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Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Das Verbotsgesetz gehört seit mehr als 75 Jahren zum österreichischen Rechtsbe­stand. Die letzte inhaltlich bedeutsame Novelle fand vor mehr als 30 Jah­ren statt. Das bedeutet, dass es angesichts der aktuellen Entwicklungen höchste Zeit war, dass wir eine Reform vornehmen. Als wir mit den Arbeiten begon­nen haben, die Arbeitsgruppe einberufen haben, haben wir nicht damit gerech­net, dass das Thema Antisemitismus wieder so eine traurige und besorg­niserregende Aktualität erfährt.

Seit den terroristischen Gräueltaten der Hamas gegenüber der israelischen Zivil­bevölkerung am 7. Oktober verzeichnen wir auch in Österreich und in Europa einen erschreckenden Anstieg an antisemitischen Übergriffen von allen Seiten (Bundesrat Steiner: Importierter Antisemitismus! Importiert! – Bundes­rat Spanring: Richtig! – Bundesrat Schreuder: „von allen Seiten“!) und verharmlosende Aussagen über nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Wer heute in die sozialen Netzwerke schaut, muss zur Kenntnis nehmen, dass sich die Tatorte von Verbrechen nach dem Verbotsgesetz, aber auch die Gutheißung von Terrorismus oder Verhetzung in den digitalen Raum verlagert haben. Antisemitische, rechtsextreme, rassistische Straftaten werden häu­figer im Internet begangen, Fakenews und Desinformation werden online gezielt eingesetzt, um unsere Demokratie zu schwächen. All dem müssen wir ent­schlossen entgegentreten, es ist unsere historische Pflicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Das Verbotsgesetz entstand ja unter dem Eindruck der begangenen Gräueltaten des Nationalsozialismus. Niemals dürfen wir daher zulassen, dass diese Schrecken des Nationalsozialismus vergessen werden. Nie wieder dürfen wir bei Antisemitismus, bei Rechtsextremismus, bei Rassismus wegschauen. Des­wegen ist es unser Ziel, das Verbotsgesetz für die neuen Herausforderungen der Zeit besser zu wappnen, und das heißt auch, antisemitische Übergriffe von allen Seiten, egal in welcher Form, nicht zu tolerieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Ja, wir haben einiges geändert, beispielsweise haben wir die inländische Ge­richtsbarkeit dahin gehend erweitert, dass auch im Ausland gesetzte Verhaltens­weisen von Österreichern erfasst sind. Dies gilt sowohl für Organisations­delikte als auch für Äußerungsdelikte. So ist zum Beispiel in Zukunft ein österrei­chischer Holocaustleugner strafbar, wenn er die Tat im Ausland begeht und sie auch „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu verletzen“. Wenn also bei­spielsweise der Täter die Leugnung im Internet in Österreich abruf­bar macht, dann fällt er unter das Verbotsgesetz, und das ist auch richtig so.

Des Weiteren ist es, glaube ich, auch richtig, dass man eine Unterschei­dung trifft: Bei all den Delikten haben wir eine Unterscheidung zwischen einem Grunddelikt und Delikten mit besonderer Gefährlichkeit vorgenommen – da ist die Strafdrohung eine wesentlich höhere. Das ist aus mehreren Gründen richtig, aber aus einem ganz besonders – Abgeordneter Schennach hat es schon gesagt –: Es schafft bei Tatbeständen in § 3g und § 3h des Verbotsgeset­zes – das ist „Nationalsozialistische Wiederbetätigung“ oder eben „Leug­nung des nationalsozialistischen Völkermords“ – für Personen, die keine verfes­tigte Ideologie haben, die Möglichkeit der Diversion. Ich halte das für wichtig, weil es präventiv wirkt. Es wirkt präventiv. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Im Vorfeld hat es ja die Sorge gegeben: Ja, aber was genau bedeutet Diversion, gibt man jemandem ein Ticket und schickt ihn nach Mauthausen und das reicht? – Nein, das reicht natürlich nicht. Deswegen haben wir in den Erläute­rungen vorgesehen, dass wir in der Justiz uns dazu verpflichten, dass wir spezielle Präventionsprogramme erarbeiten und es auch ein entsprechendes Budget für diese Präventionsprogramme gibt, sodass die auch wirklich wirken, denn es geht uns ja darum, dass wir Personen, die keine verfestigte Ideologie haben, erwischen und sie auf den richtigen Weg bringen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Was die Leugnung des nationalsozialistischen Völkermords betrifft – das wurde schon erwähnt –, haben wir das Tatbestandsmerkmal „gröblich“ gestrichen und damit die Möglichkeit geschaffen, dass auch Teilleugnungen unter das Ver­botsgesetz fallen. Das führt auch in der Praxis zu einer wesentlichen Er­leichterung, denn bis jetzt war es immer schwierig: Was ist denn eine gröbliche Leugnung? Deswegen streichen wir das Wort „gröblich“, denn jegliche Leug­nung soll unter das Verbotsgesetz fallen.

Wir haben auch die Publizitätsschwelle von 30 auf zehn Personen herabgesetzt. Da kam auch die Kritik: Was ist, wenn ich am Stammtisch vor drei, vier, fünf Personen den Holocaust leugne? – Das ist nicht nichts, das ist und bleibt strafbar, zwar nicht nach dem Verbotsgesetz, aber nach dem Verwaltungs­strafrecht. Auch dort haben wir etwas gemacht: Wir haben die Strafen drastisch erhöht, die Strafdrohung beträgt jetzt 10 000 Euro und im Wiederholungs­fall 20 000 Euro, und das nicht nur in diesem Fall, sondern bei allen: beim Abzei­chengesetz und beim Symbole-Gesetz – und da ist die Hamas ja mit umfasst. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Einen Punkt möchte ich schon erwähnen: dass die Verurteilung nach dem Verbotsgesetz bei einem Beamten, aber auch bei einem Vertragsbedienste­ten zu einem sofortigen Verlust des Amtes oder zu einer vorzeitigen Auflö­sung des Dienstverhältnisses führt. Ich halte das für richtig, denn ich finde schon, dass jemand, der nach dem Verbotsgesetz verurteilt ist, in unserem Staats­dienst einfach nichts zu suchen hat. Daher ist diese Änderung besonders wichtig. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Mitgliedern der Arbeitsgruppe be­danken, weil sie das Verbotsgesetz wirklich aus allen Perspektiven durchleuchtet haben und eine Regelung gefunden oder Vorschläge gemacht haben, die wir großteils auch so umgesetzt haben. Ich möchte mich auch beim Koalitions­partner und bei Verfassungsministerin Edtstadler für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken, insbesondere aber auch bei der Sozialdemokratie, denn es war auf den letzten Metern schon wichtig, dass wir erstens die Zweidrittelmehrheit sicherstellen und zweitens auch die konstruktiven Vor­schläge, die im Vorfeld gemacht wurden, in diesen Gesetzestext einflie­ßen. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Herr Abgeordneter Spanring, ich schätze ja Ihre konstruktiven Debattenbei­träge, das habe ich auch mehrfach erwähnt, aber Sie haben in Ihrer Rede auch gesagt, dass Sie bei Ihren Reden bei den Demonstrationen hin und wieder über das „Ziel hinausgeschossen“ sind. (Bundesrat Spanring: Viel­leicht!) Ich muss Ihnen leider sagen, dass ich der Meinung bin, dass Sie mit dieser Rede heute hier auch über das Ziel hinausgeschossen sind, denn Adi Gross so in diese unpassende Rede hineinzuziehen (Bundesrat Spanring: Na und die Zwi­schenrufe, Frau Minister? Die Zwischenrufe haben Sie gehört, oder?) halte ich einfach für fehl am Platz, insbesondere wenn man seine Geschichte kennt. – Vie­len Dank. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

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