15.36

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Werter Herr Bun­desminister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, man braucht nicht so viel Angst vor Zahlen zu haben. Diese x-malige Betonung, dass das mit den Zahlen doch vielleicht nicht so - - Nein, es geht uns ganz konkret um Fragen. Jede Frage, die wir stellen, hat einen Hintergrund.

Ich glaube, was uns alle verbindet, ist das Bekenntnis dazu, dass die Menschen in diesem Land ein Recht auf Sicherheit und auf ein Gefühl der Sicherheit haben. Das ist uns ganz wichtig. Auf der anderen Seite ist es uns ganz besonders wichtig, dass jene Berufsgruppe, die für uns alle ihre Gesundheit aufs Spiel setzt, sogar ihr Leben aufs Spiel setzt, die bestmöglichen Arbeitsbedin­gungen hat. Dafür werden wir uns einsetzen und das ist Sinn und Zweck dieser Dringlichen Anfrage. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Polizei ist vielfältig. Es sind Frauen und Männer. Es sind Personen aus allen Altersgruppen in der Polizei beschäftigt. Es sind unsere Nachbarn, unsere Freunde, unsere Bekannten, unsere Verwandten. Sie (in Richtung Bundes­minister Karner) haben es gesagt – und das ist natürlich richtig –, die Polizei rekrutiert sich aus der Mitte der Gesellschaft.

Die Polizei hat extrem hohe Vertrauenswerte, und zwar – zwischen 2020 und 2023 gleichbleibend – von fast 80 Prozent. Das resultiert daraus, dass die Polizei eine Vielzahl von Aufgaben hat, die in ihrer Vielfalt nur sehr selten angenehm sind für jene, die in diesen Bereichen beschäftigt sind – sei es für Strafen im Straßenverkehr, sei es bei Notfällen oder sei es auch bei Ge­walttaten, bei denen sie eingreifen müssen und wie gesagt für uns ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen. Die Bevölkerung vertraut der Polizei, weil sie sich ihres Wertes bewusst ist, weil die Menschen wissen, dass Polizeipräsenz ihnen in ihrem Lebensumfeld Sicherheit gibt.

Das ist es, worauf wir abzielen, daher auch die Fragestellung nach dem dienstbaren Beschäftigungsäquivalent, Herr Bundesminister. Es geht darum: Wie viele Menschen, wie viele Beschäftigte in der Polizei spüren die Menschen auf der Straße, in ihrem Bezirk, in ihrem Land, in ihrer Gemeinde? – Darum geht es. Dieses spürbare Gefühl, dass die Polizei da ist – und wenn ein Notfall ist, dann sind sie für mich da und unterstützen mich und werden jene bekämpfen, die nicht bereit sind, für Ordnung zu sorgen oder auf Ordnung zu schauen –, das ist so wichtig.

Da sind die Zahlen zurückgegangen und das macht uns – völlig berech­tigt – Sorgen. 4 000 Polizistinnen und Polizisten weniger heißt, wir brauchen einfach 4 000 Polizistinnen und Polizisten mehr. So ist es! (Bundesrat Zauner: Es wird nicht wahrer, wenn man es wiederholt!) Wir haben ganz große Abgänge. (Bundesrat Zauner: Es wird nicht wahrer, wenn man etwas Fal­sches wiederholt! – Bundesrätin Hahn: Zuhören, Herr Kollege!) – Na, Sie kommen ja dann zu Wort, Herr Bundesrat Zauner. Jetzt nicht so aufgeregt sein! (Bundesrat Zauner: Der Herr Minister hat ...! – Bundesrat Buchmann: Ja, aber er hat es ja gerade erklärt!) – Der Herr Minister darf dann auch noch einmal re­den, das ist keine Frage. Jetzt rede einmal ich und führe aus, warum wir die Dringliche machen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) So ist das, ganz klar gesagt. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Doppler.)

Also: Wir sagen, es fehlen Polizistinnen und Polizisten. Ganz ehrlich, das ist doch eindeutig, wenn ich die Anzahl der Überstunden sehe. Was sagen Sie, liebe Bundesrät:innen, liebe Zuseherinnen und Zuseher, wenn ich 10 Millio­nen geleistete Überstunden in einem Jahr angeben kann? Was heißt das? Heißt das, wir haben genug Personal? Ist das die logische Folgerung?!

Ich sage Ihnen ehrlich: Für mich als Gewerkschafterin heißt das, das ist nicht genügend Personal. (Beifall bei der SPÖ.) 10 Millionen Überstunden bedeu­ten 373,78 Stunden pro Jahr mehr zum ganz normalen Dienst. Das heißt, wir haben ein Personalproblem, ganz eindeutig; und wir haben ein Problem in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch das hören wir aus der Polizei, wir sprechen ja mit den Beschäftigten. Das ist ja nicht irgendwo hergeholt, sondern das ist die Lebensrealität von Polizistinnen und Polizisten.

Wir haben also zwei Teile: Wir haben auf der einen Seite das Recht der Bevölkerung auf die spürbare Sicherheit durch die Präsenz der Polizei. – Sie haben Polizeidienststellen geschlossen, Sie haben die Personaldecke der Polizei ausgedünnt. 10 Millionen Überstunden bedeuten eine unglaubliche Belastung. Polizistinnen und Polizisten arbeiten rund um die Uhr, in der Nacht, am Sonntag, am Feiertag – die sind einfach da! –, und wir wissen auch, dass das Grundgehalt bei der Polizei, und das ist ein großes Problem, zu niedrig ist; die Überstunden sind sozusagen das, was sie noch brauchen, um ein ordentliches Gehalt zu erreichen. Das heißt, da wäre dringend etwas zu tun.

Natürlich unterstützen wir das Volksbegehren seitens der Polizistinnen und Polizisten, die sagen: Hallo, da ist etwas zu tun, es ist einfach zu wenig Personal da! – Ich freue mich natürlich, Herr Bundesminister – keine Frage –, es ist super, wenn es Rekrutierungsmaßnahmen gibt, und es ist super, wenn das gemeinsam mit der Stadt Wien gemacht wird, weil in der Stadt Wien 1 500 Polizistinnen und Polizisten fehlen, ganz eindeutig – aber das ist zu wenig.

Ganz ehrlich gesagt: Die ÖVP ist seit 22 Jahren in der Funktion des Innenminis­ters vertreten, 22 Jahre! (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Schön, jetzt machen wir ein Rekrutierungsgschichtl, aber wir alle wissen, wie sich der Personalstand in der Polizei verändern wird. Wir wissen, zu welchen Pensionsabgängen es kommen wird, und wir wissen, dass da zu wenig getan wurde.

Natürlich gibt es neue Aufgaben, völlig richtig: Wir müssen in der Frage der Cybersicherheit präsent sein, wir müssen viele neue Aufgabenstellun­gen angehen, aber gleichzeitig sagen wir, wir müssen bei den Menschen vor Ort sein, weil das das Sicherheitsgefühl vermittelt, das sie brauchen. Ganz ehrlich: Ich möchte nicht und wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten möchten nicht, dass bei den Menschen so ein Unsicherheitsgefühl entsteht, ein Angstgefühl aufkommt: Oje, traue ich mich noch hinaus auf die Straße, kann ich am Abend hinausgehen? Kann ich einfach mein Leben? Muss ich Angst haben?

Angst ist kein guter gesellschaftlicher Motor, sondern ist etwas, das abgeschafft und abgestellt werden muss – und die Präsenz von Polizei nimmt der Be­völkerung auch die Angst. Angst und Wut und Sorge zahlen nicht auf demokrati­sche Strukturen ein, sondern zahlen nur auf jene ein, die Verunsicherung wollen und die gerne das System sprengen wollen – und das wollen wir nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt: Tun wir etwas für die Polizei! Helfen wir den Menschen, dass sie sich sicher fühlen, dass sie nicht glauben: Ich muss ja, bis die Polizei kommt, weil Polizeidienststellen geschlossen worden sind (Bundesrat Zauner: Das stimmt überhaupt nicht ...! – Zwischenruf des Bundesrates Buchmann), am Land ei­ne halbe Stunde warten, bis da wer kommt! – Geben wir ihnen das Gefühl, sie können an allen Orten, überall, gut durch die Stadt gehen! Geben wir ihnen das Gefühl! (Bundesrat Zauner: Das ist ja nicht faktenbasiert!) – Herr Zauner, regen Sie sich nicht so auf, Sie kommen ja eh gleich dran! (Zwischenruf des Bundesrates Zauner.) – Alles in Ordnung! Lassen Sie mich meine Rede halten! So ist es mit der Demokratie. Nicht so viel aufregen, machen Sie sich nicht so viele Sorgen! Der Herr Minister hat sich viel weniger Sorgen gemacht, als Sie sich jetzt machen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie, wir sind uns ja alle einig: Wir wollen mehr Sicherheit für die Men­schen und wir wollen bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftig­ten bei der Polizei, für die Polizistinnen und Polizisten, weil sie Tolles leisten.

Ich kann Ihnen Geschichten von Polizistinnen und Polizisten erzählen – und ich komme aus dem öffentlichen Dienst –: Sie sehen Dinge und erleben Dinge, die wir alle nicht sehen möchten und die wir alle nicht erleben möchten, ganz eindeutig nicht. (Ruf bei der FPÖ: Darum wählen sie blau!) Da werden Dinge gesehen – da sind wir froh, dass wir die Polizei haben, die das übernimmt. Sie müssen dann mit den Dingen fertigwerden (Bundesrat Spanring: Die ihr verschuldet habt! Eure Politik!), sie müssen die Dinge verarbeiten, und dafür können wir nur dankbar sein. (Bundesrat Himmer: So ist es! Da sind wir uns aber alle einig!) Da wollen wir ihnen nicht noch 10 Millionen Überstunden aufs Auge drücken. Das ist nicht der Weg, den wir gehen wollen.

Wir wollen einen guten Personalpolster, damit sie gute Arbeitsbedingun­gen haben. Wir wollen ein gutes Grundgehalt für sie, damit sie nicht Überstun­den machen müssen, weil sie das sozusagen dringend brauchen, und wir wollen, dass sie Beruf und Familie vereinbaren können, genauso wie andere Berufsgruppen auch. Es soll möglich sein, Kinder zu haben, und es soll möglich sein, Beziehungen zu führen, auch neben dem Dienst in der Polizei. Das ist ganz, ganz wichtig, weil alle ein Recht auf ein Privatleben haben und alle ein Recht darauf haben, ihr Berufsleben so zu führen, dass sie nicht höchste Belastungen haben.

Noch einmal: Wir unterstützen natürlich das Volksbegehren und wir stellen einen Entschließungsantrag – der Bundesrat wolle beschließen –; die Bundesrät:innen Korinna Schumann, Dominik Reisinger, Michael Wan­ner, Genossinnen und Genossen stellen folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich fehlen 4.000 Polizist:innen“

Der Bundesrat wolle beschließen – jetzt habe ich mich wiederholt, auch nicht gescheit, aber so ist es –:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert, umgehend auf die prekäre Personalsituation bei der Poli­zei zu reagieren und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat ein Maßnahmenpakt zuzuleiten, mit der die Attraktivität des Polizeiberufes nachhaltig gestei­gert werden kann.“

*****

Ganz ehrlich: ein einfacher Antrag, ein fairer Antrag, ein Antrag, bei dem wir alle mitgehen können. Da brauchen wir keine fraktionellen Grenzen, wie der Herr Bundesminister das ja schon so wunderbar ausgeführt hat. Machen wir das doch gemeinsam! Stellen wir uns gemeinsam hinter die Polizistinnen und Polizisten und geben wir ihnen bessere Bedingungen (Beifall bei der SPÖ), denn die Sicherheit muss uns viel Geld wert sein!

Wir wollen nicht, dass Polizistinnen und Polizisten überlegen: Ob ich in diesem Berufsfeld bleibe, das weiß ich nicht wirklich! – Ich habe mit vielen ge­sprochen, die gesagt haben: Wenn sich für mich eine andere Chance ergibt, dann werde ich dieses Berufsfeld verlassen! – Das ist nicht das, was wir wollen. Wir wollen ein attraktives Berufsfeld Polizei für junge Menschen, das ihnen alle Chancen gibt, und wir wollen sie in dieser Beschäftigung halten – auch das ist wichtig –, Männer wie Frauen, das ist unser Ziel.

Bitte unterstützen Sie unseren Antrag! Da geht es nicht um Parteipolitik (Ruf bei der ÖVP: Nein!), da geht es um die Beschäftigten in der Polizei, und da können wir alle gemeinsam zusammenhalten (Bundesrat Himmer: Es geht auch nicht um Personalvertretungspolitik! Überhaupt nicht!), wie der Herr Bundesminister schon so wunderbar ausgeführt hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47

Vizepräsident Dominik Reisinger: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag be­treffend „Österreich fehlen 4.000 Polizist:innen“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Wir gehen in der Debatte weiter. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Philipp Kohl. Ich erteile ihm dieses.