17.12
Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister! Hinter diesem textlich knapp formulierten Gesetz versteckt sich nicht weniger als der zentrale Meilenstein in der Transformation der Wirtschaft hin zu einer CO2-freien Produktion, die es im Kern ermöglicht, an der neu geschaffenen Europäischen Wasserstoffbank teilzunehmen – das haben wir kurz gehört.
Dadurch werden zum einen – das ist besonders wichtig – europaweit einheitliche Standards definiert, und Unternehmen in Österreich nehmen an der europaweiten Aktion teil; das soll übrigens heuer noch starten. Ergänzend sei bemerkt, es können nationale Fördermittel in Anspruch genommen werden, und das sind ja nicht weniger als diese genannten 820 Millionen Euro, alleine heuer 400 Millionen Euro. Das fällt schon unter das Motto: Klotzen, nicht kleckern.
Das ist gut so, denn keinesfalls sollte unsere Industrie ins Hintertreffen geraten, vor allem mit Blick auf den internationalen Wettbewerb. Wir stehen ja nicht alleine da, denn auch woanders auf dem Planeten wird die Wasserstoffwirtschaft hochgezogen, und zwar teils massiv und teils mit günstigeren Bedingungen, was den dafür erforderlichen Strom betrifft. Es geht um die Errichtung von Elektrolyseanlagen – also Strom mit Wasserstoff –, die natürlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern betrieben werden müssen.
Um nur ein bisschen ein Gefühl zu geben, wie scharf da die Konkurrenz ist, da Wasserstoff bis zu einem gewissen Grad nur am internationalen Markt ist oder sein wird: In Saudi-Arabien könnte Strom aus Fotovoltaik um 1 Cent erzeugt werden. Da ist es natürlich schon notwendig, dazuzuschauen, dass unsere Wirtschaft günstigere Bedingungen hat, um nicht den Anschluss zu verlieren und – wie wir gehört haben– um auch die europäische Produktion nicht zu verlieren.
Wir haben ein konkretes Ziel: 1 Gigawatt bis 2030. Das findet sich übrigens in der österreichischen Wasserstoffstrategie, die wir vor zwei Jahren unter breiter Einbindung der Industrie – das möchte ich betonen – fertiggestellt haben (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Das glaube ich! – Bundesministerin Gewessler: Das stimmt wirklich!); also nicht Schublade, im Gegenteil.
Übrigens möchte ich dafür eine Leseempfehlung für den Strand aussprechen, sie ist im Download verfügbar. Darin finden sich neben umfangreichen Infos zu Wasserstoff eine Wasserstoffstrategie mit einer Reihe von konkreten Maßnahmenpaketen. 1 Gigawatt – oder anders formuliert: 1 000 Megawatt, man kann sich das so schwer vorstellen –, das ist eigentlich unfassbar viel, das ist eine Patzen Leistung und natürlich eine Herausforderung für die nächsten sechs Jahre, was aber, glaube ich, gelingen wird. Adressiert ist das ja vor allem an die Großindustrie, an die Grundstoffindustrie, die den Wasserstoff braucht – darauf komme ich noch zu sprechen. Also das ist nicht gedacht für irgendwelche kleine Einheiten.
Diese 1 000 Megawatt heimischer Produktionskapazität brauchen entsprechend Strom. Da zeigt sich ein weiteres Mal, wie wichtig das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist, das gesicherte Rahmenbedingungen für die Produzenten schafft. Es geht darum – das ist auch mit ein Grund –, dass wir im Zuge des Ausbaus von PV und Wind vor allem immer mehr Phasen haben, in denen es mehr Strom gibt, als in dem Moment gebraucht wird – zu Mittag zum Beispiel –, und dass natürlich gerade dieser Strom dann für die Wasserstoffproduktion genutzt und nicht irgendwie abgeriegelt oder nicht mehr erzeugt wird.
Wasserstoff ist, um ein populäres Schlagwort zu bemühen: sektorübergreifend. Das heißt: vom Strom zu anderen Anwendungen, das ist mit sektorübergreifend gemeint. Elektromobilität ist also sektorübergreifend, eine Wärmepumpe ist sektorübergreifend: vom Strom zu Wärme. Man hat neue Namen für Sachen gefunden, die wir schon lange kennen, zum Beispiel Kraft-Wärme-Koppelung.
Aber auch da hat Österreich unter Federführung des BMK wirklich innovative Arbeit geleistet und einen nationalen Infrastrukturplan erstellt, der Strom, Methan, Wasserstoff inklusive Speicher gemeinsam betrachtet und ein gesamtes Infrastrukturkonzept bis 2040 skizziert. – Das ist schon etwas Neues und eine wichtige Grundlage wiederum für Planungs- und Investitionssicherheit für diejenigen, die jetzt investieren: Das sind die Netzbetreiber, die Industriebetriebe – und da geht es wirklich um viele Milliarden Euro. Ich erwähne das ganz bewusst, weil immer wieder Vorwürfe auftauchen, es gäbe kein Gesamtkonzept, was natürlich nicht stimmt, denn es ist durchaus erlaubt, die Strategien im Zusammenwirken gemeinsam zu sehen.
Ich möchte noch auf eine wirklich wichtige Debatte in diesem Zusammenhang eingehen: Ja, wir brauchen Wasserstoff für die Dekarbonisierung, für die Klimaneutralität – das ist unbestritten –, deswegen sind wir intensiv dran. Es sind aber – wobei: aber muss man gar nicht sagen –, gleichzeitig – ist vielleicht besser – Dinge zu beachten und zur Kenntnis zu nehmen, was einigen leider schwerfällt. Wasserstoff ist nämlich ein besonderes Gas – nicht nur aus chemischer Sicht, sondern es ist auf lange Zeit hinaus knapp und relativ teuer.
Wir werden zum Beispiel in Österreich nicht in der Lage sein, auch nur den Industriebedarf an Wasserstoff selber zu decken. Wir werden auf Importe angewiesen sein, was übrigens für ganz Europa gilt, und zwar über lange Zeit hinaus. Da können Sie Profis fragen, Leute, die Wasserstoff gegenüber überhaupt nicht skeptisch sind.
Ich hatte übrigens vor Kurzem ein Gespräch mit dem Vorstand der Baden-Württemberg Kraftwerk AG, die allein so groß wie ganz Österreich sind, die wirklich glaubhaft eine intensive Wasserstoffstrategie verfolgen und auch Geld reinstecken, und die sagen ganz offen: Wir bauen jetzt die Leitungen, aber wir wissen nicht, woher er kommt, und mit Sicherheit wird das noch zehn, 20 Jahre lang teuer bleiben. Sogar die Gasversorger sagen, was ich jetzt kurz zitieren möchte: Schaut, was ihr damit macht!
Wasserstoff muss also dort eingesetzt werden, wo wir ihn wirklich brauchen. Und was ist mit wirklich gemeint? – Wirklich bedeutet dort, wo es keine Alternativen gibt. Das ist vorrangig in spezifisch energieintensiven Industriezweigen der Fall – in der chemischen Industrie etwa, Stichwort Ammoniak, respektive Stickstoffdünger. Das ist auch eine Botschaft an unsere Koalitionskollegen in der ÖVP: Es ist wirklich wichtig, dass es Wasserstoff gibt, um diese Dünger herzustellen. Auch in der Stahlindustrie wird er als Reduktionsmittel gebraucht. Wasserstoff wird auch in der Kraft-Wärme-Kopplung benötigt, Stichwort Fernwärmesysteme, wo man anders dekarbonisieren kann, und wir werden Wasserstoff in beschränktem Ausmaß in ganz speziellen Transportsegmenten brauchen, wie zum Beispiel im Flugverkehr.
Was heißt das im Umkehrschluss? – Im Umkehrschluss heißt das, es gibt Orte, wo wir ihn definitiv nicht brauchen, wo es sogar fahrlässig wäre, ihn einzusetzen, nämlich für die Individualmobilität, sprich für Autos, und für die Raumwärme. Alle, die etwas anderes erzählen, das tun leider viele, erzählen Märchen, die sich vielleicht schön anhören, aber eben Märchen sind. Um es noch klarer zu sagen: All jene, die Wasserstoff in diese Segmente abzweigen wollen, gefährden unsere Industrie und gefährden damit die Arbeitsplätze in der Industrie, weil ihnen die Energieversorgung fehlen wird. (Beifall bei den Grünen.)
Stichwort Nutzen für Autos: Wasserstoff – die Wirkungsgradkette über den Verbrennungsmotor im Auto sind, das können Sie in den wissenschaftlichen Publikationen nachlesen, 14 Prozent, im E-Auto 70 bis 80 Prozent. Da brauchen wir nicht einmal zu diskutieren. Das ist schlichtweg ein fahrlässiger Umgang mit einem knappen Gut, das wir ganz dringend brauchen.
Natürlich wird auch in Österreich Wasserstoff hergestellt und benötigt, nur wird der jetzt aus fossilem Gas gemacht, über ein Reformationsverfahren, und das ist natürlich überhaupt das Allererste, was man tun wird, das wird das erste Anwendungsgebiet sein: diese Produktion zu substituieren. Das steht übrigens sinnvollerweise auch in der Wasserstoffstrategie.
Und, vergessen wir das nicht, es ist somit gleichzeitig eine wirklich wichtige Maßnahme, um uns von Importen mit russischem Gas unabhängig zu machen. Ich habe es heute in einem außenpolitischen Statement schon erwähnt: Eine der ganz wichtigen Vereinbarungen, die gemeinsam mit Deutschland und Italien abgeschlossen worden sind, ist der Bau dieser Pipeline vom Mittelmeer bis nach Deutschland, um eben auch eine künftige Versorgung sicherstellen zu können. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Miesenberger.)
17.21
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Herr Bundesrat.
Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Leonore Gewessler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.