14.27

Bundesrätin Mag.a Claudia Arpa (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Be­sucher! Werte Zusehende! Beim Tagesordnungspunkt 8 geht es um die Novelle zu verschiedenen Sozialversicherungsgesetzen, da etliche Bereinigungen aufgrund von Höchstgerichtsentscheidungen durch verschiedene Gerichts­höfe notwendig sind und waren – ein Beispiel mehr dafür, dass die Regierung nur das korrigiert, was aufgrund von Urteilen bereinigt werden muss. Wir werden diesem Tagesordnungspunkt nicht zustimmen. Warum, erkläre ich jetzt gleich.

Es fehlt zum einen die wichtigste Bereinigung, und zwar betreffend die Bestimmung des § 130 B-KUVG. Da geht es um die Entsendung in die BVAEB – Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau – durch die BAK. Seit 2019 wurde von der im Amt befindlichen Regierung nichts – nichts! – unternommen, um diese Lücke zu schließen. Dabei droht der BVAEB Ungemach. Es wäre an der Zeit, das Verharren in der Verweigerung der verfassungsrechtlichen Realität aufzugeben und die erforderlichen gesetzgebe­rischen Maßnahmen zu treffen und die Organe der BVAEB verfassungs­konform neu zu besetzen, damit diese Probleme nicht auf dem Rücken der Ver­sicherten ausgetragen werden. Anerkannte Verfassungsjuristen und so­gar ehemalige Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes befürchten nämlich, dass sämtliche Beschlüsse des Kontrollorgans rechtswidrig sein könnten, weil die Zusammensetzung immer noch nicht korrigiert wurde. Trotzdem bleiben Sie untätig. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Der zweite Punkt, den ich beleuchten möchte, ist unser Pensionssystem, da vor allem die ÖVP – wir hatten heute ja auch schon einiges an Diskussionen – das Pensionsantrittsalter immer wieder erhöhen will, es bei 67 Jahren andenkt. Der Forderung erteilen wir als SPÖ natürlich eine klare Absage. Der Grund ist relativ einfach: Sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen ja gar nicht vor der Frage, ob sie länger arbeiten wollen oder nicht, denn ein Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat bereits einen sogenann­ten Rehageldbezug oder befindet sich in der Arbeitslosigkeit. Es liegt also zunächst einmal in der Verantwortung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die Arbeitsbedingungen so fair zu gestalten, dass man auch ohne gesund­heitliche Defizite das Pensionsalter überhaupt erreichen kann.

Auch hier zeigt sich – und deswegen bin ich auch da –, dass besonders Frauen davon betroffen sind, nämlich davon, nicht aus der Erwerbsfähigkeit he­raus in Pension zu gehen, sie sind von großen Pensionsverlusten betroffen. Ich glaube, das ist etwas, was wir ändern sollen.

Die Grundlage für unser solidarisches Pensionssystem ist ja eine gute und stabile Wirtschaftslage. Der internationale Vergleich zeigt uns, dass das Pensions­system – (in Richtung der jugendlichen Besucher:innen hinten im Saal bli­ckend:) wenn ich da gerade die Jugend anschaue – auch in Zukunft sicher sein wird. Je höher die Beschäftigung, je besser die Einkommen, desto leichter auch die Finanzierung. Eine gerechte Anpassung der Löhne spielt also nicht nur für die Kaufkraft hier und heute eine Rolle, sondern auch in Zukunft. Das ist natürlich für ein funktionierendes Pensionssystem auch relevant, wobei ja die Industriellenvereinigung – und das hatten wir heute auch schon zum Thema – vor Kurzem eine Pressekonferenz abhielt, und dort hieß es, alle müssen nun anpacken. 41 Wochenstunden ohne Lohnausgleich wurden gefordert. Das Anpacken wurde, glaube ich, lediglich auf die Arbeitnehmer:innen abgewälzt; was die Wirtschaft dazu beitragen wird, wurde nicht explizit erläutert.

Geschätzte Damen und Herren, Arbeitnehmer:innen arbeiten heute schon mehr, als sie vertraglich verpflichtet sind. Sie leisten heute schon fast mehr als 200 Millionen Überstunden im Jahr. Jede vierte zusätzlich geleistete Stunde wird nicht entlohnt. (Beifall bei der SPÖ.) 2022 und 2023 gab es 47 Millionen unbe­zahlte Überstunden. Dieser Lohnraub verursacht 1,5 Milliarden Euro Schaden im Jahr für die Arbeitnehmer:innen, und das ist auch Geld, das dem Staatshaus­halt einfach fehlt. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein Punkt, weil ich die Frauen noch einmal vor den Vorhang holen möchte: Wegen der lückenhaften Erwerbsbiografien und auch wegen fehlender Kin­derbetreuungsplätze, Carearbeit und der schlechteren Bezahlung ver­dienen Frauen im Laufe ihres Lebens etwa 580 000 Euro und Männer 1,5 Mil­lionen Euro, was in einer Welt, die Aufmerksamkeit, Rechte und Gestal­tungsmöglichkeiten jenen gibt, die Geld haben, einen Unterschied macht. (Bun­desrätin Schuman: Genau!)

Es gibt aber auch zwei akute Probleme, die derzeit für neue Pensions­zugänge lebenslange Verluste für die Pensionshöhe bedeuten: Erstens kommt die Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung aufgrund der derzeiti­gen gesetzlichen Lage 2025 zum Tragen; wir haben das ja auch schon in der letzten Sitzung intensiv diskutiert. Bei der namentlichen Abstimmung haben die ÖVP und die Grünen gegen die Reparatur wichtiger Regelungen im Pensionssystem gestimmt. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Leider hängt es vom Geburtstag ab, ob man einen lebenslangen Verlust in der Pension hinnehmen muss, denn der Pensionsstichtag bestimmt, wie viel Pensionsanpassung man im nächsten Jahr bekommt. Hat man Glück und man ist im Jänner geboren und kann in Pension gehen, bekommt man im nächs­ten Jahr die volle Anpassung, im Juli Geborene bekommen nur noch die Hälfte, und ist man im November geboren, so wie ich, gibt es gar keine Anpas­sung mehr. Türkis-Grün hat zwar für die Pensionsjahrgänge 2023 und 2024 die Aliquotierung ausgesetzt, aber beim Pensionsantritt mit 2025 schlägt sie wieder voll zu.

Bei der Pensionsanpassung – das muss man sich auch einmal verge­genwärtigen – geht es ja grundsätzlich immer um die Wertanpassung für das zukünftige Leben, auch in der Pension. Es geht ja da nicht um die Vergangenheit, daher ist ja nicht entscheidend, in welchem Monat ich in Pension gehe, sondern in welchem Jahr. Es wird ja bei der Berechnung der Pensionen innerhalb eines Jahres auch nicht differenziert. Es hat auch mit der Anpassung der Pen­sionen nichts zu tun. Der Wertverlust muss daher für die nächsten Pensionsjahre zur Gänze ausgeglichen werden, und die Zahl der Betroffenen, das möchte ich jetzt auch noch einmal anmerken, ist nicht klein. (Beifall bei der SPÖ.) Pro Jahr gehen ja derzeit in Österreich rund 100 000 Menschen neu in Pension – 90 000 davon nicht im Jänner. Sie hätten von der aliquoten Pensionsanpassung finanzielle Nachteile.

Ein weiterer besonders ungerechter Aspekt in der Staffelung entsteht nun­mehr auch durch die Anhebung des Frauenpensionsalters. Für die nächsten zehn Jahre, beginnend mit 2024 – also jetzt –, werden durch die halbjährliche Erhöhung des Antrittsalters um ein halbes Jahr die Pensionsantritte für die Frau­en in die zweite Jahreshälfte fallen. Ich habe schon vorher erklärt, dass das ungerecht ist, und ich finde, das gehört geändert. Hat man nämlich das Glück und man kann im Jänner in Pension gehen, bekommt man im Folgejahr die volle Pensionsanpassung, im Juli nur noch die Hälfte.

Der zweite Punkt: Was wir auch noch gerne gehabt hätten, wäre die Schutzklau­sel. Wir fordern eine Schutzklausel, damit die Kaufkraft der in der Vergan­genheit erworbenen Pensionsgutschrift erhalten bleibt. Die Schutzklausel kommt nur in Zeiten stark ansteigender Inflation zur Anwendung, die wir gerade jetzt haben, weil die Aufwertungszahlen in Zeiten einer stabilen Inflationsrate grundsätzlich höher sind als die Anpassungsfaktoren. Um diese drohen­den Pensionsverluste zu verhindern, müssen diese Probleme noch bis zum Som­mer gelöst werden.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es gerade Frauen sind, immer Frauen sind, die hier einfach ständig benachteiligt werden, und daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Mag. Claudia Arpa, Kolleginnen und Kollegen betreffend „notwendige Maßnahmen im Pensionsrecht“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat bis spätestens 12. Juni 2024 eine Regierungsvorlage zur Abschaffung der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung und zur Einführung einer Schutzklausel in der Höhe des Anpassungsfaktors (§ 108f ASVG) des jeweils zweitfolgenden Kalen­derjahres für die Aufwertung der Gesamtgutschrift im Pensionskonto zu übermitteln.“

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Ich bitte hier um breite Zustimmung sowohl von den Männern als auch von den Frauen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36

Präsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Mag. Claudia Arpa, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „not­wendige Maßnahmen im Pensionsrecht“ ist somit genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich erteile ihm dieses.