13.56

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir behandeln bei diesen Tagesordnungspunkten zwei Gesetzesvorlagen. Es geht einerseits darum, das Kunstrückgabegesetz zu reformieren. Da geht es relativ einfach, aber sehr wirksam um die Restitution von Raubkunst. Damals, zur Zeit der Nationalsozialist:innen, haben diese nämlich Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich Kunstgegenstände geraubt, und diese sollen wieder an die rechtmäßigen Besitzer:innen oder inzwischen auch an deren Erb:innen zurückgeführt werden. Um die Suche nach diesen Erb:innen auch datenschutzkonform zu ermöglichen, muss es Anpassungen im Sinne des Datenschutzes geben. Es ist also eine sehr sinnvolle Maßnahme, die da ergriffen wird.

Der zweite Teil behandelt, wie mein Vorredner schon gesagt hat, den Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus. 1995 gegründet, wurden seither über 30 000 sogenannte Gestezahlungen getätigt. Es wurden also Zahlungen an Opfer oder auch Nachkommen von Opfern des Nationalsozialismus getätigt, wissend, dass das Leid, das erfahren wurde, niemals mit Geld aufgewogen werden kann. Es ist aber ein Teil unserer Verantwortung und ein Zeichen, eine Geste, diese Verantwortung wahrzunehmen.

Ziele des Nationalfonds sind seit jeher die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus, die Dokumentation, aber auch die Bewusstseinsbildung und eben die Entschädigung.

Neben den Aufgaben, die mein Kollege schon genannt hat, ist ein Punkt, dass Gedenkdienern, die den Zivildienstersatzdienst in diesem Bereich leisten, 400 Euro im Monat zuerkannt werden. Auch das ist eine sehr wesentliche Maßnahme. Uns Sozialdemokrat:innen ist es nämlich sehr wichtig, alle Opfergruppen gleichermaßen in den Fokus zu nehmen.

Eine Sache ist da besonders wichtig, nämlich dass auch Grabgebühren von Überlebenden aus den Reihen der Sinti und Roma ab jetzt übernommen werden und auch in den Blick genommen wird, den Opfern aus der Gruppe der Sinti und Roma eine nationale Gedenkstätte – möglichst in der Bundeshauptstadt – einzurichten.

Das ist ein dringender Wunsch dieser Gruppe, der Roma und Sinti selber, und ich finde, es ist höchst an der Zeit, dass diesem Wunsch nach einer Opfergedenkstätte für Sinti und Roma in der Bundeshauptstadt nachgekommen wird. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es geht auch um eine Adaption in der Ausgestaltung, in der Struktur des Nationalfonds, darum, wie das Kuratorium und der Vorstand mit dem Hauptausschuss hier im Parlament zusammenspielen. Es ist uns sehr wichtig, dass das Parlament in die Struktur des Nationalfonds gut und wichtig eingebunden wird.

Was mir als Pädagogin natürlich extrem wichtig ist, sind alle Maßnahmen die getroffen werden, um bei Kindern und Jugendlichen Bewusstseinsbildung zu diesem Thema zu machen. Für Schüler:innen und Lehrlinge werden Austauschprogramme zu diesem Thema gefördert und es werden auch Projekte gefördert, die Schüler:innen und Lehrlinge zu diesem Thema erarbeiten.

Warum ist das alles so wichtig? – Die Zeitzeug:innen aus der Zeit des Nationalsozialismus sterben langsam aus. Es werden immer weniger, nur mehr einzelne Zeitzeug:innen aus der Zeit des Nationalsozialismus stehen zur Verfügung. Das wertvolle direkte Aufeinandertreffen von Menschen, die diese Zeit erleben mussten, und uns, die das hören können, wird immer weniger. Und der Antisemitismus in Österreich wächst.

Das ist nicht nur ein Phänomen, das irgendwo stattfindet, es ist auch ein Phänomen, das uns in der Politik, als Politiker:innen zu denken geben muss. Ich denke daran, dass wir Landesregierungen haben, in denen Politiker:innen Platz finden, die sich immer noch nicht vom Nationalsozialismus distanziert haben und die mit Codes und Begrifflichkeiten des Nationalsozialismus agieren.

Wir haben solche Kollegen und Kolleginnen auch hier im Saal, die nach wie vor von einem Volkskanzler reden, wie auch Adolf Hitler genannt wurde. (Bundesrat Spanring: Geh bitte, und beim Kreisky war’s nicht so?! Beim Kreisky war es wurscht, oder? – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner. – Bundesrat Spanring – stehend und mit dem Finger auf die Rednerin zeigend –: Schämt euch, schämt euch! Furchtbar! Also so was Mieses hab ich überhaupt noch nicht erlebt!)

All das ist hier möglich. Sie haben heute, zu Beginn dieser Plenardiskussion ihre Befürchtungen oder ihre Bedenken zum Thema Verweichlichung der Sprache geäußert. (Bundesrat Spanring: Leopold Figl: Volkskanzler, Kreisky: Volkskanzler, aber bei Kickl macht ihr den Vergleich zu Hitler! Unter aller Kritik, Frau Kollegin! – Zwischenruf des Bundesrates Bernard.)

Meine Befürchtung, meine Angst gilt der Verrohung der Sprache, was wir auch bei vielen Reden hier im Haus gegenüber Minister:innen, gegenüber Kolleg:innen hören müssen (Bundesrat Spanring: Unpackbar!); wir müssen die Verrohung der Sprache in fast jeder Sitzung hören.

Auch Verhetzung gegenüber bestimmten Gruppen hören wir in jeder Plenarsitzung. (Bundesrat Spanring: Von der SPÖ zum Beispiel gerade jetzt!) Heute war das wieder gegenüber Zuwander:innen, Flüchtlingen der Fall.

Sie wissen ganz genau – alle von uns wissen es –, dass Gewalt an Frauen zu 70 Prozent im häuslichen Umfeld und durch österreichische Täter passiert. (Bundesrätin Schumann: Genau! Ja, stimmt!) Und Sie wissen ganz genau, dass die Flüchtlinge deswegen nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, weil diese nicht arbeiten dürfen, solange sie im Asylverfahren sind. – Da wird ganz bewusst Verhetzung betrieben, die ich auf das Schärfste zurückweise. (Bundesrat Spanring: Und so was ist Pädagogin, das ist das Schlimme!)

Die Angst muss dort sein, wo Gewalt in der Sprache passiert, denn die Frage ist: Was passiert nach der Gewalt in der Sprache? Was ist das nächste Ausdrucksmittel, wenn die Artikulation durch die Sprache fehlt? (Die Bundesrät:innen Schreuder und Schumann: Genau! Das stimmt!)

Ich komme jetzt noch einmal zum Thema Bewusstseinsbildung bei jungen Menschen: Das Wichtigste bei der Arbeit mit jungen Menschen ist, einen Bezug zu ihrer aktuellen Lebensrealität herzustellen. Es ist oft zu wenig, im Geschichtsunterricht zu hören, wie viele Tausend Menschen Opfer waren. Es geht darum, einen Bezug zur Lebenswelt herzustellen.

Da möchte ich die jüdischen Friedhöfe ins Spiel bringen. Im Nationalfonds wird nämlich auch ein Fonds für die Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe ausgebaut und diese jüdischen Friedhöfe bieten eine gute Möglichkeit, einen Bezug herzustellen.

Wir haben in Österreich 71 registrierte jüdische Friedhöfe, und weil wir im Bundesrat sind, möchte ich auch kurz erwähnen, was das pro Bundesland bedeutet: Wir haben 18 jüdische Friedhöfe im Burgenland, einen in Kärnten, 31 in Niederösterreich, vier in Oberösterreich, einen in Salzburg, sieben in der Steiermark, zwei in Tirol, einen in Vorarlberg und sechs in Wien.

Es ist eine gute Möglichkeit, anhand der bestehenden Friedhöfe, aber auch anhand anderer konkreter Orte – ehemaliger Lebensräume oder Orte, wo die Opfer gelebt haben – einen Bezug zur Lebenswelt herzustellen.

Ich möchte auch auf drei aktuelle Gedenkprojekte verweisen, die man in Österreich finden kann und mit denen es auch möglich ist, mit jungen Leuten Bewusstseinsbildung zu machen:

Eines ist das großartige Projekt der Stolpersteine. In Wien gibt es mittlerweile viele, viele Hunderte dieser Stolpersteine, es gibt sie aber auch in vielen anderen Städten. Man kann damit ganz konkret anhand der Biografie einzelner Opfer nachverfolgen, wie Antisemitismus entsteht, wie Rassismus entsteht und was das am Schluss für Folgen hat.

Ich möchte auch auf ein ganz tolles Projekt in Bregenz hinweisen: den Gedenkweg, der dort eingerichtet wurde und auf dem anhand der Lebensbiografien einzelner Bürger:innen veranschaulicht wird, wie es passieren konnte, dass sie plötzlich verschwunden sind, und was dazu geführt hat.

Noch ganz kurz: Ein drittes Projekt ist der Stollen der Erinnerung vom Museum Arbeitswelt in Steyr, der dort mitten in der Stadt zeigt, was es bedeutet hat, mitten in Steyr im Nationalsozialismus mit diesen vielen, vielen Opfern zu leben.

Wir stimmen beiden Gesetzesbeschlüssen natürlich und sehr gerne zu. Wir Sozialdemokrat:innen sind immer auf der richtigen Seite der Geschichte gestanden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Ja genau, genau! Es heißt Nationalsozialisten! Sozialisten! – Bundesrätin Schumann: Absolut! Nie auf der Seite des Faschismus!)

Es war uns immer wichtig, gegen Antisemitismus, gegen die Anfänge aufzutreten, und wir sind immer gute Partner:innen in diesem Bereich gewesen. – Besten Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der Grünen. – Bundesrätin Schumann: Die Sozialdemokratie ist nie auf der Seite des Faschismus gestanden! – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Da gibt’s gar nichts! Da gibt’s überhaupt nichts!)

14.07

Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Mag. Isabella Theuermann. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.