12.16

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Herr Bundesrat Himmer, die Welt ist schön und alles ist wunderbar, nur leider trifft das halt nicht die Realität der Menschen, weil die das ganz anders sehen. Die haben größte Sorgen. Es ist kein schöner Sommer für viele Menschen in Österreich, und da muss man hinschauen. Das ist die wesentliche Frage. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wird Ihnen nicht helfen, im Bundesrat x Schilderl hochzuhalten und uns permanent zu sagen, wie viel die Bundesregierung tut, weil es die Bevölkerung nicht so sieht. Sie alle, die Sie hier sitzen, haben doch Kontakt mit den Men­schen. Sagen Ihnen die nicht: Wir machen uns große Sorgen wegen der Teuerung!, Wir wissen nicht, wie wir das Essen bezahlen sollen!, Wir wissen nicht, wie wir die Mieten bezahlen sollen!, Bitte helft uns, tut etwas!, sagen sie Ihnen das nicht? Uns sagen sie es auf ganz vielen Ebenen, und sie brauchen eine Entlastung.

Jetzt wären Gesetze offen gewesen. Mit diesen beiden Gesetzen hätte man etwas tun können. Unsere Enttäuschung ist extrem groß, weil da Gelegenheit gewesen wäre, zu entlasten. Es hätte die Möglichkeit gegeben, die Mehrwertsteuer auf lebensnotwendige Produkte zu senken. Das wäre wichtig gewesen. Das fordert selbst der Handelsverband – ganz ehrlich –, aber Sie tun nichts. (Bundesrat Himmer hält eine Tafel in die Höhe, auf der neben der Aufschrift „So unterstützen wir: Familie mit zwei Kindern Entlastung € 4.642,40“ eine Frau, ein Mann und zwei Kinder abgebildet sind.)

Die Lebensmittelpreise steigen in unglaubliche Höhen und sind bereits in große Höhen gestiegen. Das ist der Fakt. Wenn Sie sich dafür bejubeln, dass die Inflation jetzt bei 8 Prozent liegt: Das ist kein Grund zum Jubeln, sondern das heißt, die Preise steigen um 8 Prozent.

Herr Bundesrat Himmer, ein schönes Schilderl haben Sie da, aber diese Rech­nung ist natürlich nur für jene gemacht, die gut verdienen (Beifall bei der SPÖ – Widerspruch bei der ÖVP), weil der Familienbonus davon abhängt, wie viel man verdient. Da können Sie schreien, die Aufregung ist groß. Der Familienbonus hängt davon ab, wie hoch ein Einkommen ist. (Bundesrat Kornhäusl: Wir rechnen das vor!) Sie helfen jenen, die schon mehr haben, und die, die wenig haben, lassen Sie zurück. Sie bedienen Ihre Spenderinnen und Spender. Das ist die Tatsache. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Menschen – ganz ehrlich, ohne Aufregung und ohne großes Gezeter! – machen sich Sorgen, und sie machen sich wirklich und zu Recht Sorgen. (Bun­desrat Kornhäusl: Um den Zustand der SPÖ!) Die Mieten sind in einem Ausmaß gestiegen, dass sich Menschen wirklich fragen: Wie soll ich in Zukunft meine Wohnung bezahlen? (Bundesrat Kornhäusl: Ja, in Wien wird das schwierig!)

Landeshauptmann Kaiser hat es völlig richtig gesagt: Wohnen ist ein Men­schenrecht und ein Grundrecht. (Bundesrat Kornhäusl: Deswegen hat Wien die Mieten erhöht?) Die Angst davor, die Wohnung zu verlieren, ist eine große. Sie hätten die Chance gehabt, den Mietpreisdeckel einzuziehen. (Bundesrat Kornhäusl: Der Wiener Landtag auch!) Sie haben es nicht getan.

Der Herr Finanzminister hat in der „Pressestunde“ gesagt: Ja, wir denken darüber nach, den Mietpreisindex zu senken. (Bundesrat Schennach: Nachdem er erhöht worden ist!) – Ja, das ist eine gute Idee. Bitte machen wir es!

Fakt ist aber, die Mieterhöhungen sind bereits durchgelaufen, und die Menschen haben die schwersten Belastungen.

Es ist auch an jene in unserem Land zu denken, die Kredite haben. Jeder zweite private Kredit in Österreich hat einen flexiblen Zinssatz, das heißt, für die Menschen, die sich selber ein Eigenheim geschaffen haben und jetzt Kredite abzahlen, sind die Belastungen so gestiegen. – Das sind die Sorgen, die die Menschen haben.

Darum sagen wir: Herunter mit der Inflation! Wir können uns diese hohe Inflation, die im europäischen Vergleich wirklich zu hoch ist, ganz einfach nicht leisten. Das geht nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Auch das haben wir heute gehört: Die Armut ist leise, und sie kommt schleichend und sie kommt bei Gruppen, von denen wir nie gedacht haben, dass sie einmal davon betroffen sein werden. Hören Sie sich um und lassen Sie es sich erzählen! Jener Mittelstand, den Sie immer so umkämpfen, ist in dieser Situation der Verlierer, die armen Menschen ganz besonders, aber auch die Menschen des Mittelstands, weil sie nicht mehr wissen, wie sie weitertun sollen. Jede dritte Familie in Österreich kann sich keinen Urlaub leisten, und das ist ein Zeichen dafür, dass etwas ganz, ganz schiefläuft.

Ganz ehrlich gesagt: Warum schauen Sie nicht auf die Pensionistinnen und Pensionisten? Da ist die Armut leise, da ist sie schleichend. (Zwischenruf des Bundesrates Schachner.) Da ist sie bei vielen angekommen, die nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, und wenn sie nicht die Unterstützung ihrer Familien hätten, wären sie schon wirklich in ihrer Existenz bedroht. Das sind Tatsachen, die tun weh, und da ist hinzuschauen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf darauf hinweisen – weil die Frauen hier so gar nie Thema sind, und das ist nicht gut –: Der Pensionsunterschied zwischen Frauen und Männern liegt in Österreich im Durchschnitt bei 40,5 Prozent. Das ist viel zu hoch, das bedeutet die Gefahr oder einfach die Realität der Altersarmut von Frauen. Das muss uns alarmieren, das muss uns Sorgen machen, das muss uns im Zusam­menhang mit dieser Teuerung wirklich Sorgen machen. Da ist hinzuschauen, und zwar ganz dringend. Der Ausbau der Kinderbildungseinrichtungen (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) ist nicht eine Spielerei, das ist etwas Essenzielles, um Frauen die Chance zu geben, ihren Lebensweg so zu gestalten, wie sie es wollen. Das ist wichtig und das wollen wir. (Beifall bei der SPÖ.)

Und natürlich, die Menschen haben Sorgen um die Gesundheitsversorgung – völlig zu Recht! Wir haben eine älter werdende Gesellschaft. Die Menschen sagen: Wie schaut es denn bei mir aus? Werde ich die Pflege bekommen, die ich brauchen werde? Wie schaut es denn mit der Gesundheitsversorgung aus? Ist diese von meinem Geldbörsel abhängig (Bundesrat Kornhäusl: Wir hatten gestern das PVE-Gesetz!) – wir haben zugestimmt! (Bundesrat Kornhäusl: Danke!) –, oder kann ich mich auf das System verlassen, das gerade wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erkämpft haben: das Recht auf eine Gesundheitsver­sorgung, die für alle da ist und die unabhängig davon ist, wie viel ich in meinem Geldbörsel habe?

Dafür werden wir weiter kämpfen (Bundesrat Kornhäusl: Das tun wir eh gemein­sam!), und da ist etwas auseinandergegangen, das unglaublich ist: Sie haben in der Sozialversicherung ganz einfach die Selbstverwaltung entmachtet, und zwar radikal. Jetzt haben die Arbeitgeber das Sagen und bestimmen über die Beiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das war nicht der richtige Weg. Das war der falsche Weg, und das ist der Grund, warum es im Gesundheits­system jetzt so ausschaut, wie es ausschaut. Die Patientenmilliarde, die damals versprochen wurde, ist verpufft, die gibt es nicht. (Bundesrat Schachner: Ja!) Im Gegenteil: Wir haben ein Minus und eine schwere Belastung im Gesundheitssystem.

So kann man nicht umgehen. Gut funktionierende Systeme zu zerstören ist nicht der Weg, wie man das machen kann. Die Menschen haben ein Recht auf beste Gesundheitsversorgung und sie haben ein Recht, darauf vertrauen zu können, dass die Pflege für sie bereitstehen wird, damit sie ein gutes und positives Alter haben. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: So ist es!)

Eines sei noch gesagt – Herr Bundesrat Obrecht hat es ja in seiner wunderbaren Rede schon so gut gesagt. (Die Bundesräte Kornhäusl und Buchmann: Ja, wunderbar! – Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Ja, ja!) – Es war eine großartige Rede, und er hat es so richtig gesagt: Sie richten den Arbeitnehmer:innenver­treter:in­nen der Gewerkschaft aus, sich bei den Lohnverhandlungen in Zurückhaltung zu üben. – Also ganz ehrlich, das haben Sie bereits letztes Jahr getan, und die Gewerkschaften haben gewusst, sie müssen jetzt etwas für die Menschen und für die Stärkung der Kaufkraft tun. Dass die Kaufkraft in diesem Land wirklich noch erhalten geblieben ist, ist einzig und allein der Gewerkschaft und den Kollektivvertragsverhandlungen zu verdanken, die so erfolgreich verlaufen sind.

Ich darf Ihnen schon mitgeben – auch wenn der Finanzminister so gerne ausrichtet: Jetzt haltet euch aber zurück! –: Es geht nicht! Die Menschen haben zu wenig im Geldbörsel, sie kommen mit dem, was sie verdienen, nicht mehr aus. Da müssen wir kämpfen, da müssen wir für Lohnerhöhungen kämpfen, das ist doch selbstverständlich.

Und eines ist für mich ganz erstaunlich: Herr Nehammer hat selbst gepostet – oder hat halt posten lassen –: Für die Volkspartei ist klar, Familien und niedrige Einkommen müssen in Zeiten der Teuerung besonders entlastet werden. – Wunderbar! Die Maßnahmen, die er da anführt, sind wunderbar, und als letzten Punkt der Maßnahmen führt er an: Gehaltserhöhung und Kollektivvertrag. – Na, ich bin erstaunt! Die ÖVP verhandelt die Kollektivverträge – das ist mir neu. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Auf der einen Seite brüsten Sie sich mit Gehaltserhöhun­gen, für die Sie nicht gekämpft haben, und auf der anderen Seite richtet der Finanzminister aus, man möge sich jetzt bitte in Lohnzurückhaltung üben. – Ja, geh bitte! (Heiterkeit des Bundesrates Schachner.) Das durchschaut man doch absolut, das ist nicht der Weg, wie man damit umgeht.

Wir wollen für die Beschäftigten in diesem Land ein gutes Einkommen. Wir wollen für die Pensionistinnen und Pensionisten ein Leben, das positiv ist.

Bezüglich junger Menschen (Bundesrat Tiefnig: Was für Maßnahmen setzen wir?): Gestern haben wir die Statistik bekommen, wie es mit den Ängsten der jungen Menschen ausschaut: Die jungen Menschen fürchten sich vor der Teuerung, vor der Inflation, vor dem Krieg und vor dem Klimawandel – und das ist ernst zu nehmen! Das ist keine Spielerei, und da lässt sich nicht mit Taferln dagegenhal­ten, sondern da sind Handlungen zu setzen und Wege zu finden, damit man jungen Menschen eine Perspektive gibt. Das ist unser aller Aufgabe, im Beson­deren aber die Aufgabe dieser Regierung.

Noch eines sei gesagt, auch in der Nachlese der gestrigen Sitzung, die aus meiner Sicht kein Ruhmesblatt des Bundesrates war, sondern im Gesamtbild eher eine wirklich negative Sitzung: Ich glaube, es ist nicht gut, die Gesellschaft noch weiter auseinanderzudividieren. Wir haben jetzt schon große Spaltungen in der Gesellschaft. Wenn man weiter auseinanderdividiert und sagt: Es gibt jene, die normal denkend sind, und jene, die nicht normal denkend sind!, was denkt man sich da dabei? Noch weiter die Gesellschaft auseinandertreiben – wer definiert, wer normal denkt, und wer definiert, wer nicht normal denkt? (Bundes­rat Schennach: Die Frau Mikl-Leitner! – Ruf: Die FPÖ!) –, das ist nicht klug! (Beifall bei der SPÖ.)

Es sei klar gesagt: Es geht nur gemeinsam. Es gibt verschiedenste Lebens­entwürfe, es gibt verschiedenste sexuelle Orientierungen, und diese haben ein Recht, ein grundsätzliches Recht (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder), ihre Lebensform zu leben, wie sie wollen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Kornhäusl.)

Wir machen niemanden lächerlich und wir sagen niemandem: Das ist normal, das ist nicht normal! – Es muss ein Recht für alle geben. Wir sind eine liberale, eine offene und eine demokratische Gesellschaft. Wir als Sozialdemokratie werden uns sicher nicht daran beteiligen, dass man Gruppen auseinanderdividiert, sondern wir sagen: Es gäbe einen anderen Weg! Es gäbe Wege, die Situation der Menschen positiver zu gestalten. Wir haben Antworten darauf. Wir sagen nicht: Wut, Hass und Angst sind der Weg, wie man die Menschen in diesem Land voranbringt! – Nein, daran glauben wir nicht. Wir glauben an eine Zukunft, wir glauben an eine positive Zukunft, wir glauben, dass eine positive Zukunft möglich ist, gemeinsam, in der gesamten Bandbreite der Bevölkerungsstruktur unseres Landes. Nicht Hass ist der Weg, sondern ein Gemeinsames und ein Zusammen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.28

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Himmer zu Wort gemeldet. – Bitte. (Bundesrat Schennach: Das Recycling! – Ruf bei der SPÖ: Endlich!)