12.22
Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange ein bisschen mit dem Kontext dessen an, was hier eigentlich auf der Tagesordnung zum Beschluss steht.
Es geht um eine Kompetenzverschiebung im Artikel 11 B-VG und um eine Erweiterung des Finanzausgleichsgesetzes. Wenn man sich anschaut, welche Tatbestände jetzt eigentlich eingeführt werden sollen, dann merkt man gleich, dass die unterschiedlich heißen. Also legistisch ist das Ganze keine Meisterleistung, weil weitere Abgrenzungsprobleme aufgeworfen werden.
Im Bundes-Verfassungsgesetz, Artikel 11 – Zuständigkeit: Gesetzgebung ist Bundessache, Vollziehung Landessache –, gibt es den Kompetenztatbestand Volkswohnungswesen. Das ist ein sehr antiquierter Begriff. Da muss man sich dann immer überlegen, was das eigentlich heißt. Das ist ja eigentlich Bundessache in der Gesetzgebung.
Es gibt bereits zwei Ausnahmen, die Landessache sind – die Förderung von Wohnbau, die Förderung von Sanierung –, und jetzt wird eine weitere Ausnahme von der Bundesgesetzgebung mit den Stimmen der Regierungsparteien und der SPÖ eingeführt, und zwar genau genommen „die Erhebung öffentlicher Abgaben zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung“.
Wenn man sich jetzt aber das Finanzausgleichsgesetz anschaut, mit dem im § 16 eine weitere ausschließliche Landes- beziehungsweise Gemeindeabgabe ermöglicht wird, dann sieht man, dort steht: Zusätzlich zum bereits bestehenden Tatbestand Zweitwohnsitzabgaben kommt jetzt ein neuer Tatbestand dazu, nämlich „Abgaben auf Wohnungsleerstände“. Das ist natürlich legistisch etwas anderes als eine Abgabe zum Zweck der Vermeidung der Nicht- oder Mindernutzung. Es wird, wie wir schon gehört haben, wahrscheinlich eine Klärung des Verfassungsgerichtshofes brauchen, wenn solche Abgaben irgendwo eingeführt werden, ob sie diesen Tatbeständen entsprechen.
Interessanterweise gibt es de facto bereits Leerstandsabgaben. Das Ganze nennt sich Grundsteuer. Die Grundsteuer ist eine Vermögensubstanzsteuer, und zwar eine, die als einzige nach Meinung der allermeisten Ökonomen eine sinnvolle Vermögensubstanzsteuer ist, und zwar eine Vermögensubstanzsteuer, die beim Leerstand die Eigentümerin, den Eigentümer trifft. Wenn die Wohnung oder das Haus aber vermietet ist, kann die Grundsteuer auf die Mieterin oder den Mieter umgewälzt werden. Deswegen ist die Grundsteuer de facto bereits eine Leerstandsabgabe. (Beifall bei Bundesrät:innen der FPÖ.)
Was dazukommt: Es gibt ja weitere Kosten, die anfallen, wenn Wohnraum nicht vermietet ist. Es kommen sämtliche anderen allgemeinen Betriebskosten, die die Wohnung oder das Haus betreffen, und eine entgangene Einnahme dazu. Das heißt, sowohl von den tatsächlichen Kosten als auch von den Opportunitätskosten her besteht bereits eine große finanzielle Belastung. Was Betriebskosten betrifft, beträgt sie wahrscheinlich momentan ungefähr 2 Euro pro Quadratmeter und Monat. Zusätzlich kommen entgangene Einnahmen für leer stehenden vermietbaren Wohnraum dazu.
Wenn jetzt zusätzlich etwas von den Ländern beschlossen werden soll, wenn sie diese Kompetenz bekommen, dann wird das wahrscheinlich das Kraut auch nicht mehr fett machen. Die Frage ist daher: Welche Steuerungswirkung hätte so eine Abgabe überhaupt? (Ruf bei der FPÖ: Null!)
Durch die Verländerung dieses Tatbestands Erhebung öffentlicher Abgaben stellen sich weitere Fragen. Es ist ja verfassungsgesetzlich nicht definiert, was eine Nicht- oder Mindernutzung konkret ist. So ein Problem sieht man an den bestehenden Zweitwohnsitzabgaben, die es ja in drei Bundesländern – in der Steiermark, in Salzburg und Tirol – schon gibt: dass dort unterschiedliche Definitionen herangezogen werden und unterschiedliche Ausnahmetatbestände bestehen.
Das Gleiche würde wahrscheinlich passieren, wenn ein Bundesland Leerstandsabgaben einführt: dass unterschiedliche Definitionen von Leerstand gewählt werden und es unterschiedliche Ausnahmebestimmungen geben wird. Solche Ausnahmebestimmungen – dessen sind sich ja wohl auch die Ermöglicher der Einhebung solcher Abgaben bewusst – wird es wohl brauchen.
Wenn eine Nicht- oder Mindernutzung zweckmäßig verhindert werden soll, dann muss man ja abklären: Wann liegt eine solche Nicht- oder Mindernutzung einer Wohnung vor? Quasi: Wann kann die böse potenzielle Vermieterin oder der böse potenzielle Vermieter etwas dafür, und wann kann man es ihnen nicht vorwerfen? Wen möchte man also quasi mit so einer Abgabe bestrafen, und wen sollte man am besten nicht bestrafen?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, warum eine Wohnung nicht vermietet ist. Es kann sein, dass die Vermieterin oder der Vermieter sie gar nicht vermieten will, weil sie sie selber nutzen möchten oder weil er oder sie durch die Beschränkungen im Mietrechtsgesetz betreffend Befristungen die Wohnung zu einem Zeitpunkt selber nützen möchte, der näher als die Mindestbefristungsdauer in der Zukunft liegt. Das ist eine Möglichkeit.
Oder jemand nutzt die Wohnung selber als Zweitwohnsitz, es verwenden Familienangehörige die Wohnung entweder permanent oder als Zweitwohnsitz. Oder es ist eine Wohnung von jemandem, der außerhalb von Wien wohnt, aber eine kleine Wohnung in Wien hat, für den Fall, dass man in Wien die kulturellen Angebote wahrnimmt (Ruf bei der FPÖ: Pflege ...!), oder zur Pflege, wie ich da aus einem Zwischenruf höre.
Es kann natürlich auch sein, dass die Wohnung jemandem gehört, der gar nicht in Österreich wohnt und zur Nutzung touristischer oder kultureller Angebote oder auch zu wirtschaftlichen, beruflichen Zwecken in Wien oder anderswo in Österreich eine Zweitwohnung hat. Ist das ein Leerstand? Ist das eine Nicht- oder Mindernutzung? Das wird in jedem Bundesland wahrscheinlich unterschiedlich definiert werden.
Das sind Personen, die die Wohnung gar nicht vermieten wollen, weil sie gute Gründe haben, sie nicht vermieten zu wollen.
Es gibt aber auf der anderen Seite auch Personen, die Wohnraum gerne vermieten würden, aber es funktioniert aus den verschiedensten Gründen nicht, entweder, weil sich keine Mieterin oder kein Mieter findet – das muss ja auch nicht unbedingt daran liegen, dass man eine zu hohe Miete verlangt, was man ja in vielen Fällen gar nicht darf – oder weil die Wohnung nach einem Mieterwechsel saniert werden muss, und die Vermieterin oder der Vermieter kann es sich nicht leisten.
All das müsste theoretisch in die Ausnahmetatbestände aufgenommen werden, sodass man, wenn man behauptet, dass man zielsicher Personen treffen möchte, sie auch trifft.
Beispiele dafür: In der Steiermark gibt es bei den vorhandenen Zweitwohnsitzabgaben keine Ausnahmebestimmungen hinsichtlich des erfolglosen Anbietens eines Leerstands auf dem Markt, in Tirol oder Salzburg schon, wenn man die Wohnung zu ortsüblichen Konditionen anbietet und keine Mieterin oder keine Mieter findet. So etwas würde wahrscheinlich auch mit Leerstandsabgaben passieren, wobei die große Frage ist, in welchen Bundesländern es eine Mehrheit dafür gibt, so etwas einzuführen. Ich glaube, man wird lange danach suchen müssen. Also ich kann mir höchstens diejenigen vorstellen, wo es jetzt schon Zweitwohnsitzabgaben gibt. Wobei: Wenn ich von der FPÖ höre, in Salzburg – dort ist sie in der Landesregierung – würde sie dem auch nicht zustimmen, dann bleiben nur mehr zwei Bundesländer übrig, wo das passiert.
Es kommen auch noch praktische Probleme bei der Anwendung dazu. Wie stellt man fest, ob eine Wohnung leer steht? Bei all den Statistiken, die jetzt interessanterweise zum Beispiel auch von Greenpeace verbreitet wurden, zieht man das Melderegister heran. Das Melderegister ist ein öffentliches Register. Da kann man nachschauen, in welchen Wohnungen oder Häusern Hauptwohnsitze oder Zweitwohnsitze gemeldet sind.
Auf der einen Seite gibt das Melderegister aber nicht hundertprozentig Auskunft darüber, ob irgendwo jemand wohnt, nur weil jemand irgendwo gemeldet ist, sowohl auf der positiven Seite als auch auf der negativen Seite. Also nur weil jemand wo gemeldet ist, muss er noch nicht unbedingt dort wohnen. Auf der anderen Seite: Nur weil jemand irgendwo nicht gemeldet ist, heißt das noch nicht, dass niemand dort wohnt. Wenn einzig auf das Melderegister abgestellt wird, gibt es natürlich 100 Umgehungsmöglichkeiten, irgendjemanden zumindest mit einem Zweitwohnsitz in einer Wohnung zu melden, um eine Leerstandsabgabe zu verhindern. Ich weiß nicht, ob das im Sinne der Erfinderinnen und Erfinder ist.
Auf der anderen Seite: Wenn nicht das öffentliche Register, das Melderegister, herangezogen wird: Wie will man es sonst feststellen? Soll vielleicht über die Smartmeter der Stromverbrauch kontrolliert werden? – Das ist etwas, das auf keinen Fall passieren darf.
Ganz allgemein zu einer Länderkompetenz zur Erhebung von Steuern und Abgaben: Wir NEOS sind ja normalerweise die Ersten, die sagen, dass die Länder mehr Steuerautonomie bekommen sollen, damit sie verantwortlich dafür werden, das Geld einzunehmen, das sie ausgeben. Im konkreten Fall wandert aber nicht eine Kompetenz vom Bund zu den Ländern, sondern diese Abgabe käme nur on top zur ohnedies hohen Abgabenquote von 43,2 Prozent dazu. Wenn sich insbesondere die ÖVP immer rühmt, die Abgabenquote senken zu wollen, ist das ein wunderbares Beispiel dafür, dass sie genau gegenteilige Gesetze beschließt.
Zur praktischen Anwendung: Zusätzlich zur Definition von Leerstand kämen eben große Probleme bei der Erfassung des Leerstands dazu. Das bringt Bürokratie.
Eine Leerstandsabgabe ändert überhaupt nichts an den Gründen, warum Eigentümerinnen und Eigentümer nicht vermieten. Die sind wie gesagt: Eigenbedarf in naher Zukunft, Überforderung mit dem komplizierten Mietrecht oder die Einschätzung, dass Aufwand und Risiko einer Vermietung den finanziellen Nutzen nicht rechtfertigen.
Vermieten muss in Wirklichkeit unkomplizierter möglich sein, es muss sich lohnen. Was es eigentlich dazu braucht, ist eine Reform des Mietrechts, das eine gute Balance zwischen den Rechten der Mieterinnen und Mieter auf der einen Seite und der Vermieterinnen und Vermieter auf der anderen Seite bringt. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der FPÖ.)
12.33
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sascha Obrecht. Ich erteile ihm das Wort.