Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Guten Morgen, Frau Ministerin! Die erste Frage ist:

1943/M-BR/2023

„Welche Strategien verfolgt das BMK zum schnellstmöglichen Ausstieg vor allem aus russischem Erdgas?“

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank! Ich freue mich auf die heutige Fragestunde im Bundesrat.

Zu Beginn des russischen Krieges in der Ukraine betrug die Abhängigkeit von russischen Gasversorgern etwa 80 Prozent; das ist mittlerweile eine sehr bekannte Zahl in Österreich. Wir haben die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen im Lauf des Krieges und im Lauf dieser Krise durch umfassende Maßnahmen der Bundesregierung bereits stark reduzieren können; von August 2022 bis Juli 2023 betrug der Anteil der russischen Pipelinelieferungen an den österreichischen Gasimporten im Schnitt 50 Prozent. Nur damit hier ja keine Missverständnisse aufkommen: Das ist natürlich nach wie vor zu hoch. Wir müssen auch der Wahrheit ins Auge sehen: Jeder Kubikmeter Gas, den wir von Russland beziehen, finanziert auch den Angriffskrieg in der Ukraine mit.

Der Ausstieg aus russischem Gas hat daher bei der Herstellung von Energiesicherheit für Österreich höchste Priorität. Folgende Maßnahmen haben wir bereits getroffen: das Gasdiversifizierungsgesetz, mit dem die Kosten für Lieferung und Einsatz von Erdgas aus nichtrussischen Quellen gefördert werden; wir unterstützen die Teilnahme österreichischer Unternehmen an der EU Energy Platform, dem gemeinsamen Gaseinkauf; heute im Anschluss diskutieren Sie im Plenum des Bundesrates die fünfte GWG-, also Gaswirtschaftsgesetz-Novelle seit Beginn des russischen Angriffskriegs, die wieder Diversifizierungsanreize enthält, und natürlich geht es auch um den Ausbau der Gasinfrastruktur.

Natürlich, und das möchte ich an dieser Stelle auch sagen, kommt den Versorgern eine wichtige Rolle zu, denn sie müssen in einem liberalisierten Markt auch Verantwortung für ihre Kunden und Kundinnen übernehmen und die Versorgung sicherstellen.

Wir müssen aber mit der Unabhängigkeit von russischem Erdgas auch die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern insgesamt anstreben: für die Klimaneutralität, aber auch für die Resilienz der österreichischen Energiewirtschaft. Generell geht es da um den begleitenden Ausbau von erneuerbaren Energieträgern sowie um Energieeffizienz. – Um nur drei Maßnahmen in diesem Bereich zu nennen:

Erstens die Umsetzung des Bundes-Energieeffizienzgesetzes – das haben wir im Frühjahr 2023 beschlossen –; zweitens die Verbrauchsreduktion, weil sich natürlich die Krisenfestigkeit erhöht, je geringer der Gasverbrauch und damit die Importabhängigkeit ist – auch das ist uns bislang gut gelungen; wir haben im Vergleich zum Durchschnitt der letzten fünf Jahre in den vergangenen zwölf Monaten 14 Prozent weniger Gas verbraucht, im September waren es sogar 27 Prozent unter dem fünfjährigen Durchschnitt –; und wir haben drittens eine Reihe von Maßnahmen zum raschen Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt: UVP-Gesetz, Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, die Marktprämie für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren und eine Förderung für den Heizungstausch: Raus aus Öl und Gas.

Sukkus: Wir können den Ausstieg aus russischem Erdgas bis 2027 schaffen, wenn alle Beteiligten ihre Verantwortung übernehmen.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Es wird eine gewünscht.

Ich bitte die Technik noch einmal, wegen der Akustik zu schauen. Ich glaube, vorne versteht man wenig, habe ich das jetzt richtig vernommen? Könnten wir bitte noch einmal einen kurzen Blick darauf werfen? – Danke.

Bitte, Herr Bundesrat Gross.

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Die Zusatzfrage ist: Was sind die wichtigsten Fördermaßnahmen für Bürgerinnen und Bürger und auch für die Wirtschaft zum Umstieg von fossilen Energieträgern, also vor allem von Gas, auf erneuerbare Energieträger?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank, das beantworte ich natürlich sehr, sehr gerne. Der Ausbau der Erneuerbaren und die Steigerung der Energieeffizienz sind wesentliche Säulen bei der Unabhängigkeit von russischem Erdgas. Wir sehen, dass die Menschen das auch wollen. Wir haben alleine von 2022 auf 2023 insgesamt 35 000 Zählpunkte weniger bei den Gasthermen, also das heißt, die Menschen sind dabei und wollen raus aus der Abhängigkeit von Erdgas.

Mit dem Erneuerbaren-Wärme-Paket wollen wir das mit insgesamt durchschnittlich 75 Prozent der Investitionskosten als Förderung natürlich noch zusätzlich unterstützen. Die konkreten Förderbedingungen werden in den nächsten Tagen bekannt gegeben.

Für Betriebe gibt es die Umweltförderung im Inland. Was das Portfolio insgesamt anlangt – ich glaube, man könnte es einfach so sagen: Es gibt nichts, was positive Umwelteffekte hat, was über die Umweltförderung im Inland nicht gefördert wird. Das reicht von der Prozessenergie über innovative Nahwärmenetze bis zu solaren Großanlagen, Hochtemperaturwärmepumpen – you name it. Es gibt noch ein neues Programm, Transformation der Industrie, das sich explizit auf die Produktion in der energieintensiven Industrie in Österreich bezieht, um dort Klimaneutralität zu erreichen. Das ist in Summe mit rund 3 Milliarden Euro bis 2030 im UFG verankert und ein wichtiger Beitrag für die Entwicklung Österreichs zu einem modernen, zukunftstauglichen Industriestandort. (Bundesrat Gross: Danke!)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Mag. Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP, Vorarlberg): Guten Morgen auch von meiner Seite! Werte Frau Bundesministerin, wie werden Sie gewährleisten, dass die für die Belieferung mit nichtrussischem Gas, also zum Beispiel norwegischem Gas, notwendigen Leitungskapazitäten zwischen Deutschland und Österreich sichergestellt und ausgebaut werden? Also aktuell haben wir noch eine Engstelle oder einen Flaschenhals, den sogenannten WAG-Loop 1, also West-Austria-Gasleitung, dabei handelt es sich ja um ein fehlendes 40 Kilometer langes zusätzliches paralleles Leitungsstück zwischen der deutschen Grenze und dem Großraum Linz. Was ist da vorgesehen?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Danke auch für diese Frage. Der WAG-Loop wird ja auch gerade intensiv diskutiert, es ist tatsächlich ein technischer Flaschenhals.

Sie haben das ja in Ihrer Fragestellung schon zusammengefasst. Es geht um den Abschnitt von Oberkappel bis Bad Leonfelden, im ersten Schritt um 40 Kilometer Leitungsstrang. Der Ausbau dieses Teilstücks ist tatsächlich von zentraler Bedeutung, um die Versorgung aus Deutschland sicherzustellen und langfristig auf stabilere Beine zu stellen, denn durch den Ausbau dieses Teilstücks kann deutlich mehr Gas aus Deutschland nach Österreich geliefert werden. Die WAG ist bis jetzt optimiert auf den Fluss von Ost nach West, und das muss sich jetzt ändern zum Fluss von West nach Ost.

Die E-Control, also die Regulierungsbehörde, hat diesen Ausbau im Sommer genehmigt. Damit verbunden ist auch eine Verpflichtung des Gasnetzbetreibers, also der GCA, die Maßnahme umzusetzen. Diese Genehmigung umfasst auch den Anspruch der GCA auf Abdeckung der Kosten, wenn es keine ausreichenden Buchungen gibt, das heißt, das wirtschaftliche Risiko ist hiermit genommen. Es gibt also keinen Grund mehr, länger zu warten. Die Versorgungssicherheit des Landes hat allerhöchste Priorität.

Jetzt geht es darum, zu bauen, und ich bin als Ministerin, ebenso wie es natürlich das Ministerium auf Expertenebene ist, in laufendem Kontakt mit allen Beteiligten, damit wir rasch in die Umsetzung kommen, ein UVP-Antrag eingereicht wird und die nächsten Schritte gesetzt werden.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Die E-Control kritisiert aber gleichzeitig, dass eben die entsprechenden Bauaufträge nicht erfolgt sind.

Aber zu einem ganz anderen Thema: Die Landeshauptleutekonferenz hat eine Novellierung des Energielenkungsgesetzes gefordert. Das Ausbleiben von Gas kann einen derartigen Energielenkungsfall hervorrufen. Bis wann werden Sie dem Beschluss der Landeshauptleutekonferenz nähertreten und eine diesbezügliche Novelle auf den Weg bringen?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben das Thema Energielenkung im letzten Jahr glaube ich so intensiv diskutiert wie in noch keiner anderen Gesetzgebungsperiode der Zweiten Republik – aus gutem Grund: Wir als Republik mussten erkennen, dass Entscheidungen der Vergangenheit dazu geführt haben, dass wir uns erpressbar und von russischen Gaslieferungen abhängig gemacht haben und dass ein Despot im Kreml darüber entscheiden kann, ob unsere Industrie produziert oder nicht.

Deswegen verfolgen wir all die bereits erwähnten Bemühungen, um davon unabhängig zu werden. Für den äußersten Notfall ist die Energielenkung das Instrument, um sicherzustellen, dass wir eine Krise gesamtvolkswirtschaftlich gesehen bestmöglich meistern.

Wir haben dieses Thema nicht nur bei den Landeshauptleuten, sondern auch in der letzten Konferenz der Landesenergiereferenten und -referentinnen diskutiert. Wir sind dort so verblieben: Wir haben im Herbst noch eine gemeinsame Übung mit den Bundesländern, auch um sozusagen im Trockentraining Energielenkungsfälle zu proben. Das passiert regelmäßig, aber in den letzten eineinhalb Jahren natürlich vermehrt. Aus diesem Praxistest werden wir dann ableiten, wo konkret es eventuell auch in der gesetzlichen Basis noch Nachbesserungsbedarf gibt. Sie können davon ausgehen, dass wir in dem Bereich sehr intensiv mit den Bundesländern zusammenarbeiten, um bestmögliche Lösungen zu finden.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Wunderschönen guten Morgen! Frau Minister, wenn diese Regierung samt Europäischer Union das Gas aus Russland verbannen will, dann brauchen wir eine sichere, eine leistbare und natürlich auch unabhängige Alternative für unsere heimische Wirtschaft, für die Industrie und natürlich auch für unsere Landsleute. Wir verfügen in Österreich selbst über einen Gasschatz, der nur darauf wartet, gehoben zu werden. Berechnungen zufolge könnte uns dieses Gas im Weinviertel für 30 Jahre und länger unabhängig machen.

Frau Minister, wann gedenken Sie, dieses Projekt Energieautarkie durch Gas aus Niederösterreich anzugehen?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank für diese Frage. Sie wissen, wir fördern in Österreich, vor allem in Niederösterreich, fossiles Erdgas im Ausmaß von derzeit circa 10 Prozent des österreichischen Gasverbrauchs.

 Sie wissen auch, der Gasmarkt ist ein liberalisierter Markt. Das heißt, es sind Unternehmen, die Gas fördern, es sind Unternehmen, die Gas verkaufen, es sind Unternehmen, die Gas liefern und verarbeiten. Insofern geht es da auch um entsprechende Anträge und Projekte, die Unternehmen entwickeln.

Ich kann Ihnen aber auch sagen: Klimaneutralität auf diesem Kontinent – gesetzlich verankert bis 2050, Klimaneutralität in Österreich bis 2040 – heißt Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Das heißt natürlich auch, es macht aus betriebswirtschaftlicher Sicht – aber das müssen natürlich die Unternehmen entscheiden – nur dann Sinn, wenn Gasvorkommen in einer Krisensituation, so wie jetzt, rasch verfügbar sind. Wenn sie erst 2040 entwickelt sind, dann wird man nämlich in Österreich mit Erdgas kein Geschäft mehr machen und 2050 in Europa kein Erdgas mehr verkaufen können. Ich gehe davon aus, dass das in die Überlegungen der Unternehmen auch entsprechend miteinfließt.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen jetzt zur 2. Anfrage, 1944/M-BR/2023. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Markus Stotter, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte.