiven geben“ gewählt, denn mir ist es wichtig, dass wir auch heute wieder junge Menschen mitnehmen und mit ihnen und für sie unser Land gemeinsam noch chancenreicher und lebenswerter machen.

Gerade Kärnten zeigt vor, wie es geht, für Familien ein attraktives Bundesland zu sein und die Familien zu entlasten. Mit dem von Landeshauptmann Peter Kaiser initiierten neuen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, mit dem unter anderem der Zugang zu Kindertagesstätten und Kindergärten gratis wird, wurde nicht nur die größte Reform im Bereich der Elementarpädagogik seit 1945 eingeleitet, sondern ein vorzeigbares Modell entwickelt, das jungen Familien eine Hilfestellung ist und mit dem sich das Bundesland als kinder- und familienfreundliches Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsland positioniert.

Der Gratiszugang zu Kindertagesstätten und Kindergärten ist ein wichtiger Meilenstein für die Bildung von Kindern, und zwar in der Stadt und am Land. Dieses Beispiel möchte ich auch über die Kärntner Grenzen hinaustragen und gleichzeitig Impulse und Anregungen aus anderen österreichischen und europäischen Regionen einfließen lassen. Wir möchten so gesehen für die Zukunftsperspektiven unserer Jugend Vorbild, Botschafter und Wegbereiter sein.

Sorgen wir gemeinsam dafür, dass das Leben der Familien in Österreich so gestaltet wird, dass alle Kinder und Jugendlichen ohne Sorgen und mit den gleichen Chancen aufwachsen können! Jede Zuwendung, die wir in unsere Jugend investieren, macht sich später um ein Vielfaches bezahlt. Es ist belegt, dass jeder Euro, der in die frühe Bildung investiert wird, achtfach wieder in der Wirtschaft ankommt. Oder wie es John F. Kennedy gesagt hat: Es gibt nur eins, was auf lange Sicht teurer ist als die Investition in Bildung und Kinder, nämlich keine Investition in Bildung. – Zitatende. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Armutserlebnisse in der Kindheit führen auch zu mangelndem Vertrauen in unsere Gesellschaft und in unsere Demokratie. Benachteiligung und Ausgren­zung bedeuten ja auch weniger Teilnahme an demokratischen Prozessen in unserem Land. Es bedeutet, nicht teilzunehmen, nicht mitzureden und auch nicht zu entscheiden, obwohl man von den Entscheidungen aus demokratischen Prozessen betroffen ist. Das führt in letzter Konsequenz zu Perspektivlosigkeit und einem Gefühl der Machtlosigkeit. Wir dürfen unsere jungen Menschen in Österreich nicht an die Armut verlieren, sondern wir müssen sie für die Demokratie begeistern.

Aus gutem Grund wurde das Wahlrecht in Österreich auf 16 Jahre gesenkt, denn die Teilhabe junger Menschen an demokratischen Prozessen ist sehr wichtig. Es ist unsere Aufgabe, den Wert dieses Wahlrechtes zu vermitteln, damit auch die nächste Generation in Meinungsfreiheit und -vielfalt friedlich zusammenleben kann – trotz der Unterschiede, die es in der Gesellschaft gibt.

Maßnahmen für die Bildung und die Betreuung von Kindern und Jugendlichen bringen gut ausgebildete Menschen hervor, die sich engagieren und auch in unsere Gesellschaft einbringen. Unsere Demokratie braucht selbstbewusste Menschen, die Verantwortung übernehmen und sich für ein gutes Miteinander einsetzen.

Auch wir Politikerinnen und Politiker müssen unsere Demokratie immer wieder mit neuem Leben erfüllen. Der Bundesrat – da, wo wir uns jetzt gerade befinden – fungiert ja nicht nur als Europakammer, sondern insbesondere auch als Zukunftskammer. Das zeigen wir mit unserem Kinderrechteausschuss, denn unsere Kinder sind ja unsere Zukunft. Lassen wir diesen oft gebrauchten Slogan nicht zu einer Floskel werden, erweitern wir ihn auch gleich: Kinder sind nicht nur unsere Zukunft, nein, Kinder sind auch unsere Gegenwart! (Allgemeiner Beifall.)

Nehmen wir das als Ansporn, uns zu fragen, was wir für unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder tun können, welche Perspektiven wir unseren Kindern geben können!

Meine Damen und Herren, jede Zeit hat ihre Herausforderungen, und diese werden in unserem Bundesrat manchmal kontrovers diskutiert. Dabei ist mir als Präsidentin aber gerade hier in der Länder-, Europa- und Zukunftskammer wichtig zu sagen: Führen wir die Kontroverse hart, aber getragen von gegenseiti­gem Respekt, im Sinne der Menschen, des Parlaments, aber auch der Demokratie als Ganzem! Ich möchte an dieser Tradition festhalten und das Gemeinsame vor das Trennende stellen. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Arlamovsky und Kofler.)

So heftig im Bundesrat über unterschiedliche Themen diskutiert wird, so oft steht die Notwendigkeit des Bestehens des Bundesrates auch selbst in Diskussion. Dabei bitte ich Sie, eines zu bedenken: Der Bundesrat ist Teil des Zweikammersystems und dieses fußt auf dem Prinzip des Gleichgewichtes. Für ein demokratisches System sind ausgewogene Checks and Balances im politischen Willensbildungsprozess wichtig. Der Bundesrat als zweite Kammer ist damit für mich unerlässlich. Und dass das auch die Menschen in Österreich so wahrnehmen und auch positiv wahrnehmen, liegt ganz entscheidend an uns allen.

Es ist unsere Verantwortung, und daran möchte ich heute besonders erinnern, dass wir diesen Bundesrat einfach positiv darstellen. Ob und wie wir die Herausforderungen unserer Zeit gemeistert haben, wie wir mit ihnen umgegangen sind und ob wir die jungen Menschen mit neuen Perspektiven ausgestattet haben, wird erst in der Zukunft von den heute jüngsten Mitgliedern unserer Gesellschaft, unseren Kindern, beurteilt werden. Nehmen wir gemeinsam diese Herausforderung an, erinnern wir uns an unsere Verfassungs­grundsätze und lassen Sie uns zum Wohle der Republik und zum Wohle der Menschen in diesem Land gemeinsam daran arbeiten!

Ich möchte noch einmal wiederholen: Ich möchte das Gemeinsame vor das Trennende stellen, damit wir positiv in die Zukunft blicken können, damit unsere Kinder eine positive Zukunft haben. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen sowie der Bundesräte Arlamovsky und Kofler.)