14.19
Bundesrat Andreas Babler, MSc (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! (Bundesrat Steiner: Er verabschiedet sich auch!) Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mit einer Zahl beginnen: 1 244 Tage – so lange haben wir in unserer Republik kein Klimaschutzgesetz.
1 244 Tage versucht die Regierung, eines zustande zu bringen, und scheitert daran – beziehungsweise korrekter ausgeführt und mich in dieser Formulierung ein bisschen selber korrigierend: Seit 1 244 Tagen versucht Frau Ministerin Gewessler, ein Klimaschutzgesetz zustande zu bringen, und seit 1 244 Tagen scheitert sie an der Blockadehaltung der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Na weil sie keinen Excel-Kurs hat!)
Frau Ministerin, ganz ehrlich gesprochen und voller Respekt – Sie kennen mich ja –: Ich kaufe Ihnen Ihr Engagement hundertprozentig ab, und ich bin auch voll der Meinung, dass Sie mit all Ihrer Leidenschaft, mit all dem Brennen für dieses Thema genau auf dem richtigen Weg sind. Ich möchte das auch inhaltlich unterstützen.
Eine kleine Kritik dabei: Zum politischen Geschäft gehört eben auch, dass man sich durchsetzt, dass man Verhandlungen führen kann und dass Verhandlungen auch tatsächlich Ergebnisse bringen. (Bundesrat Buchmann: Das sagt der Richtige!) Die beste Absicht nützt eigentlich nichts, wenn das Ergebnis nicht stimmt. Und das Ergebnis ist traurig: Wir haben kein Klimaschutzgesetz in diesem Land. Damit haben wir weder verbindliche Klimaziele noch die Möglichkeit, Maßnahmen in anderen Bereichen anhand von klar definierten Kriterien auf Wirksamkeit und Effizienz zu prüfen. Österreich – das in aller Klarheit – befindet sich somit klimapolitisch im Blindflug.
Selbst wenn man kein Herz für das Klima hat – ich höre sehr aufmerksam auf die Zwischenrufe, auch von den Klimablockierern in diesem Bundesrat –, sollte man zumindest sein ökonomisches Hirn dazu einschalten. Dann sollte man einmal darüber nachdenken, dass wir durch diese Untätigkeit jetzt, durch diese fehlenden Maßnahmen, durch das fehlende Gesetz, durch die fehlende Strategie dazu verdammt sind, in ein paar Jahren 4,5 bis 6 Milliarden Euro – manche sagen sogar 9 Milliarden Euro – an Strafe zu zahlen (Bundesrat Spanring: ... Blödsinn!) – Geld, das verpufft, das nicht in den Klimaschutz geht; das ist sozusagen einfach Verbrennung von Steuergeld.
Ja, Sie, die FPÖ, sind übrigens Meister im Verbrennen von Steuergeld (Bundesrat Leinfellner: Wer hat denn ... beschlossen ...?), das kriegen wir ja logischerweise eh geschichtlich nachgewiesen – vielen Dank für die Bestätigung. (Beifall bei der SPÖ.)
Wissen Sie was? – Sie können mit mir über Steuergeld, über Zweckmäßigkeit reden. (Bundesrat Steiner: Selber aufgestellt ...!) – Herr Bundesrat von der FPÖ, sehr gerne! Sie können mit mir gerne über Zweckmäßigkeit von Steuergeld reden, Sie können mit mir auch über Klimaschutzmaßnahmen reden. Das hat aber überhaupt keinen Sinn, Sie haben von beiden Bereichen überhaupt keine Ahnung – überhaupt keine Ahnung! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)
Man sieht am Scheitern der Ministerbemühungen aber auch ganz deutlich, dass die ÖVP zur Antiklimapartei geworden ist, falls sie jemals anders gewesen sein sollte. 2011 hätten wir eigentlich schon ein Klimaschutzgesetz gehabt, übrigens mit Beteiligung der FPÖ. Obwohl sie heute eher klimawandelleugnend unterwegs ist, hat man es damals geschafft, ein sehr schwaches, nicht sehr großartiges, aber immerhin ein Klimaschutzgesetz zu haben. Schade ist, dass es unter Beteiligung der Grünen, mit einer grünen Bundesregierung auslaufen musste und dass wir gleichzeitig jetzt auch an dem neuen Klimaschutzgesetz scheitern, auf das wir seit 1 244 Tagen – um es korrekter zu formulieren – tatsächlich warten.
Ich fordere Sie, Frau Minister, auf, inhaltlich Ihrem Herzen und Ihrem Verstand auch weiterhin zu folgen, dass Sie sich gegen die ÖVP durchsetzen. Führen Sie die Verhandlungen, üben Sie den Druck aus, der notwendig ist! Es geht tatsächlich um große Verantwortung, die wir beide auch teilen: dass wir die Verantwortung haben, für die nächsten Generationen jetzt Maßnahmen zu setzen.
Sie und ich – Sie kommen auch aus dem Fach – wissen, dass wir Kipppunkte in Prozessen erreicht haben, die nicht reversibel sind, die noch schlimmer werden, und dass noch mehr Kipppunkte erreicht werden, wenn wir nicht jetzt handeln, sondern erst in einigen Jahren, weil einfach gegenseitige Blockadehaltungen das politische Geschäft in diesen Fragen bestimmen.
Kipppunkte sind Kipppunkte, und selbst die, die vorgeben, dass sie stolz auf die Republik, auf die Naturlandschaften, auf die Gletscher, auf die Flüsse, auf die Seen sind, werden auch einmal draufkommen, dass sie Prozesse verschlafen haben. Wir haben eine Verantwortung für die nächste Generation, für die Generation meiner Tochter und vieler anderer, jetzt Maßnahmen zu setzen, jetzt, in dieser Legislaturperiode, tatsächlich das versprochene Klimaschutzgesetz noch durchzusetzen. Deswegen möchte ich Sie bestärken, da kräftig zu sein und diesen Widerstand in der Bundesregierung, den Widerstand der ÖVP zu brechen. (Beifall bei der SPÖ.)
Weil ich gerne über diese 1 244 Tage spreche: ein bisschen in Relation dazu, was in 1 244 Tagen alles möglich war – damit man ein bisschen ein Gefühl hat, was in 1 244 Tagen in Österreich alles möglich ist. (Bundesrat Spanring: Da habts ihr ...! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – 1 244 Tage mit vielen guten Zwischenrufen, beispielsweise.
Was ich aber meine: 1 244 Tage mit immerhin drei Bundeskanzlern – der dritte Bundeskanzler in den 1 244 Tagen –, der dritte Gesundheitsminister, den wir in den 1 244 Tagen haben (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), unvorstellbare Summen an Hilfsgeldern, die bei den Maßnahmen intransparent an viele große Unternehmen, die sie wahrscheinlich in diesen Fragen gar nicht gebraucht hätten, ausgezahlt worden sind. (Bundesrat Spanring: Und wer war überall dabei? Die SPÖ! Alles unterstützt!)
Beispielsweise haben in diesen 1 244 Tagen Privatjetunternehmen in Österreich rund 18 Millionen Euro erhalten. Ein bisschen mehr haben – sozusagen auch begünstigt – René Benkos Konzerne ausgeschüttet bekommen: 18,7 Millionen Euro. Da haben 1 244 Tage gereicht, um das alles mit unterzubringen.
Im AUA-Deal wurden 150 Millionen Euro Steuergeld verbrannt. Da haben 1 244 Tage gereicht (Bundesrat Spanring: Gusenbauer!), aber ein Klimaschutzgesetz zu verabschieden, in der Verantwortung für die nächsten Generationen, eingebettet in den Druck von klimawandelleugnenden Fraktionen, die eine Schande für alle wissenschaftsfreundlichen Menschen in diesem Land sind (Zwischenruf des Bundesrates Steiner), dafür haben 1 244 Tage nicht gereicht. – Das ist sozusagen die Relation, um darüber nachzudenken. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich sage Ihnen diese Geldsummen auch nicht ganz umsonst, sondern wegen dem, was ich immer höre, wenn ich Klimamaßnahmen vorschlage – dass wir ein bisschen von dieser Individualschuldstrategie weggehen, davon, immer mit dem Zeigefinger auf alle Menschen zu zeigen und zu sagen: Ihr seid als Individuen schuld, was Fragen der Erderhitzung anbelangt! (Bundesrat Spanring: Erhitzung! Erhitzung! Ach so, ...!), dass die Politik schon die Hebel machen muss; dafür werden wir bezahlt, dafür haben wir einen Auftrag, dafür werden wir auch gewählt. Deswegen habe ich die Summen, diese Millionen, deren Ausschüttung von der Regierung verantwortet worden ist, aufgezählt, um ein bisschen ein Gefühl zu kriegen.
Klimaschutz kostet Geld. Ich höre immer dann, wenn wir etwas vorschlagen, mit dem die großen Hebel bedient werden, wenn wir über den Transformationsfonds nachdenken (Bundesministerin Gewessler: Gibt’s schon!), dass wir endlich eine Strategie einer modernen, nachhaltig orientierten Industriepolitik in Österreich haben, damit wir auch in 30 Jahren noch eine Beschäftigung für unsere jungen Leute haben, damit wir die Transformation nicht verschlafen und eine Strategie haben, um politisch die Hebel zu setzen und nicht mit dem Zeigefinger zu zeigen (Bundesrat Schreuder: Was ist mit der Renaturierung?), wie viel Geld das kostet. Ich habe Ihnen aber jetzt vor Augen geführt, was Sie 1 244 Tage lang an Geld hinausgeschossen haben und wie Sie sich nicht durchgesetzt haben. (Bundesrat Schreuder: Was ist mit der Renaturierung? Was ist mit der Renaturierung in Wien?) – Alles gut, spiel dein politisches Spiel! Mir geht es um den Klimaschutz, das unterscheidet uns jetzt in Vorwahlzeiten. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schreuder: Was ist mit der Renaturierung in Wien?)
Danke für deine Emotion, jetzt wird nämlich genau sichtbar, worum es wirklich geht: wer die stärkste Partei sein wird, wer in Zukunft die Regierung führt. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Doppler und Huber. – Bundesrat Schreuder: Das ist ja wohl ein Witz!) Wird es eine ÖVP sein, mit der sich Klimaschutz leichter durchsetzen lässt? – Du kannst gerne schreien, in diese (in Richtung ÖVP weisend) Richtung wäre es gescheiter, um vielleicht ein bisschen Druck aufzubauen, nämlich auch beim Koalitionspartner, der euch blockiert, der die Ministerin in einem guten Anliegen blockiert. (Beifall bei der SPÖ.)
Das ist die Frage: Wer wird die stärkste Kraft sein? Werden es ÖVP und FPÖ sein, die Klimaschutzmaßnahmen weiter torpedieren, wird die SPÖ die stärkste Kraft sein? (Zwischenrufe der Bundesrät:innen Doppler und Leinfellner. – Bundesrat Schreuder: Was ist das für eine Aggression?) Deswegen würde ich appellieren: Frau Ministerin Gewessler, ich kaufe Ihnen den Einsatz ab. Ein ehrliches Wort: Versuchen Sie es noch einmal!
Deswegen darf ich hier jetzt folgenden Entschließungsantrag einbringen:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Andreas Babler, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Klimaschutzgesetz jetzt – ÖVP und Grüne müssen die Blockade auflösen!“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat umgehend eine Vorlage zur Schaffung des im Regierungsprogramm versprochenen Klimaschutzgesetzes zuzuleiten, um den Beschluss bis zum Ende der Legislaturperiode zu ermöglichen.“
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In diesem Sinne: Klimaschutz jetzt, Verantwortung für die Generationen, Wegnehmen von Wahlkampfgetöse (Heiterkeit und Ah-Rufe bei ÖVP, FPÖ und Grünen), Blockaden beenden, endlich die Ministerin stärken! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
14.28
Präsidentin Margit Göll: Der von den Bundesräten Andreas Babler, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Klimaschutzgesetz jetzt – ÖVP und Grüne müssen die Blockade auflösen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte sehr.