11.35

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Gäste hier im Saal und zu Hause via Livestream! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! „Aktuelle Chancen und Potenziale in der Digitalisierung“ – als ich den Titel der Aktuellen Stunde gehört habe, habe ich mir gedacht: Das kommt mir so bekannt vor!

Ich habe recht behalten, ich habe mich richtig erinnert: Fit4Internet haben wir es genannt, und zwar am 11. Oktober 2018 – da hatten wir auch schon eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema. (Bundesrat Schreuder: Wie gestern!) Ich habe mir meinen Redebeitrag von damals angeschaut, und ich muss sagen, ich könnte ihn jetzt noch einmal, eins zu eins im Wortlaut, wiedergeben. Man könnte sagen: Ja, es hat an Aktualität nicht verloren!, oder aber auf der anderen Seite: Es ist seitens der Politik noch nicht wirklich viel passiert. – Beides könnte man da jetzt hineininterpretieren.

Damals habe ich mit einem Zitat eines Sciencefictionautors begonnen: „Die Zukunft ist schon da. Sie ist bloß noch nicht gleichmäßig verteilt.“ – Ich glaube, dieses Zitat von damals ist heute aktueller denn je. Ich glaube, es hat an Aktualität nichts eingebüßt – ganz im Gegenteil, ich würde sogar sagen, die Zukunft ist bei uns beinahe schon dabei, uns bei dem, was wir tun, zu überholen.

Die Autos fahren inzwischen teilweise autonom, selbstgesteuert – einparken kann das Auto teilweise auch schon von allein. Wir zahlen quasi mit dem Handgelenk, wir steuern aus dem Urlaub – vielleicht aus dem Ausland – unsere Rollläden zu Hause im Smarthome, Ausweise haben wir – wie wir in den letzten Wochen auch schon immer wieder gehört haben – in Zukunft vermutlich nur mehr auf dem Smartphone via spezieller App – ID Austria und all diese Stich­worte, die heute schon gefallen sind.

Ja, super, die Politik tut etwas, sie sieht die Notwendigkeit, in der Digitalisierung voranzuschreiten, aber die Frage ist auch, welche Schritte gesetzt werden und wie nachhaltig diese Schritte sind. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich mache mir da ob der vergangenen Jahre schon die eine oder andere Sorge.

Erinnern wir uns zum Beispiel an den März 2020: Da hat es das Digitale Amt gegeben, das vorgestellt wurde und bei dem man Behördenwege via Handyapp abwickeln können sollte. Damals schon hat die Anmeldung nicht funktioniert, Fehler über Fehler – Serverprobleme, hat es damals geheißen.

Dann, im Mai 2020, hat es ein riesengroßes Datenleck im Wirtschaftsmini­sterium gegeben. Da ist es um ein Datenregister mit zahlreichen privaten Daten von über einer Million Bürgerinnen und Bürgern gegangen, die öffentlich einsehbar waren.

Dann, im Juli 2020, gab es die Panne bei der Auszahlung aus dem Härtefall­fonds, bei der dann die meisten Firmen nur 500 Euro überwiesen bekommen haben, obwohl sie eigentlich viel mehr zugesprochen bekommen hätten.

Und dann die Spitze des Eisbergs, ich glaube, wir erinnern uns alle und ich muss dazu nicht mehr viel sagen: das Kaufhaus Österreich. Ich glaube, das war ein politischer Bauchfleck mit Ansage.

Wenn ich jetzt noch aus der Schule berichten darf: Aus der Schule kann ich von der Geräteinitiative, die ja vor vielen Jahren gestartet wurde, erzählen. Ja, wir haben vor einer Woche die letzten drei Geräte aus der allerallerersten Gerätecharge bekommen – zweieinhalb Jahre zu spät. Ich glaube, jeder Kom­mentar ist überflüssig. (Bundesrat Kornhäusl: Aber ihr habts es! Hat es vorher nicht gegeben!)

Zurück aber zum konkreten Thema: Ich habe mir natürlich auch den Digital-Austria-Act sehr genau zu Gemüte geführt und die 40 Seiten sehr genau studiert. Ich muss gestehen: Es schaut gut aus, auch optisch, es ist eine wunder­bare Absichtserklärung, muss man sagen. Meine 13-, 14-jährigen Schüle­rin­nen und Schüler hätten ihre Freude: Es sind viele Überschriften mit sehr vielen hypermodernen Begrifflichkeiten, angefangen von der Usability bis zu Sonstigem, aber ich glaube, auf den Kern der Problematik bei der Digitalisierung wird nicht wirklich eingegangen. Wir haben es heute schon gehört: Der Digital Divide, der Gap wird nicht wirklich angegangen. Ja, jetzt gibt es einmal die 3 500 Workshops in den Gemeinden, aber ob ein Workshop wirklich reicht, um auch die Generation, die im Umgang mit den digitalen Medien noch unsicher ist – über 70-Jährige beispielsweise, die da noch großen Nachholbedarf haben –, mitzunehmen, wage ich zu bezweifeln.

Natürlich ist Digitalisierung auch eine Preisfrage. Jetzt, gerade in Zeiten der Teuerung, schaut es ganz, ganz düster aus, wenn es um Laptop, Tablet, Smartphone und so weiter geht, auch für die Schülerinnen und Schüler.

Es geht um die Datennutzung. Das heißt, überall dort, wo wir mit dem Handy oder auch mit dem Tablet, mit dem Laptop einen Klick machen, hinterlassen wir digitale Spuren, Tausende in der Minute.

Überall dort, wo Daten hin- und hergeschickt werden, gibt es neben Datennut­zung natürlich auch Datenmissbrauch, und dahin gehend sehe ich in diesem Konzeptpapier relativ wenig. Was tut die Politik gegen Cybercrime? Was passiert, um zum Beispiel gegen Cybermobbing vorzugehen? Auch dahin gehend vermisse ich noch etwas. Was ist mit Chat-GPT und Artificial Intelligence? – Man kann inzwischen oft nicht mehr sicher sagen, ob ein Bild künstlich generiert wurde oder ob es ein originäres Bild ist; das heißt, das öffnet Tür und Tor für Fakenews, für Hassnachrichten und dergleichen mehr und für Betrügereien, die wir uns heute wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen können. Auch da vermisse ich eine gewisse Initiative.

Offensichtlich braucht es da immer private Initiativen, die die Politik sozusagen ein bisschen vorantragen müssen und mitnehmen müssen, wie zum Beispiel die Workshops im Bereich digitale Selbstverteidigung von Epicenter Works in Kooperation mit der Arbeiterkammer.

Noch ein letzter Satz, dann bin ich schon fertig: Was Sie in diesem 40-Seiten-Papier auch angesprochen und angeschnitten haben, ist das Metaverse, das genutzt werden soll. Da ist schon zu hinterfragen, ob es wirklich in unserem Interesse ist, solche Monopole auch noch von staatlicher Seite zu fördern. Ich glaube, da geht es schon auch um Abhängigkeiten von ganz wenigen Unter­nehmen, die sich auf diese Art und Weise fast schon im Minutentakt Milliardengewinne zusichern, und ich glaube, das kann nicht in unserem Interesse sein, wenn wir wirklich alle, die Gesellschaft als Ganzes in der Digitalisierung mitnehmen wollen.

Daher: Ja, es ist eine schöne Absichtserklärung, aber ich glaube, da braucht es noch ganz, ganz viel, um auch wirklich alle mitzunehmen. Ich habe die starke Hoffnung, dass das noch passiert, und ich darf Sie wirklich bitten, da auch ein Auge darauf zu haben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

11.41

Vizepräsidentin Margit Göll: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Pröller. – Bitte.