11.19

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Florian Tursky, MBA MSc: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Digitalisierung löst in unserer Bevölkerung bei jedem und sicher auch bei Ihnen im Kopf ein gänzlich anderes Bild aus. Das macht es vielleicht oft auch so schwierig, dieses Thema zu greifen.

Wenn wir tagtäglich die Zeitung aufschlagen, gibt es zur Digitalisierung nie ein wirkliches Bild. Bei künstlicher Intelligenz sieht man irgendwelche Synapsen, bei künstlicher Intelligenz und Tourismus sieht man einen Schlüssel, der von einem Roboter übergeben wird – alles vielleicht auch nicht unbedingt die passenden Bilder.

Digitalisierung ist aber etwas, das alle Bereiche unseres Lebens betrifft, vollumfänglich alle Bereiche unseres Lebens, weil sich das Leben Schritt für Schritt weiter von der analogen Welt in die digitale Welt entwickelt. (Wegen der Rückkopplung des Mikrofons ist ein Pfeifen im Saal zu hören. – Bundes­rat Schreuder: Das ist analog, glaube ich! – Heiterkeit bei den Grünen.) – Wahrscheinlich.

Das bedeutet, dass Digitalisierung kein Thema eines einzelnen Ministeriums ist, sondern dass Digitalisierung ein Thema aller Ministerien ist. Das bedeutet auch, dass Digitalisierung nicht nur ein Thema des Bundes ist, sondern – insbesondere darüber wollen wir heute sprechen – ein Thema von Bund, Ländern und Gemeinden ist. Das bedeutet meiner Meinung nach – so habe ich auch versucht, das im vergangenen Jahr anzulegen –, dass für mich Digitalisierung kein ideologisches oder kein parteipolitisches Thema ist, sondern ein Thema, das unsere Gesellschaft derartig transformieren wird, dass wir darauf setzen müssen, alle zusammenzuarbeiten.

Da möchte ich mich ausdrücklich bei Ihnen im Bundesrat bedanken, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, dass es uns bis jetzt gelungen ist, über die Parteigrenzen hinweg – sowohl mit allen Bundesländern, aber auch mit allen Fraktionen – bei den maßgeblichen Fragen an einem Strang zu ziehen.

Digitalisierung wird nämlich aus meiner Sicht vor allem bedeuten: Wie wird der Wohlstand zukünftig in unserem Land ausschauen? Wie wir die Chancen der Digitalisierung und Innovation in Österreich nützen, das wird maßgeblich dafür sein, wie sich unser Land weiterentwickelt, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit in unserer Wirtschaft weiterentwickelt und auch, wie sich unser Sozialstaat weiterentwickelt.

Wir haben wegen dieses breiten Felds, weil es eben alle Lebensbereiche, alle Ministerien betrifft, ganz bewusst mit einem gemeinsamen Ministerratsvortrag des Herrn Bundeskanzlers, des Herrn Vizekanzlers und des Herrn Finanz­ministers mit dem Digital-Austria-Act versucht, diese gesamten Lebensbereiche abzubilden, und abzubilden, in welche Richtung wir zukünftig laufen wollen, weil es – da müssen wir auch selbstkritisch sein – in der Vergangenheit schon vorgekommen ist, dass die einen Bundesländer in diese Richtung arbeiten, die anderen in die andere Richtung arbeiten oder dass die verschiedenen Ministerien in entgegengesetzte Richtungen arbeiten, und das soll in Zukunft eben nicht mehr vorkommen.

Ich möchte vier Bereiche, die ich für zentral halte, kurz ansprechen.

Erstens: Die Basis von allem ist die Infrastruktur, die digitale Infrastruktur. – Ja, da müssen wir auch selbstkritisch sagen, dass uns da in den vergangenen Jahrzehnten eine Strategie gefehlt hat. Als wir uns damit beschäftigt haben, noch Infrastrukturen und Netze zu privatisieren, wäre es möglicherweise an der Zeit gewesen, bundesweit mit Bund, Ländern und Gemeinden ein gemeinsames Glasfasernetz aufzubauen.

Man hat das damals der Privatwirtschaft überlassen, das war die Strategie – aus meiner Sicht und aus heutiger Sicht nicht die richtige Strategie. Wir arbeiten jetzt daran, mit den verschiedenen Breitbandförderungen genau das zu lösen. Klar muss uns sein: Bei der digitalen Infrastruktur ist Österreich Meister, was die mobile Infrastruktur betrifft. Wenn Sie heute mit dem Zug, so wie ich oft, von Innsbruck nach Wien fahren, wissen Sie, es gibt eine Region, wo das mobile Netz nicht funktioniert – das wissen meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Bun­desrat aus Tirol, aus Vorarlberg genau –, nämlich im Deutschen Eck.

Das heißt, da sind wir gut. Das hatte aber auch zur Folge, dass die Nachfrage in der Breitbandförderung nicht so groß war. Das hat sich durch die Pandemie maßgeblich geändert. Es werden gerade 6 Milliarden Euro privatwirtschaftliches Geld in den Breitbandausbau investiert und auch 1,4 Milliarden Euro und noch mehr Geld jetzt durch die zweite Breitbandmilliarde.

Herr Bundesrat Bernard von der FPÖ, ich bin hundertprozentig bei Ihnen, da müssen wir investieren. Ich bin auch sehr froh, dass gerade in Ihrem Heimatbezirk in Mistelbach durch die zweite Breitbandmilliarde jetzt 3,17 Mil­lionen Euro investiert werden, um auch dort weiter für diesen Lücken­schluss zu sorgen. Das ist aber die Basis und das müssen wir auch machen.

Das Zweite ist die Bildung, die Bildung betreffend digitale Kompetenzen. Wir haben die digitale Kompetenzoffensive aufgesetzt, und das ist etwas, das nicht nur in den Schulen passieren sollte. Wir brauchen digitale Kompetenzen vom Kindergarten bis ins Altersheim. Oft wird auch nur die ältere Bevölkerung adressiert, und auch das ist falsch. Nur weil ein Jugendlicher gut am Handy wischen kann, bedeutet das nicht, dass er darüber informiert ist, welche Betrugsmöglichkeiten es im Internet gibt oder was ein sicheres Passwort ist.

Da haben wir Aufholbedarf. Wir sind im europäischen Spitzenfeld, aber wir müssen digitale Kompetenzen zu allen Österreicherinnen und Österreichern bringen. Deshalb werden wir allein im kommenden Jahr in jeder einzelnen Gemeinde Workshops organisieren – 3 500 Workshops –, bis hin zu neuen Förderungen von IT-Fachkräften. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Dritte ist die E-Government-Strategie. Da bin ich besonders stolz – wie bei der digitalen Kompetenzoffensive –, dass sich alle Bundesländer gemein­sam, alle Ministerien gemeinsam auch beim E-Government auf eine gemeinsame E-Government-Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden geeinigt haben, denn die Services – da möchte ich der Bundesrätin von der ÖVP völlig recht geben – müssen eben einfacher, bequemer und sicherer werden.

Ich habe einmal gesagt, die digitale Verwaltung muss so einfach sein wie die neueste Smartphoneapp oder Tinder oder Ähnliches, denn der Bürger ist es gewohnt, mit diesen Dingen zu operieren. Für den Bürger wird es zukünftig auch frustrierend sein, wenn er einen Absprung zur Gemeinde hat, einen Absprung zum Bundesland hat. Wir müssen das natürlich auf der jeweiligen Ebene belassen, aber wir müssen es so barrierefrei und absprungfrei wie möglich für die Bürgerinnen und Bürger anbieten, denn dem Bürger ist es egal, ob er sich gerade mit dem Service einer Gemeinde beschäftigt, mit dem Service eines Bundeslandes beschäftigt oder mit dem Service des Bundes beschäftigt. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das haben wir festgehalten – Herr Bundesrat Schennach, Sie haben das erwähnt, vollkommen zu Recht –: Alles, was wir zukünftig digital anbieten, muss auch analog angeboten werden, auch das ist im Digital-Austria-Act abge­bildet.

Die digitale Kluft wurde angesprochen, auch von Ihnen, und Sie haben vollkom­men recht: Wir müssen auch weltweit schauen, dass es keine digitale Kluft zwischen dem globalen Süden und Norden gibt. Wir sind deshalb auch im engen Kontakt mit dem UNO-Sonderbeauftragten für Digitalisierung, der neu im Amt ist, mit dem wir diese Themen diskutieren. (Bundesrat Schennach: Wird auch von der Entwicklungszusammenarbeit von der UNO vorgeschlagen!)

Wo ich nicht Ihrer Meinung bin, ist, dass Digitalisierung und künstliche Intelligenz unmittelbar Arbeitsplätze kosten werden oder dass das ein Grund für die Digitalisierung ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Alle Studien gehen davon aus, dass das nicht der Fall sein wird, genauso wie bei vergangenen digitalen Innovationen. Aktuell ist es doch eher der Fall, dass die Industrie besonders deshalb auf Digitalisierung setzt, weil ihr die Arbeitskräfte fehlen. (Beifall bei der ÖVP.)

Weil Sie das Beispiel der Apotheke angesprochen haben: Ich bin froh, dass ein Roboter das Medikament holt und sich die Apothekerin, der Apotheker oder der Fachangestellte dort mit der Beratung und mit den hochwertigen Tätigkeiten beschäftigen kann. (Bundesrat Schennach: Aber zwei Drittel der Apotheker werden gekündigt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Als Letztes möchte ich auf das Thema der europäischen Regulierung eingehen, denn das ist etwas, das uns in den kommenden Jahren unglaublich beschäftigen wird. Zwei zentrale Elemente hat diese europäische Regulierung. Einerseits: Wie schaffen wir es – auch da darf ich Ihnen wieder recht geben, Herr Bundesrat Schennach –, wie schaffe ich es, das Gold der neuen Zeit, und zwar die Daten, so zu orchestrieren, dass sie für die Bevölkerung verwendbar sind, dass sie sicher sind und dass sie für die Wirtschaft verwendbar sind? Da setzen wir in der Europäischen Union genauso wie bei der Regulierung der künstlichen Intelligenz maßgeblich an. Künstliche Intelligenz – dafür habe ich mich besonders eingesetzt – ist etwas, das einen enormen Fortschritt bringen wird, das enorme Chancen bringen wird.

Heute ist der Chatbot Bard von Google auch in Österreich auf den Markt gekommen, aber künstliche Intelligenz führt zu Ängsten in der Bevölkerung, und betreffend künstliche Intelligenz ist zu sagen: Wir sind wieder einmal an einem Punkt einer Technologie, wo wir ähnlich wie bei der Gentechnologie sagen müssen: Gewisse Dinge sind erlaubt, gewisse Dinge wie Social Scoring und Co sind nicht erlaubt. – Vielen herzlichen Dank, dass Sie uns auf diesem Weg begleiten, und weiterhin: Auf eine gute Zusammenarbeit! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.29

Vizepräsidentin Margit Göll: Vielen herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Christian Buchmann. – Bitte.