19.18
Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Wer mich kennt, weiß, dass ich immer klare Worte finde und die Dinge nicht beschönige, dass ich den klaren Weg, den geraden Weg gehe – und das werde ich auch heute und hier tun.
Der gute Zweck heiligt nicht die schlechten Mittel. Niemand ist gegen Klima- und Umweltschutz, niemand in dieser Bundesregierung und niemand in der Österreichischen Volkspartei. Klar ist allerdings, dass diese ambitionierten Ziele nur gemeinsam erreicht werden können – gemeinsam mit der Bevölkerung, gemeinsam mit der Industrie, mit der Wirtschaft und mit der Landwirtschaft.
Die vorliegende Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz war ein Alleingang von Bundesministerin Leonore Gewessler. Sie hat sich damit über das Bundesministeriengesetz und über die Verfassung hinweggesetzt. Entlarvend ist für mich schon, dass die Klubobfrau der Grünen diesen Alleingang auf Instagram als Bad Ass Move feiert. Ich sage Ihnen heute und hier, das ist nicht cool, das ist nicht mutig, sondern das ist befremdlich und unverantwortlich. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir sind alle als Regierungsmitglieder auf die Verfassung angelobt, und wir haben dem Bundespräsidenten in die Hand versprochen, die Verfassung und alle Gesetze in diesem Land unverbrüchlich zu achten. Deshalb möchte ich heute auch alle daran erinnern.
Ich möchte auch noch einmal ganz klar festhalten: Es geht nicht darum, dass irgendjemand gegen Klimaschutz ist, aber wir werden immer aufstehen, wenn Verfassungsbruch und Rechtsbruch in diesem Land passieren. (Beifall bei der ÖVP.)
Es sind zwei Dinge ganz deutlich voneinander zu trennen: Das eine ist der Klimaschutz und das andere ist das Rechtliche. Und Recht, meine Damen und Herren, muss Recht bleiben, Ideologie darf niemals über dem Recht stehen! Genau das aber haben die Grünen gemacht. Sie haben die Ideologie über das Recht gestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren hier, liebe Bundesrätinnen und Bundesräte, Sie sind anwesend als Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Bundesländer. Sie wissen genau, dass es eine aufrechte und einheitliche Bundesländerstellungnahme gegeben hat, die auch weiterexistiert hat, obwohl ein, zwei Bundesländer sich plötzlich nicht mehr daran gebunden fühlen wollten. Diese Bundesländerstellungnahme ist ignoriert worden, und damit ist der Föderalismus aus meiner Sicht mit Füßen getreten worden.
Die Klimaschutzministerin war sich dessen offenbar auch bewusst, denn anders wäre es nicht zu erklären, dass sie vier Privatgutachten eingeholt hat, um die Rechtsmeinung des allseits anerkannten Verfassungsdienstes zu konterkarieren. Sie selbst hat bei ihrer Pressekonferenz am Sonntag vor bald zwei Wochen eingestanden, sich die Entscheidung nicht leicht gemacht zu haben – wohl deshalb, weil sie sich auch dessen bewusst war, dass sie die geltende Rechtslage in diesem Staat missachtet und bricht.
Die Klimaschutzministerin hat damit die Büchse der Pandora geöffnet. Wir müssen uns wohl darauf vorbereiten, dass auch zukünftig Politikerinnen und Politiker mit dieser Gewessler-Methode, nämlich mit Privatgutachten den Rechtsstaat auszuhebeln, in ihrem Interesse durchsetzen wollen, was ihrer Ideologie entspricht. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist brandgefährlich. Es ist brandgefährlich für unsere Demokratie, es ist brandgefährlich für unseren Rechtsstaat. (Beifall bei der ÖVP.)
Ich verstehe die Emotionen auf beiden Seiten. Ich verstehe die Emotionen derer, die nur mehr den Klimaschutz sehen, die nur mehr den Schutz unserer Umwelt und den Erhalt dieser lebenswerten Umwelt auch für nachfolgende Generationen vor Augen haben und für die die rechtliche Komponente bürokratisch und technisch klingt, denen Gesetze und die Verfassung als lästiges Hindernis im Wege stehen. Ich verstehe aber auch diejenigen, die den Wunsch verspüren, dass nach diesem Bruch der Gesetze die Umweltschutzministerin, Klimaschutzministerin aus der Regierung entlassen wird.
Ich sage Ihnen, für mich ist eines ganz klar: Recht und Verfassung haben in jedem Moment zu gelten, denn Recht und Verfassung, das ist die Grundlage unseres Rechtsstaates, das ist das Wesen unserer Republik. Wenn man aber all die Möglichkeiten, die es gibt, ausgeschöpft hätte, dann würde man das Land ins Chaos stürzen. Das hätte wohl einen Koalitionsbruch und danach die Gefahr des freien Spiels der Kräfte bedeutet. Wir wissen, dass es die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in der letzten Zeit, seit 2008, sehr teuer gekommen ist, dass die Steuerzahler:innen die Leidtragenden waren und die Rechnung dafür bis heute bezahlt wird. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)
Deshalb steht die Österreichische Volkspartei, steht Bundeskanzler Karl Nehammer als Kraft der Mitte, als Kraft der Vernunft und als Kraft der Verantwortung (Bundesrätin Schumann: Na geh, bei dem Budget!) auch in dieser schwierigen Situation für Österreich klar bereit. (Beifall bei der ÖVP.)
Wir alle tragen mit ihm gemeinsam, mit ihm als Bundeskanzler an der Spitze dieser Regierung, diese Verantwortung weiter. (Bundesrätin Schumann: Für das Budget, für die Wirtschaftszahlen, für die Arbeitslosenzahlen, für all das tragen Sie die Verantwortung!) Ich werde als Verfassungs- und Europaministerin die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten, um mit einer Nichtigkeitsklage beim EuGH zu überprüfen, ob diese Verordnung auf europäischer Ebene tatsächlich rechtmäßig zustande gekommen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf zur Beantwortung der Fragen kommen.
Zu den Fragen 1, 3, 8, 10 und 14:
Das ergibt sich aus der Beurteilung des Verfassungsdienstes über die Handlungsingerenz der Klimaschutzministerin. Bundesministerin Leonore Gewessler hat Verfassungs- und Gesetzesbruch begangen. Den Umstand, dass Bundesministerin Gewessler nicht befugt war, für Österreich mit Ja zu stimmen, haben Bundeskanzler Karl Nehammer und ich dem Ratsvorsitz vor der Abstimmung schriftlich mitgeteilt. Es gilt daher, auf europäischer Ebene zu klären, ob die Verordnung überhaupt rechtmäßig zustande gekommen ist.
Österreich wird daher im Auftrag von mir als zuständiger Verfassungsministerin Nichtigkeitsklage beim EuGH einlegen. Dies ist binnen zwei Monaten nach Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union möglich.
Die ÖVP ist die Kraft der Mitte, der Vernunft und der Verantwortung, der wir auch in schwierigen Zeiten gerecht werden. Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich aus dieser Verantwortung heraus entschieden, diese Koalition bis zum Wahltermin weiterzuführen und damit das freie Spiel der Kräfte zu verhindern.
Wir wissen, dass seit 2008 durch ähnliche Situationen in der Vergangenheit Mehrkosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in der Höhe von 30 Milliarden Euro entstanden sind. Wir setzen daher auch in dieser schwierigen Situation ganz stark auf die Professionalität und auch Staatsräson der Grünen. Unser Land braucht gerade in schwierigen Zeiten Stabilität, Chaos gilt es zu verhindern.
Zur Frage 2:
Es wäre Aufgabe der Klimaschutzministerin gewesen, die Sorgen und Bedenken der Bundesländer zu berücksichtigen, denen auf europäischer Ebene entgegenzuwirken und letztlich Einvernehmen mit den betroffenen Ressorts, im Speziellen dem Landwirtschaftsministerium, herzustellen.
Zu den Fragen 4 und 5:
Der zuständige Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt wurde befasst und hat klar festgehalten, dass die einheitliche Stellungnahme der Länder weiterhin aufrecht ist. Daran war die Klimaschutzministerin verfassungsrechtlich gebunden.
Zu den Fragen 6 und 9:
Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind klar: Sowohl das Bundes-Verfassungsgesetz als auch das Bundesministeriengesetz gelten für alle Bundesministerinnen und Bundesminister. Darauf sind wir angelobt, daran müssen wir uns alle halten. Ich halte es daher nicht für das vorrangige Thema, in dieser Situation die Dinge zu ändern. Die besten Gesetze und Vereinbarungen helfen nichts, wenn sich manche nicht daran gebunden fühlen.
Zur Frage 7:
Das sind zwei voneinander zu trennende Fragen. Natürlich ist die Situation nicht einfach. Es geht aber hier nicht darum, parteipolitische Punkte zu machen, sondern um Staatsräson. Zu diesem Weg hat sich Bundeskanzler Karl Nehammer entschieden, und ich unterstütze diesen.
Zu den Fragen 11, 13 und 15:
Jetzt ist es notwendig, Schritt für Schritt zu planen. Die EU-Verordnung muss zunächst kundgemacht werden, danach können wir die rechtlichen Schritte machen. Abhängig von der Dauer und dem Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH wird es dann notwendig sein, die nächsten Schritte zu planen.
Zur Frage 12:
Eine derartige Einschätzungsfrage ist nicht vom Interpellationsrecht umfasst. Ich habe aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass die derzeitige Situation angespannt und schwierig ist. Wir und hoffentlich auch die Grünen werden aber weiterhin aus Verantwortung für Österreich agieren.
Zur Frage 16:
Nein, ich habe keine Anzeige erstattet. Alle Bundesminister haben ihren eigenen Wirkungsbereich laut Verfassung und Bundesministeriengesetz. Diese sind nicht überlappend oder über- beziehungsweise untergeordnet. Dementsprechend kann auch nicht ein Bundesminister eine Anzeigepflicht für die Handlungen eines anderen Bundesministers haben.
Vielen Dank. (Lang anhaltender Beifall bei der ÖVP.)
19.29
Präsidentin Margit Göll: Zur Beantwortung hat sich weiters Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Frau Leonore Gewessler zu Wort gemeldet, und ich erteile ihr dieses.