9.24

Landeshauptfrau von Niederösterreich Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich freue mich, dass ich heute bei Ihnen im Bundesrat zu Gast sein darf, und gratuliere vor allem zu Ihren neuen Räumlichkeiten. Der neue Bundesratssaal ist wirklich ein Arbeitsumfeld auf der Höhe der Zeit – herzliche Gratulation dazu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landeshauptleutekonferenz und der Bundesrat sind zwei kräftige Stimmen des föderalen Österreichs – zwei Stimmen, die eine gemeinsame Botschaft haben, nämlich die Botschaft zur Zusammenarbeit, zur Zusammenarbeit über unterschiedlichste ideologische Standpunkte hinweg, zur Zusammenarbeit im Sinne der Republik und des Gemeinwesens. Deswegen haben wir uns auch dafür entschieden, diesem Vorsitz ein ganz klares Motto zu geben: Aus Verantwortung für Österreich: an einem Strang ziehen. – Dieses Motto soll uns in der politischen Arbeit in den nächsten Monaten als Vorbild und vor allem auch als Wegweiser dienen. Es ist ein Anspruch, dem wir uns als politische Verantwortungsträger stellen wollen.

Ich weiß, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren, diesem Anspruch in Ihrer täglichen Arbeit für Ihre Bundesländer und für unsere Republik auch gerecht werden. Für dieses Engagement, für diese Leidenschaft, für dieses Ringen um die besten Lösungen darf ich Ihnen an dieser Stelle ein ganz großes und herzliches Dankeschön sagen.

Ich bin überzeugt, dass es gerade in einer Zeit der Polarisierung, in der so viel offen und ungewiss ist, Institutionen und Personen braucht, die für Stabilität und Verlässlichkeit stehen. Es braucht Konstanten – Konstanten wie es die Bundesländer sind und wie es vor allem auch der Bundesrat ist. Der Bundesrat als Länderkammer ist für mich ein unverzichtbares Instrument unseres demokratischen Systems, weil gerade der Bundesrat für die Anliegen der Menschen in den Regionen, in den Ländern, in den Bezirken und vor allem in unseren Gemeinden einsteht und auch immer wieder die Zusammenarbeit über Landesgrenzen und Parteigrenzen hinweg einmahnt.

Im Hinblick auf die Zusammenarbeit ist auch die Landeshauptleutekonferenz ein gutes und funktionierendes Vorbild, denn es ist gerade die Landeshauptleutekonferenz, in der über Ländergrenzen und Parteigrenzen hinweg gemeinsam an Lösungen für die Menschen in unserem Land gearbeitet wird. Das ist es, was letztendlich den Föderalismus ausmacht und was ich unter Föderalismus verstehe. Föderalismus heißt nicht: jeder für sich oder jeder gegen jeden. – Föderalismus heißt: miteinander reden, voneinander lernen und vor allem für die Menschen arbeiten.

Weil wir für die Menschen arbeiten, haben wir für den Vorsitz Niederösterreichs in der Landeshauptleutekonferenz und im Bundesrat auch vier Schwerpunktthemen definiert, die wir in den nächsten Monaten gemeinsam vorantreiben wollen.

Ein ganz wichtiges Thema, das auf unserer Agenda ganz oben steht und das vor allem auch zu den großen Sorgen unserer Landsleute gehört, ist das Thema des leistbaren Wohnens. Junge Menschen müssen ihre Wohnträume wieder realisieren können. Normalverdiener müssen sich wieder Eigentum schaffen können. Dazu müssen wir meines Erachtens an den verschiedensten Stellschrauben drehen.

Ein Grundgedanke dazu ist: Der Staat sollte gerade beim Ersterwerb nicht mitverdienen. – Ich denke, da gibt es ein paar gute Überlegungen, denen wir nachgehen sollten. Zum Ersten, denke ich, wäre es gut, wenn wir auf die Gebühren für die Eintragung ins Grundbuch verzichten würden. Zum Zweiten wäre es gut, wenn wir auf die Einhebung der Grunderwerbsteuer verzichten würden – natürlich unter der Voraussetzung, dass dieser Ausfall den Gemeinden refundiert wird. Denken wir auch an den Vorschlag des Bundeskanzlers Karl Nehammer, den ich für sehr konstruktiv halte und den es bereits in der Vergangenheit gegeben hat, dass wir die Zinsen für Privatkredite refundieren, um Eigentum wieder leistbar zu machen. (Bundesrat Steiner: Umsetzen! Umsetzen!)

Es gibt auch viele andere konstruktive Vorschläge. Darüber hinaus halte ich es aber auch für wichtig, vor allem im Bereich der Wohnbaugenossenschaften Akzente in Richtung Sanierung zu setzen. Es ist wichtig, die Wohnbaugenossenschaften darin zu unterstützen, Sanierungen voranzutreiben, damit die Wohnungen wieder mehr an Wert gewinnen und damit wir vor allem auch die Bauwirtschaft wieder vorantreiben und unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang noch einen Punkt ansprechen, der vor allem für viele Familien, die sich Eigentum schaffen wollen, zu einem Mühlstein geworden ist, nämlich die überschießende KIM-Verordnung, über die Sie hier im Hohen Haus auch schon des Öfteren debattiert und diskutiert haben. Es mag ja sein, dass die KIM-Verordnung zu Beginn gut gemeint war. Wir alle spüren aber, dass sich diese KIM-Verordnung mittlerweile zu einer reinen Schikane für Häuselbauer entwickelt hat.

Ich denke, keiner von uns hat Verständnis – vor allem die Häuselbauer nicht –, wenn man weiß, dass nur 1,2 Prozent der Privatkredite uneinbringlich sind. Das ist für die Banken also ein Risiko in Richtung null. Deswegen lautet unsere Forderung auch weiterhin, dass die KIM-Verordnung letztendlich wegkommen soll, dass sie abgeschafft werden soll. Denn was passiert aufgrund der KIM-Verordnung? – Junge Paare können sich ihre Wohnträume nicht mehr erfüllen. Wohnträume können nicht mehr Realität werden. Die Bauwirtschaft und das Handwerk kommen ins Trudeln, leiden an Einbrüchen im Bereich der Auftragseinlage. Daher bleibt unsere Forderung, die auch von Wirtschaftswissenschaftern massiv unterstützt wird, aufrecht, die KIM-Verordnung endlich zu Grabe zu tragen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Steiner: Umsetzen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates, ein zweiter Punkt, den ich anspreche möchte, ist das Ehrenamt, das Freiwilligenwesen. Das Ehrenamt wird leider von so manchem als Vereinsmeierei abgetan und kleingemacht. Wir alle wissen aber, dass gerade das Ehrenamt ganz wichtig und eine tragende Säule für das Funktionieren unserer Gesellschaft ist. Wir alle, die wir draußen vor Ort Verantwortung tragen, wissen um die große Verantwortung und vor allem um die große Rolle von der Freiwilligen Feuerwehr, dem Roten Kreuz, unseren Sportvereinen, Kulturvereinen und den Hunderttausenden, die sich ehrenamtlich in ganz Österreich engagieren. Wir wissen, welch großartigen Einsatz sie leisten und welchen Kitt sie für die Gemeinschaft abgeben. Deswegen ist es mir auch wichtig, an dieser Stelle allen Ehrenamtlichen, egal in welcher Funktion, egal in welchem Verein, egal an welchem Ort, ein ganz großes und herzliches Danke zu sagen für die Zeit, die sie für unsere Gesellschaft aufbringen. Danke schön! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich bin auch überzeugt, dass gerade das Ehrenamt einen wesentlichen Beitrag zur Integration leisten kann. Deswegen halte ich es für wichtig, das Ehrenamt zu fördern, aber vor allem auch zu fordern. Ich darf ein wunderschönes Beispiel aus Niederösterreich anführen, das zeigt, dass Ehrenamt im Bereich der Integration eine wichtige Rolle einnehmen kann: Ein junger Bursche aus Burkina Faso, 14 Jahre alt, kam nach Niederösterreich, hat eine neue Heimat gefunden und hat sich von der ersten Minute an auch bei der örtlichen freiwilligen Feuerwehr eingebracht. Heute ist er ein ganz wichtiger Teil dieser freiwilligen Feuerwehr und ein Teil der Gemeinschaft.

Ich denke, das ist einfach ein schönes Beispiel direkt aus der Region, das zeigt, dass man gerade durch Ehrenamt sprachliche und kulturelle Barrieren überwinden kann und dass Integration funktionieren kann. Daher ist auch jede und jeder herzlich willkommen, die und der sich ehrenamtlich engagieren will und vor allem auch Bereitschaft zeigt, unsere Grundprinzipien und unsere Werte zu akzeptieren. Denn ohne Akzeptanz unsere Grundprinzipien und Werte wird es nicht gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Einen dritten zentralen Punkt möchte ich ansprechen, den vor allem die Frau Bundesratspräsidentin in das Zentrum ihrer Rede gestellt hat, nämlich das Thema Europa, die Europäische Union. Die Europäische Union wird gerade in den nächsten Monaten aufgrund der Parlamentswahlen eine ganz wesentliche, zentrale Rolle einnehmen. Ich denke aber, dass es auch unabhängig von diesen Wahlen für uns alle ganz, ganz wichtig ist, sich für die Europäische Union einzusetzen, damit sich die Europäische Union auch in die richtige Richtung entwickelt.

Was meine ich damit? – Uns ist es wichtig, dass sich Europa im Sinne der Regionen entwickelt, denn es sind gerade die Regionen, die Europa und die Europäische Union tragen. Deswegen halte ich es auch für so wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, dass es in Zukunft wenig an Geboten, Verboten und Regulativen gibt, denn gerade das ist es, was uns Fesseln anlegt, was uns vor allem die Wettbewerbsfähigkeit erschwert. Ich halte es deswegen für wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Europäische Union in Zukunft mehr performt und weniger vernormt. Das halte ich für wichtig, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein und vor allem um unseren aller Wohlstand auch halten zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Darüber hinaus ist es ganz wichtig, dass wir dranbleiben, dass es zur raschen Umsetzung des Asyl- und Migrationspaktes auf europäischer Ebene kommt, dass der Schutz unserer Außengrenzen an Tempo zulegt. Ungeschützte Außengrenzen halte ich für die größte Gefahr für unsere Gemeinschaft und unsere Werte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn uns all das gelingt – eine Korrektur der Richtung der Europäischen Union, weg von all den Geboten und Verboten, hin zu Freiheit, Sicherheit, Wettbewerbsfähigkeit –, dann bin ich fest davon überzeugt, dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Europäische Union gewinnen werden, und gerade dieses Vertrauen brauchen wir. (Beifall bei der ÖVP.)

Einen vierten zentralen Punkt möchte ich ansprechen: den Finanzausgleich. Der Finanzausgleich ist vor allem unter Landeshauptmann Peter Kaiser monatelang verhandelt worden, und dadurch ist es möglich geworden, dass Länder und Gemeinden in Zukunft Jahr für Jahr zusätzlich 2,4 Milliarden Euro erhalten. Ich denke, das ist ein akzeptables und respektables Ergebnis, das zeigt, dass der Bund erkannt hat, dass die Länder und vor allem die Gemeinden mehr Geld brauchen, weil sie auch mehr Aufgaben übernommen haben. Es liegt auf der Hand: Wenn die Aufgaben mehr werden, braucht es selbstverständlich auch mehr Geld.

Ja, es ist ein akzeptabler Vorschlag, aber wir müssen in den nächsten Wochen auch abwarten, wie es mit den Abschlüssen und mit den Voranschlägen unserer Gemeinden in den Bundesländern ausschaut. Wir sind da, denke ich, einer Meinung, dass, wenn es noch zusätzlichen Finanzbedarf gibt – der Gemeindebund geht davon aus, dass etwa ein Drittel der Gemeinden Abgangsgemeinden werden –, wir uns bei der Bundesregierung, beim Finanzminister dafür stark machen werden, dass es für unsere Gemeinden noch mehr Geld braucht und gibt, damit sie ihrer Verantwortung nachkommen können. Ich rechne diesbezüglich mit Ihrer Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates, wenn wir von den großen Aufgaben reden, dann dürfen wir nie vergessen, was unsere Hauptaufgabe ist, nämlich: nahe an den Menschen dran zu sein, ihre Sorgen zu hören, ihre Anliegen ernst zu nehmen und vor allem Antworten auf all die Herausforderungen, Anliegen und Sorgen zu geben – in Europa, im Bund, in den Ländern, in den Gemeinden, im Europäischen Parlament, im Nationalrat, im Landtag, im Bundesrat und natürlich auch in den Gemeinderäten. Alle Ebenen sind wichtig, alle Ebenen werden gebraucht.

Deswegen darf es meines Erachtens niemals dazu kommen, dass diese Ebenen gegeneinander ausgespielt werden. Es ist wichtig, dass alle diese Ebenen zusammenhalten, immer wieder miteinander reden, voneinander lernen und vor allem füreinander da sind, gemäß dem Motto: Wir müssen alle an einem Strang ziehen, das ist unser aller Verantwortung. – Nur so werden wir unser Österreich, unsere Länder, unsere Regionen, unsere Gemeinden in eine gute Zukunft führen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren im Bundesrat, ich freue mich auf alle Fälle auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, dem Bundesrat, und kann Ihnen versichern, dass Frau Bundesratspräsidentin Margit Göll in den nächsten Monaten eine gute Präsidentin sein wird. Margit Göll wird sich mit all ihrer Kompetenz, mit ihrer Erfahrung und vor allem auch mit ihrem Charme einbringen. Margit Göll ist es auch, die in den letzten Jahren sehr viel Erfahrung im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, gerade im Bereich europäischer Gemeinschaftsprojekte wie Healthacross, gemacht hat. – Deswegen würde es mich freuen, wenn Sie alle die Chance wahrnehmen, nach Gmünd zu reisen und sich dieses großartige Projekt anzuschauen.

Margit Göll ist eine Person, die weiß, wie man es schafft, ländlichen Regionen, vor allem Grenzregionen, Zukunft und Perspektiven zu geben. – Liebe Margit, ich darf dir für deinen Vorsitz, für deine Präsidentschaft alles Liebe und alles Gute wünschen. Du wirst es super machen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich darf mich auch bei deiner Vorgängerin, Präsidentin außer Dienst Claudia Arpa, herzlich bedanken – Kärnten hatte ja den Vorsitz in der zweiten Hälfe des letzten Jahres. Dem Landeshauptmann und vor allem auch dir, liebe Claudia, ein herzliches Danke: Auch du hast das mit sehr viel Herzblut und Kompetenz gemacht – vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so bleibt mir nur noch, Ihnen für die nächsten Monate alles Gute zu wünschen. Es werden herausfordernde Monate werden – herausfordernd draußen in den Regionen, aber auch hier im Bundesrat.

Wenn ich mir für die nächsten Monate etwas wünschen darf, dann einfach Respekt und Wertschätzung zwischen den politischen Parteien und vor allem auch gegenüber der Politik. Ich denke, nur dann gelingt es uns, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen.

Ich freue mich auf eine Zusammenarbeit im Sinne der Republik, im Sinne der Regionen, der Länder, unserer Gemeinden – in diesem Sinne: alles Liebe, alles Gute und vor allem auch Gottes Segen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

9.43

Präsidentin Margit Göll: Sehr geehrte Frau Landeshauptfrau, vielen Dank für deine Ausführungen.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bernadette Geieregger. – Bitte sehr.