Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage wäre:

1945/M-BR/2023

„Wie funktioniert die Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsstrategie?“

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herzlichen Dank, und wirklich danke, dass wir dieses Thema in den Bundesrat bringen, denn wir reden meiner Meinung nach zu wenig darüber.

Warum? – Wir haben aus gutem Grund– darüber reden wir viel – die Energiewende als zentrales Projekt zum Klimaschutz – also raus aus den fossilen, rein in die erneuerbaren Energien –, aber rund die Hälfte der Emissionen entsteht in der Produktion, im Verbrauch, in der Entsorgung von Gütern, in der Gewinnung von Rohstoffen. Das heißt, ohne Kreislaufwirtschaft werden wir die Energiewende und den Klimaschutz nicht stemmen.

Deswegen war der Beschluss der österreichischen Kreislaufwirtschafts­strategie ein ganz, ganz wesentlicher Schritt im letzten Jahr. Wir haben darin konkrete Zielvorgaben, die wir erreichen wollen, und Maßnahmen – ich fokussiere jetzt auf die Maßnahmen, die wir im BMK schon gesetzt haben –, das ist zum Beispiel die Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes mit dem Einwegpfand, die Einführung einer verbindlichen Mehrwegquote im Getränke­bereich – eine wichtige Maßnahme zur Abfallvermeidung und zugunsten des Kreislaufs –, oder der Reparaturbonus flächendeckend, eine enorm beliebte Maßnahme; wir haben bis jetzt 710 000 Reparaturen unterstützt, das übersteigt alle unsere Erwartungen.

Warum ist das so wichtig? – Weil es Reuse und Lebensdauerverlängerung in den Vordergrund stellt, damit werden Rohstoffe und Energie in der Neuproduktion gespart. Wir haben eine Forschungsinitiative Kreislaufwirtschaft, wir haben bei der FFG einen Schwerpunkt auf die Förderungen zur Kreislaufwirtschaft gelegt.

In Wien gibt es ein sogenanntes Circularity Lab, einen Ort, wo Unternehmen, Politik, Förderinstitutionen, Verwaltung und Zivilgesellschaft, Start-ups und Wissenschaft zusammenkommen, um konkret Kreislaufwirtschaftsprojekte gemeinsam zu ermöglichen.

Ein Thema, an dem wir gerade im BMK arbeiten, ist der Bereich Bauen, denn einer der wichtigsten und mengenmäßig größten Materialströme sind die Baustoffe und die Baureststoffe. Die öffentliche Hand ist ein wichtiger Akteur im Bauwesen, also wir haben großen Einfluss darauf, wie die Entwick­lung beim Straßen- und Bahninfrastrukturbau ist. Dort sind wir der dominie­rende Auftraggeber. Deswegen überarbeiten wir gerade die Kriterien für Hoch- und Tiefbau im Nationalen Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaf­fung, um eben da auch wieder einen neuen Schritt zu setzen.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Es gibt ja auch die Taskforce Kreislaufwirtschaft. Mich würde interessieren: Wie ist diese zusammengesetzt?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Gerne. Martin Kocher und ich haben gemeinsam ein Beratungsgremium installiert, das aus Expertinnen und Experten aus Unternehmen, aus der Zivilgesellschaft und aus der Wissenschaft besteht, um die Umsetzung der Strategie zu begleiten, um konkrete Vorschläge zu machen, um legistische Anpassungsbedarfe aufzuzeigen und auch um Input für den jährlichen Ministerratsvortrag zum Thema zu liefern.

Wer ist da drinnen? – Von wissenschaftlicher Seite haben wir vier Themen­bereiche abgedeckt. Ökodesign: Prof. Wimmer von der TU Wien, Abfall­verwertungstechnik und -wirtschaft: Prof. Pomberger von der Montanuniversität Leoben, für die sozialwissenschaftlichen Aspekte: Nina Eisenmenger von der Boku und für die Bioökonomie: Dr. Greimel von der Boku. Für die volkswirtschaft­lichen Auswirkungen – Entschuldigung, es sind fünf wissenschaftliche Aspekte – ist es Sigrid Stagl von der WU.

Es ist die Wirtschaft mit vier Unternehmensvertretungen drinnen: die Voest, Greiner in der Kunststoffindustrie, Rhomberg im Bau und Brantner aus der Entsorgung. Wir haben den Vorsitz mit der Expertin Karin Huber-Heim besetzt, die sich aber darüber hinaus bemüht, andere Unternehmen in ihrer Vielfalt in die Taskforce einzubinden.

Seitens der Zivilgesellschaft sind Re-Use Austria und die Landjugend vertreten, aber auch andere Ministerien, denn – natürlich – Kreislaufwirtschaft geht weit über das BMK hinaus; das heißt, wir haben dort das Wissenschaftsminis­terium, das Sozialministerium, das Landwirtschaftsministerium und auch das Wirtschaftsministerium in dieser Taskforce drinnen.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Vielen Dank.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Mag.a Sandra Gerdenitsch zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Guten Morgen! Frau Ministerin, wie stellen Sie sicher, dass die dem Einzelhandel durch Anschaffung, Logistik und Verwaltung entstehenden Kosten für das ab 1.1.2025 geltende Einwegpfandsystem nicht über Preiserhöhungen an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Wir haben mit dem Einwegpfand ein System, das es in vielen anderen europäischen Ländern schon jahrelang und gut etabliert gibt. Dementsprechend können wir aus vielen guten Erfahrungen, auch aus den weniger guten Erfahrungen aus anderen Ländern lernen und haben das im Set-up des Systems natürlich sehr intensiv berücksichtigt.

Das eine ist, dass wir im Aufsetzen der Pfandgesellschaft sowie in den Aufsichts­pflichten und in den Aufsichtsrechten des Ministeriums sehr klare Regelungen hatten und für die Zukunft haben. Ich freue mich auch sehr, dass uns insbeson­dere ein ausgewiesener Experte der Arbeiterkammer dabei unterstützt und wir mit Wettbewerbs- und Gesellschaftsrechtler:innen auch im System die notwendige Expertise haben, um wirklich ganz genau hinzuschauen, den Finger ganz genau in alle möglichen Wunden zu legen, sodass das System wasserdicht funktioniert und funktionieren kann.

Natürlich entsteht – Sie haben es richtig erwähnt – den Unternehmen durch die Abwicklung, das Handling, die Arbeitsleistung, die in der Sortierung notwendig ist, in der Umstellung der Logistik ein Aufwand. Dieser Aufwand wird, wie in allen anderen Ländern auch, durch eine Handlingfee abgegolten. Diese wird aber aus dem System finanziert.

Wie läuft das? – Die Inverkehrsetzer – hoffentlich sage ich das jetzt richtig – ersparen sich Gebühren beim Sammel- und Verwertungssystem, zahlen diese aber in das Pfandsystem ein. Das ist ein Beitrag zur Finanzierung dieses Systems, und damit stellen wir auch sicher, dass die Geldkreisläufe im Pfand­system eine geschlossene Gruppe sind – Entschuldigung, das ist jetzt nicht der richtige Ausdruck –, aber dass sich das eben aus dem System finanzieren kann.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Günter Pröller zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Günter Pröller (FPÖ, Oberösterreich): Frau Minister! Ein Ziel der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie ist die Verminderung des Ressourcenverbrauchs. Zum Beispiel benötigt die Erzeugung eines Windrades oder eines Akkus für ein E-Auto eine Vielzahl mineralischer Rohstoffe: Eisen, Kupfer, Nickel, Lithium und seltene Erden. Diese Rohstoffe sind nicht alleine aus Recycling zu bedecken. Rohstoffe wie Iridium oder Germanium, die noch vergleichsweise neu sind, passen quasi gar nicht in den Rohstoffkreislauf und können daher gar nicht so gut recycelt werden.

Es benötigt also einen kontinuierlichen Abbau mineralischer Rohstoffe, und beim Abbau kommt es leider sehr häufig zu Menschenrechtsverletzungen. Frau Minister, aus welchen Ländern werden wir die notwendigen – ohne Menschen­rechtsverletzungen beim Abbau – Rohstoffe importieren, um nicht auch in Zukunft abhängig von den Rohstoffländern zu sein?

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sie nehmen hier einen sehr wichtigen Teil unserer Arbeit ins Visier, denn wir müssen tatsächlich danach trachten, die Fehler, die wir in der Vergangenheit gemacht haben – nämlich beim Abbau der fossilen Rohstoffe –, nicht in einer erneuerbaren Kreislaufwirtschaft zu wiederholen. Ich weiß nicht, ob sich schon jemals jemand Bilder aus dem Niger­delta angesehen hat, wie dort indigene Völker vertrieben wurden, wie wir dort die Umwelt mit der Ölförderung zerstört haben, was das für einen massiven Schaden angerichtet hat. Natürlich geht es jetzt darum, diese Dinge in einer Umstellung auf ein erneuerbares und kreislaufwirtschaftsfähiges Wirtschafts­system zu vermeiden.

Ich kann es am Beispiel Batterien ausführen. Wir haben auf der europäischen Ebene eine Verordnung verabschiedet, die Batterienrichtlinie – Entschuldigung, natürlich Batterienverordnung; ich habe gerade über die korrekte Rechtsform nachgedacht –, die Batterienverordnung, die sich ganz intensiv mit diesem Thema beschäftigt, nämlich: Welche Standards müssen in der Lieferkette einge­halten werden, sowohl arbeitsrechtliche als auch Umweltstandards? Welche Transparenzpflichten müssen im Produkt vorhanden sein, also darstellbar sein? Das heißt, die Kund:innen und Konsumentinnen und Konsumenten kön­nen die notwendige Info über die Batterie erhalten bis hin zu: Wer ist verant­wortlich für welchen Teil der Wiederaufbereitung, des Recyclings et cetera?

Dazu kommen Verpflichtungen zum Beispiel aus dem Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, auch in ihrer Lieferkette dafür zu sorgen, dass die Standards eingehalten werden. Was mich auch freut, ist, dass sich etliche der großen Rohstoffländer und Abbauländer auch auf internationaler Ebene gerade in einer Initiative zu Responsible Mining formieren, denn natürlich geht es ja nicht nur darum, Mindeststandards einzuhalten, sondern darüber hinauszugehen.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Dr.in Maria Huber zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Dipl.-Ing. Dr. Maria Huber (Grüne, Steiermark): Sehr geehrte Frau Ministerin! Welchen Beitrag leistet die Kreislaufwirtschaftsstrategie für den Klimaschutz? Vielleicht möchten Sie dazu noch ein bisschen etwas ergänzen.

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe tatsächlich bei der ersten Frage schon die eine Zahl erwähnt, die ich auch öffentlich immer nenne, nämlich: Die Energiewende, den Klimaschutz werden wir ohne einen Blick auf die Treibhausgasemissionen aus der Rohstoffgewinnung, aus der Verarbeitung, aus dem Recycling, aus der Abfallentsorgung nicht schaffen können. Das betrifft rund 50 Prozent der Emissionen. Da sehen wir wieder, wie wichtig es ist, dass wir die Themen Klimaschutz, Ressourcenverbrauch und Biodiversität zusammen denken. Wir brauchen erneuerbare Energien, um die Treibhausgas­emissionen aus den fossilen Energien zu vermeiden. Wir brauchen biogene Rohstoffe, um fossile Materialien zu ersetzen. Diese brauchen aber intakte Ökosysteme, damit sie überhaupt entstehen können.

Das System ist krisenfester, je intakter die Biodiversität ist. Das heißt, die Dinge hängen einfach miteinander zusammen, deswegen muss man sie auch gemeinsam betrachten. Ohne Ressourcenwende geht es aber nicht, diese können wir im Klimaschutz nicht außen vor lassen, und daher freut mich natürlich jeder Schritt in diese Richtung – und 710 000 Reparaturbons freuen mich so richtig. (Bundesrätin Huber: Vielen Dank!)

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, 1951/M-BR/2023. Ich bitte die Anfragestellerin, Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster, die Anfrage zu verlesen. – Bitte.