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Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Hohes Haus! Gestern vor einem Monat fand dieser bestialische Angriff auf die israelische Zivilbevölkerung in Israel statt, durchgeführt von einer Terrororganisation mit dem klaren Befehl, möglichst viele Jüdinnen und Juden auf möglichst bestialische Art und Weise zu ermorden, zu massakrieren, zu vergewaltigen, zu verschleppen. Seit dem Holocaust sind nicht so viele Jüdinnen und Juden an einem einzigen Tag getötet und verschleppt worden.
Morgen gedenken wir hier in Österreich der Novemberpogrome aus dem Jahr 1938, 85 Jahre danach. Dennoch sehen wir genau jetzt, hier und heute in Wien, in Österreich, auch in Europa Szenen, die ich persönlich für nicht möglich gehalten hätte, die an die dunkelsten Kapitel in dieser Geschichte erinnern. Wir sehen, dass jüdische Wohnungen und Häuser mit dem Davidstern markiert werden. Wir hören, dass Jüdinnen und Juden Angst haben, ihre Kinder in den Kindergarten und in die Schule zu bringen. Wir hören Aufrufe, dass sie ihre jüdischen religiösen Symbole nicht mehr tragen sollen. All das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Wir haben heute im Ministerrat eine Reform und Verschärfung des Verbotsgesetzes, des Symbole-Gesetzes und des Abzeichengesetzes beschlossen – ein wichtiges Paket, das unter anderem auch in die Nationale Strategie gegen Antisemitismus eingebettet ist, die wir bereits im Jänner 2021 nach Vorarbeiten im Jahr 2020 präsentiert haben und die auch europaweit zu einem Vorzeigemodell geworden ist.
Die erste darin enthaltene Maßnahme ist der Beschluss, das jüdische Leben hier in Österreich zu fördern und das Ganze auf eine gesetzliche Basis zu stellen, also das heute auch hier zu beschließende reformierte Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum tun wir das alles? Warum setzen wir all die Maßnahmen? – Schlicht und ergreifend weil es notwendig ist. Es ist notwendig, Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen, egal ob von rechts, von links, ob Antizionismus oder importierten Antisemitismus, zu bekämpfen. Niemals wieder ist genau jetzt. Es ist jetzt die Zeit für jede und jeden in diesem Land, aufzustehen und Antisemitismus aufzuzeigen, Zivilcourage zu beweisen, die Polizei zu verständigen, darauf hinzuweisen, wenn er in Worten oder auch in Taten gesetzt wird.
Wir haben im Jahr 2021 eine unglaublich hohe Zahl an antisemitischen Vorfällen gehabt. Wir haben es geschafft, diese Zahl im Jahr 2022 um rund ein Drittel zu reduzieren, und wir erleben seit dem 7. Oktober einen Anstieg von 300 Prozent und von 350 Prozent in den sozialen Medien im Internet. Ich kann nur all jenen in Österreich, die hier Hass verbreiten, die hier derartige Taten unterstützen, gar gutheißen und glorifizieren, sagen: Schämt euch! Schämt euch für diesen Hass und schaut genau hin, wohin dieser Hass führt! Er führt zu einer Spaltung und Aufwiegelung der Gesellschaft. Er führt dazu, dass unsere Werte unter Druck kommen, dass wir alle aufstehen müssen, um diese Werte, unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat, zu verteidigen. Wehret den Anfängen!, ist wohl niemals aktueller gewesen – so traurig es ist, das sagen zu müssen – als in diesen Tagen.
Mit dem heutigen Beschluss, auch hier im Bundesrat, der Aufstockung des Budgets zur Förderung von jüdischem Leben, auch zum Schutz und der Sicherheit jüdischen Lebens von 4 auf 7 Millionen Euro tragen Sie einen wesentlichen Teil zur Sicherheit bei. Österreich war bis zum 7. Oktober ein sicherer Ort für Jüdinnen und Juden, und Österreich muss auch weiterhin dieser sichere Ort für Jüdinnen und Juden bleiben. Das ist unsere Verantwortung, das ist Teil unserer Staatsräson und das ist unsere Aufgabe. Ich danke auch all jenen, die das hier in sehr deutlichen Worten zum Ausdruck gebracht haben. Jetzt ist es Zeit, hinauszugehen und auch all den Menschen da draußen zu sagen, dass wir, und zwar jeder Einzelne, dafür mitverantwortlich sind, dass wir auch weiterhin in Österreich in Frieden leben können. Wir sind ein Land des Friedens und wir wollen es weiterhin bleiben. Danke auch all jenen, die darauf hingewiesen haben, dass das über die Parteigrenzen hinweg eine Notwendigkeit ist, eine Notwendigkeit in einer sehr schwierigen und herausfordernden Zeit.
Im Nationalrat ist dieser Beschluss einstimmig erfolgt, und ich gehe davon aus, dass auch hier im Bundesrat kein Einspruch gegen dieses Gesetz erhoben wird. Ich bitte Sie wirklich, auch diese Message hinauszutragen. Stehen wir zusammen und sorgen wir dafür, dass Österreich weiter ein sicherer Ort für jeden bleibt und dass sich weder eine Jüdin noch ein Jude oder irgendjemand anderer in diesem Land fürchten muss! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesräte Spanring und Arlamovsky.)
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