11.52

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frauen Staatssekretärinnen! Herr Staatssekretär! In dieser Debatte haben wir nicht nur sieben Tagesordnungspunkte zusammengefasst, sieben Gesetze, sondern eines davon ist auch noch ein Sammelgesetz, über das man hier nicht einmal in einer zweiten Lesung getrennt abstimmen, sondern zu dem man nur am Schluss Pro oder Contra geben kann. Ich möchte trotzdem ein bisschen differenzierter auf das Sammelgesetz, das Budgetbegleitgesetz, eingehen und drei Punkte hervorheben, bei denen wir NEOS dafür wären, wenn sie separat abgestimmt werden würden, bei denen wir auch im Nationalrat bei der zweiten Lesung pro abgestimmt haben.

Der eine Punkt sind die finanziellen Mittel für die Rehabilitierung und Entschädigung von Personen, die in der Zweiten Republik wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte strafrechtlich verfolgt beziehungsweise verurteilt worden sind. Der zweite Punkt sind die finanziellen Mittel und die rechtliche Absicherung für die Sanierung und Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Gusen. Der dritte Punkt ist die Ausfuhrförderung für die Ukraine. Da wären wir dafür; dem Sammelgesetz können wir aber nicht zustimmen.

TOP 2, das Progressionsabgeltungsgesetz: Der Herr Finanzminister hat vorhin davon gesprochen, dass es sich um eine Entlastung handeln würde. Das ist natürlich nicht richtig, weil eine Entlastung bedeuten würde, dass man weniger Steuern als vorher zahlt, dass die Abgabenquote gesenkt würde. Das ist bei der teilweisen Abschaffung der kalten Progression aber nicht der Fall. Die Lohnsteuereinnahmen steigen trotzdem um 5,2 Prozent, wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe. In Wirklichkeit ist es einfach nur eine geringere zusätzliche Belastung. Das muss man auch anerkennen, also ein Teilerfolg zu zwei Dritteln. Bei der Abschaffung der kalten Progression, die wir seit unserer Gründung gefordert haben, muss man dem Finanzminister einen Teilerfolg anrechnen, den er erzielt hat. Wir sind aber noch nicht am Schluss: Wir wünschen uns natürlich eine komplette Abschaffung der kalten Progression.

Den einzelnen Maßnahmen, die im Rahmen des Progressionsabgeltungsgesetzes vorgeschlagen werden, was zum Beispiel die Überstunden oder die Kinderbetreuung betrifft, stimmen wir zu, aber wir hätten sie gern zusätzlich zur kompletten Abschaffung der kalten Progression.

Zu den zwei Tagesordnungspunkten mit Bezug zur ÖBB: Der erste betrifft die Vorbelastungen für ÖBB-Investitionen. Wir anerkennen grundsätzlich, dass der Netzausbau der öffentlichen Finanzierung bedarf, vor allem auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeiten, die sich aus einer zeitgemäßen Klimapolitik ergeben. Unsere Kritik ist nicht, dass da öffentlich finanziert wird, sondern wie und wofür.

Basis für den ÖBB-Rahmenplan 2024–2029 ist das Zielnetz 2025 plus, das im Wesentlichen aus dem Jahr 2011 stammt und immer nur provisorische Fortschreibungen erfahren hat. Diese Planungsgrundlage ist als Instrument einer qualifizierten Verkehrsplanung fachlich und inhaltlich überholt. Jetzt soll es das Zielnetz 2040 geben, das eigentlich schon seit 2022 angekündigt wird. Letzter Stand ist, dass es Anfang nächsten Jahres in Begutachtung geht. Da bleibt zu überprüfen, inwiefern die Umsetzung der europarechtlichen Entwicklungen des Ausbaus der transeuropäischen Netze für Verkehr gewährleistet wird.

Da dieses Gesetz aber immer noch auf dem alten Zielnetz basiert, gelten unsere Kritikpunkte aus dem Vorjahr weiterhin. Die Kritikpunkte sind im Wesentlichen: Der Rahmenplan schmückt sich angesichts der großen Summen, um die es geht, wieder nicht mit allzu konkreten Zielen. Es gibt nur drei übergeordnete Zielsetzungen. Der Rahmenplan basiert nach wie vor auf stückhaften Planungen, die oft auf Zuruf von Interessenten insbesondere der Landespolitik, das muss ich hier im Bundesrat leider sagen, aufgenommen werden, ohne dass es eine aktuelle integrierte Schienennetzstrategie auf nationaler Ebene und die erforderlichen Abstimmungen auf der internationalen Ebene gibt.

Die Situation der Bahn wird insgesamt, obwohl sie eine nationale Verkehrsinfrastruktur ist, viel zu sehr von partikulären Länderinteressen gestaltet. Da würden wir uns wünschen, dass es flankierend zum Rahmenplan weitere Maßnahmen gibt, nämlich die Konzentration der Zuständigkeit für alle vernetzten Eisenbahnen beim BMK, die Schaffung klarer und langfristiger Raumplanungsinstrumente des Bundes für Infrastruktur von nationaler und internationaler Bedeutung analog zu den regional wirksamen Landesraumplänen und die Vollkonzentration der UVP für vernetzte Eisenbahnen und Bundesstraßen bei einer Bundesbehörde, die auch für erforderliche strategische Umweltprüfungen und Naturverträglichkeitsprüfungen zuständig sein soll.

Weil die Planungsgrundlagen die gleichen sind, gilt natürlich auch die Rechnungshofkritik aus 2021 nach wie vor. Schlagworte dafür: Die ÖBB hält nicht, was sie verspricht; es hat sich über die Jahre über 1 Milliarde Euro angesammelt, die der ÖBB ab 2015 zu viel zugeschlagen wurde; und es gibt eine lange Mängelliste, die der Rechnungshof erstellt hat. Ein Kritikpunkt des Rechnungshofes betrifft auch die Rahmenpläne, die für sechs Jahre gelten, die selten zeitgerecht erstellt und in Kraft gesetzt worden sind, ebenso wie die dazugehörigen Zuschussverträge.

Das bringt mich auch gleich zum nächsten Tagesordnungspunkt, nämlich TOP 4: weitere Vorbelastungen auf der Grundlage der Verkehrsdiensteverträge, die die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH im Auftrag des BMK mit den verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen abschließt. Grundlage dafür ist eine europäische Verordnung, die PSO-Verordnung, die ja für diese Verkehrsdiensteverträge eine Wahlmöglichkeit zulassen würde, eine Wahlmöglichkeit zwischen Direktvergaben und einer wettbewerblichen Ausschreibung.

In Österreich wird aber der Wettbewerb auf diesem Gebiet sehr kleingeschrieben, also geht es da im Wesentlichen um Direktvergaben. Was sich aber ändert oder in Wirklichkeit schon geändert hat, ist, dass die EU-Kommission Guidelines zu dieser PSO-Verordnung veröffentlicht – die aktuelle Version ist vom Juni 2023 – und diese Guidelines eigentlich die Direktvergabe erschweren beziehungsweise nur mehr in Ausnahmefällen zulassen. Hier in Österreich merkt man davon nichts. Wir sind der Meinung, dass auch auf dem Gebiet der Verkehrsdiensteverträge eine wettbewerbliche Ausschreibung oder mehr wettbewerbliche Ausschreibungen als bisher statt ausschließlicher Direktvergaben besser für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und auch besser für die Konsumentinnen und Konsumenten des Bahnverkehrs wären.

Zum TOP 5, dem Chip-Gesetz-Begleitmaßnahmengesetz: Dem stimmen wir zwar zu, aber nicht kritiklos. Wir stimmen zu, weil es wichtig ist, dass wir in diesem Bereich investieren. Allerdings sieht man da wieder einen Anwendungsfall dafür, dass Geld auf Probleme geworfen wird. Das allein kann nicht die Lösung sein. Es werden teure Anreize geschaffen, aber die bestehenden Probleme des Industriestandorts ignoriert, bestehende Probleme wie zum Beispiel die hohe Steuerlast auf Arbeit, die hohen Energiekosten oder der Facharbeiterinnen- und Facharbeitermangel. Das ganze Geld könnte also langfristig verpuffen, wenn nicht begleitend Reformen zur Stärkung der Wettbewerbssicherheit, wie sie auch vom Produktivitätsrat empfohlen worden sind, gesetzt werden.

Symptomatisch ist auch, dass wieder viel Geld im Wege eines Initiativantrages verteilt wird. Die erwünschte Transparenz mit einer Wirkungsfolgenabschätzung, die man zum Beispiel bei Regierungsvorlagen hätte, wird von den Regierungsparteien, wie man es leider schon gewöhnt ist, wieder umgangen. Es fehlen daher die Kennzahlen für den erwünschten Erfolg dieser doch substanziellen Investition komplett. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Zu TOP 6, zum AUA-Betriebspensions-Änderungsgesetz: Wir sehen es positiv, dass bei den Austrian Airlines eine Auslagerung an eine Pensionskasse erfolgt, fragen uns aber, warum das bei der OeNB nicht passiert. Unsere Kritikpunkte sind, dass es eine Übergangszeit gibt, die bis 2046 normiert wird, dass der Durchrechnungszeitraum aber nur auf 18 Jahre, und zwar bis 2039, ausgedehnt wird und dass völlig offen ist, wie viel es die Austrian Airlines kostet, die Pensionen auf einmal auszulagern. Auch ist fraglich, wieso die Rechnungsparameter für die Pensionskassen andere sind als die von der FMA festgelegten. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Zum Schluss noch zu TOP 7, zur Bundesrechenzentrum GmbH – nur dass Sie sich nicht wundern –: Wir haben im Nationalrat dagegen gestimmt; ich werde heute dafür stimmen, weil die zum Zeitpunkt der Nationalratssitzung noch offenen Fragen in der Zwischenzeit beantwortet worden sind. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

12.01

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler. – Bitte schön, Frau Bundesministerin.