18.15
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es ist ein sehr, sehr ernstes Thema, das wir heute hier besprechen. Es ist tatsächlich so – das ist meine langjährige Erfahrung hier, auch als Angehöriger einer Minderheit –, dass immer, wenn ein Satz mit: Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber!, Ich habe ja nichts gegen Juden, aber!, Ich habe ja nichts gegen Lesben und Schwule, aber!, Ich habe nichts gegen Roma und Sintize, aber!, Ich habe nichts gegen wen auch immer, aber!, beginnt, dass immer, wenn hinter ein Ich-habe-nichts-gegen ein Aber gestellt wird, nichts Gutes dabei herauskommt.
Zu Ihrer Rede, Herr Kollege Spanring, muss ich sagen: Sie haben eigentlich sehr viele Argumente für dieses Gesetz vorgebracht und dann mit sehr dünnen Argumenten gesagt, warum Sie ihm nicht zustimmen – und diese Argumente erschüttern mich!
Wenn Sie wollen, dass mit NS-Devotionalien wieder Handel betrieben werden kann – das haben Sie nämlich dann, das ist die Schlussfolgerung –, dann wollen Sie, dass man auf den Flohmärkten in Österreich, auf Willhaben oder sonst wo Hakenkreuzsymbole einfach wieder verkaufen darf und damit ein Geschäft machen kann! (Bundesrat Spanring: Hab ich nicht gesagt! Das ist Ihre Schlussfolgerung!) – Nein, das ist die Schlussfolgerung (Bundesrat Spanring: Ja, Ihre!), wenn Sie das - - (Bundesrat Spanring: Ihre Schlussfolgerung!) – Nein, das ist die logische Schlussfolgerung! Sie wollen, dass damit wieder Geschäfte gemacht werden können und dass Leute das im Internet verkaufen können. (Bundesrat Spanring: Das passiert ja jetzt ...!) Und das macht dieses Gesetz; es sagt: Nein, mit NS-Devotionalien darf man kein Geschäft machen!, und das ist richtig so! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Gegen eine Unterstellung möchte ich mich hier auch wehren. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) – Herr Kollege Spanring, ich kann Ihnen gerne Artikel aus den Jahren 2012, 2013, glaube ich, zeigen. Einige, die damals schon im Bundesrat waren, können sich vielleicht erinnern, dass es hier im Bundesrat einen Antrag gegeben hat, in dem Israel kritisiert wurde, und ich als einziger Bundesrat dagegengestimmt habe. Übrigens hat die freiheitliche Bundesratsfraktion die Verurteilung Israels mitgetragen. Ich habe damals einen, glaube ich, zweiseitigen Artikel in der „Jerusalem Post“ bekommen. Ich kann mich noch gut erinnern.
Das Wichtige für mich damals – immer schon – war: Wenn man Israel für etwas kritisiert, das andere Länder auch machen, und man diese nicht kritisiert, dann ist das problematisch und dann hat das meistens einen antisemitischen Grund. Und gegen diesen Antisemitismus habe ich mich damals aufgelehnt und werde ich mich heute auflehnen.
Auch religiös motiviertem Antisemitismus, auch muslimisch motiviertem Antisemitismus von Menschen, egal welcher Herkunft und welcher Religion, werden wir als Grüne uns mit aller Kraft entgegenstellen und sagen: Nein, gegen Antisemitismus, auch von muslimischer Seite, werden wir Widerstand leisten! Das geht nicht! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)
Und wenn linke Gruppierungen antisemitische Äußerungen machen, das vielleicht verstecken – meistens sind das so antiimperialistische Gruppen; so heißt das dann meistens – und es dann auch in antisemitischen Codes formulieren, wenn das von Links kommt, dann werden wir sagen: Nein, das geht nicht, diesen Antisemitismus lehnen wir ab! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
Der Antisemitismus, den wir seit Langem kennen und der die größten Gräueltaten in diesem Land vollbracht hat, der sechs Millionen Menschen das Leben gekostet hat, ist nach wie vor der nationalsozialistische Antisemitismus. Das war die widerlichste und grauenhafteste Fratze dieser Krankheit Antisemitismus.
Seit mehr als 75 Jahren kämpfen wir in Österreich mit dieser Geschichte. Wir haben das ja alles auch erlebt. Ich habe das als Jugendlicher erlebt. Ich kann mich noch gut an die Auseinandersetzung erinnern, als Waldheim Präsidentschaftskandidat war. Ich war selbst in der Schule im Jahr 1988, als an 50 Jahre Anschluss erinnert worden ist. Ich war damals noch ein Teenager – knapp, ich bin ein 1969er-Jahrgang – und ich kann mich auch erinnern, dass mir plötzlich selbst bewusst wurde: Moment! Was wäre mir als schwulem Mann eigentlich passiert, wenn ich damals gelebt hätte? – Meine Eltern waren Zeugen Jehovas. Die wurden in Konzentrationslager gesteckt, und ich kannte in der Versammlung, wo ich auch als Jugendlicher immer hingehen musste, Menschen, die siebeneinhalb Jahre Konzentrationslager überlebt haben. Und ich habe mich auch schon als Jugendlicher intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Hier zu sagen, wir wollen nicht, dass Wiederbetätigung, wir wollen nicht, dass Handel mit diesen Devotionalien, mit diesen Symbolen – die für den Tod von so vielen Menschen, für das Leid von so vielen Menschen, für Raub, Mord, Totschlag und all das stehen – bestraft wird, dafür fehlt mir einfach ein Verständnis. Mir fehlt auch das Verständnis dafür, dass man sagt, dass Menschen, die dieser Ideologie huldigen, weiter im Staatsdienst sein sollen. Das ist einfach eine Grenze – wenn man die überschreitet, dann geht das nicht mehr, dann kann man diesen Staat nicht repräsentieren. Ich finde das eigentlich selbstverständlich und ich wundere mich, dass ich das hier verteidigen muss.
Vielleicht zur Erinnerung, worum es in dieser Gesetzesnovelle, die wir hier machen, geht – das ist ja auch kein grünes Gesetz, es ist kein schwarzes Gesetz, es ist kein rotes Gesetz, sondern das ist ein ganz breit getragenes, von Menschen, von der Zivilgesellschaft, von der Wissenschaft, von ganz vielen Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet zusammen erarbeitetes Gesetz –: Es geht um die Ausweitung der inländischen Gerichtsbarkeit für nationalsozialistische Wiederbetätigung, auch wenn sie im Ausland passiert. Es geht um die Einziehung von NS-Devotionalien – wie Hakenkreuzfahnen, SS-Abzeichen und andere Materialien –, sobald sie in den Handel kommen. Darum geht es. Es geht um den Kampf gegen die Verharmlosung des Terrors und der Gräuel der nationalsozialistischen Zeit. Es gibt eine höhere Verurteilungsquote und, ja, es gibt den Amtsverlust bei Verurteilung – nicht bei Verdacht, sondern bei Verurteilung – nach dem Verbotsgesetz, und es gibt eine Erhöhung der Strafen.
Ich finde, das ist legitim, und ich finde, nach über 75 Jahren nach diesen Gräueltaten ist das schon richtig so, weil nun einmal auch dieses Gesetz, das 75 Jahre alt war und vor 30 Jahren das letzte Mal novelliert worden ist, natürlich angepasst werden muss an die heutige Zeit, an die heutigen digitalen Wege, die wir haben, an die Globalisierung, die damit auch mit dieser Kommunikation, mit dem Handel, mit all dem zu tun hat. Ich finde, das ist ein richtiger Weg, und eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, erschüttert es mich, dass über so eine Selbstverständlichkeit in diesem Haus keine Einstimmigkeit besteht. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)
18.23
Präsidentin Mag.a Claudia Arpa: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Barbara Prügl. – Bitte sehr, Frau Bundesrätin.