12.33

Bundesrat Mag. Sascha Obrecht (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte trägt schon sehr wilde Früchte, nicht? Wenn man sich das überlegt: Wir reden über die Leerstandsabgabe mit dem Bildungsminister, wir haben einen FPÖ-Bundesrat, der praktisch – ein bisschen abgewandelt, aber doch – das kommunistische Manifest zitiert und Eigentum für alle fordert. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ, ÖVP und Grünen.) Vor etwa einer halben Stunde gab es eine Presseaussendung von der ÖVP Wien, die sagt, Leerstandsabgabe bedeutet Enteignung. Gleichzeitig kommt jemand von der ÖVP Tirol heraus und erklärt, warum das super ist. Also das ist schon recht wild. (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht aber zu dieser Leerstandsabgabe: Ich will es kurz auf den Punkt bringen. Wofür feiern sich denn die Regierungsparteien jetzt gerade konkret bei der Leerstandsabgabe? – Dafür, dass sie ihre eigene Verantwortung abschieben. Das ist es.

Die Leerstandsabgabe ist momentan in Bundeskompetenz. Das wurde hier ja mehrfach bestritten. Ich habe es von der ÖVP gehört, ich habe es von den Grünen gehört: Die Stadt Wien könnte doch endlich eine Leerstandsabgabe einführen. Wie oft ich das gehört habe! Ich habe immer gesagt, das stimmt nicht. Verfassungsmäßig ist das die Kompetenz des Bundes. Ja, offensichtlich sehen es die Regierungsparteien mittlerweile auch so. Sonst hätten wir dieses Gesetz jetzt nicht und würden die Kompetenz nicht zu den Ländern schieben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz ehrlich: Bei der Leerstandsabgabe sieht man ja auch ein wenig, wen diese Regierung tatsächlich schützen will, weil: Wenn man es machen will, hätte man es einfach machen können.

Stellen Sie sich vor, ich bin zum Beispiel zu Hause dafür verantwortlich, den Müll hinauszubringen. Stellen Sie sich vor, ich lasse den wochenlang stehen! Irgendwann kommt meine Frau zu mir und sagt: Na ja, jetzt wird es langsam Zeit! Es ist deine Aufgabe, das zu tun. Ich sage: Nein, das machen wir jetzt anders! Ab heute bist du zuständig dafür, den Müll hinunterzutragen. Ich sage Ihnen: Damit habe ich das Problem überhaupt nicht gelöst, sondern ich habe gleich drei, vier andere Probleme zusätzlich. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP.)

Ähnlich machen Sie das auch. Jetzt machen Sie keine einheitliche Lösung, sondern neun Länderlösungen, wobei Kollege Arlamovsky schon richtig gesagt hat, es ist gar nicht klar, ob das in neun Bundesländern kommen wird.

Ich glaube, in Wien werden wir schon einen Weg finden, Kollege, denn eines muss man schon sagen: Wer nicht will, der findet Gründe, aber wer will, der findet Wege. Wir werden es in Wien schon irgendwie schaffen, dass wir da auf einen grünen Zweig kommen.

Zu der Leerstandsabgabe per se kann ich also sagen, es ist ungenügend, was die Regierungsparteien da liefern. Das könnte man machen, Sie schieben es aber wieder ab. Das zieht sich durch die wohnungspolitische Agenda dieser Bundesregierung durch. Warum? – Leerstandsabgabe machen Sie nicht, schieben Sie weg. Den Kampf gegen befristete Mietverträge führen Sie gar nicht. Wenn es darum geht, den gemeinnützen Wohnbau zu unterstützen, machen Sie zu wenig. Wenn es darum geht, Mietpreise zu stoppen – und ich kann es gar nicht oft genug sagen: ein Viertel der Österreicherinnen und Österreicher können sich die Mieten momentan kaum leisten –, tun Sie auch nichts. Das machen andere Staaten anders. Zum Beispiel die Schweiz greift da ein, und wir machen es nicht. Insofern ist es ein Nicht genügend, das dieser Bundesregierung wohnungspolitisch auszustellen ist.

Hinzu kommt noch ein Punkt – und der ist mir besonders wichtig –: Sie erzählen ja immer dieses Märchen: Wir stehen dafür, dass wir Eigentum von Menschen möglich machen! Das erzählen Sie den Leuten immer wieder, obwohl es sich die meisten einfach nicht leisten können.

Ganz viele Menschen haben momentan einen Kredit laufen, 500 000 Menschen haben in Österreich einen Kredit mit variablen Zinsen abgeschlossen. Diese Zinsraten steigen in lichte Höhen. Was tun Sie, um diesen Menschen zu helfen? – Nichts tun Sie. Die können es sich kaum leisten, die überlegen jetzt schon wieder, zu verkaufen, und Sie sagen allen Ernstes, Sie seien die Häuslbauerpartei. Das sind Sie einfach nicht, weil Sie da nicht eingreifen.

Wissen Sie, zu wessen Gunsten das läuft, wenn Sie nicht eingreifen? – Zu Gunsten der Banken. Die profitieren davon. (Beifall bei der SPÖ.) Es gab im großen Mittel der letzten Jahre einen Jahresgewinn der österreichischen Banken von in etwa 6,5 Milliarden Euro. Wissen Sie, wo er 2022 lag? – Bei 10,2 Milliarden Euro. Der Gewinn der Banken im Jahr 2023 war 14,1 Milliarden Euro. Auf wessen Kosten? 14,1 Milliarden Euro haben diese Banken gemacht.

Stellen Sie sich vor: In Großbritannien gibt es eine Tories-Regierung. Die sind superkonservativ. Die drohen den Banken mit einer Finanzmarktaufsicht, und auf einmal können die Banken Zinsen auf Sparguthaben hergeben, auf einmal sinken die Kreditraten. Die Briten schaffen das, und wir in Österreich schaffen es nicht.

Das ist auch der Grund dafür, warum wir einen Entschließungsantrag einbringen, und zwar:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag. Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rekordteuerung für die Menschen, Rekordgewinne bei den Banken. Das Wohnpaket der Regierung senkt keinen einzigen Preis“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die einen echten und sofortigen Teuerungstopp für die eigenen 4-Wände und mehr Gerechtigkeit im österreichischen Steuersystem bewirken kann. Die notwendigen Maßnahmen dazu umfassen insbesondere,

- Das Einfrieren sämtlicher Mieten (inklusive preisungebundener Mieten und Geschäftsraumieten) bis Ende 2026 und eine drauffolgende, jährliche Deckelung des Mietanstiegs bei maximal 2%.“ – Das ist nicht ungewöhnlich; andere Länder machen das, wir nicht. –

„- Die Einführung eines Zinspreisdeckels von maximal 3% für alle Häuslbauerkredite bis zu einer Kreditsumme von 300.000 €, finanziert durch die Abschöpfung von zumindest ⅓ der Übergewinne der Banken aus den Jahren 2022 und 2023 in Höhe von insgesamt 11,3 Mrd. €.

- Die Einführung einer Mindestverzinsung in Höhe von derzeit 3% für alle Bankkundinnen- und kunden bis zu einem bestimmten Einlagenbetrag. Als Vorbild dafür dient das französischen Modell: „Livret A.“

- Die Einführung einer Millionärsabgabe sowie einer Erbschafts- und Schenkungssteuer für Millionenerbschaften ab 1 Mio. €; dabei ist jeweils ein zusätzlicher Freibetrag für das Eigeneheim in Höhe von 1,5 Mio. € vorzusehen.“

*****

Warum machen wir das? – Weil es schlussendlich um die Frage geht, wen wir vertreten und wen wir schützen wollen. Sie müssen sich die Frage stellen, wen Sie schützen.

Die TU Wien hat gemeinsam mit der Arbeiterkammer in den Jahren 2018 bis 2022 eine Studie durchgeführt, in der sie sich gefragt haben, wer nun diese neuen Wohnungen kauft. Sie kommen zum Ergebnis, dass tatsächlich momentan mehr Wohnungen gebaut als gebraucht werden, nur passiert das in einem Segment, in dem es sich die Menschen nicht leisten können. Die Hälfte der innerhalb dieser vier Jahren neu gebauten Wohnungen wurde von Gewerblichen gekauft, 75 Prozent davon von ausländischen Investoren. Die wollen nicht vermieten, die wollen damit spekulieren.

Ich frage Sie: Wen schützen Sie, wenn Sie dem nicht zustimmen, wenn Sie die Leerstandsabgabe jetzt abschieben wollen? – Für uns ist das klar: Wir schützen die Mieterinnen und Mieter, wir wollen, dass sich die Leute das Leben leisten können. Sie aber schützen große Konzerne, Immobilienkonzerne und Sie schützen Banken. Insofern fordern wir Sie auf, dass Sie das unterstützen.

Schlussendlich – und ich komme auch schon zum Schluss –: Was ist die Bilanz dieser Bundesregierung? Steuergeschenke an Konzerne? Ich erinnere an die Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 23 Prozent – unter Beteiligung der FPÖ, muss man dazusagen –, das Versprechen einer Patientenmilliarde, die den Menschen nicht 1 Milliarde Euro gebracht hat (Beifall bei der SPÖ), sondern die sie zusätzliche 1,2 Milliarden Euro gekostet hat; das ist also in die andere Richtung gegangen. (Zwischenruf des Bundesrates Ruprecht.)

Die große Budgetunwahrheit: Finanzminister Brunner ist hier gesessen und hat gesagt: Wir erfüllen die Maastrichtkriterien. Der Fiskalrat – das ist keine Vorfeldorganisation von uns – sagt, dass die Verschuldung 3,4 Prozent betragen wird. Das ist eine Verfehlung der Maastrichtkriterien (Bundesrat Himmer: Prognosen ...! ... sehr weit hergeholt!) und das bedeutet für künftige Regierungen, dass wir ein Riesenproblem haben werden. Auch da wurde die völlige Unwahrheit gesagt. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Schlussendlich sagt die Ministerin, die zukünftige EU-Kommissarin, die jetzt neben mir Platz genommen hat, noch, die 41-Stunden-Woche ist das, was wir in diesem Land brauchen werden. – Ich glaube ja nicht, dass das so ist. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Himmer.– Ja, ich habe gelesen, dass sie versucht hat, zurückzurudern. Das habe ich auch gelesen, glauben tue ich es keine Sekunde lang, denn dafür kam zu viel. Zuerst der Angriff von Minister Brunner auf die Pensionen, als er gesagt hat, die Leute müssen länger arbeiten gehen, und jetzt auch noch die 41-Stunden-Woche: Die Leute wissen genau, wofür diese Bundesregierung steht. (Beifall bei der SPÖ.)

Insofern, das ist auch mein letzter Satz, gibt es nicht nur einen Leerstand, der am Immobilienmarkt zu bekämpfen ist, es gibt auch einen Leerstand an Ideen und Konzepten, wie man die Herausforderungen dieses Landes lösen kann. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Die prozentuelle Leerstandsabgabe der Regierungsparteien wird teuer werden. (Beifall bei der SPÖ.)

12.42

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.

Der von den Bundesräten Sascha Obrecht, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rekordteuerung für die Menschen, Rekordgewinne bei den Banken. Das Wohnpaket der Regierung senkt keinen einzigen Preis“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich darf an dieser Stelle Bundesministerin Karoline Edtstadler sehr herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. Ich erteile ihr das Wort.