21.10
Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Herr Präsident! (Bundesrat Steiner: Jetzt gibt es wieder Pitschi-Patschi!) Sehr geehrte Frau Bundesministerin Edtstadler! Frau Bundesministerin Gewessler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Miesenberger, wenn man sich Ihre Ausführungen anhört, dann bekommt man es ja fast mit der Angst zu tun, dass wir wirklich Gefahr laufen (Bundesrätin Miesenberger: Reden Sie einmal mit den Bauern!), demnächst bald einmal im Dschungel zu leben.
Ich finde es auch interessant, wie viel in den letzten Wochen über die Renaturierungsverordnung geschrieben und gesagt wurde und wie vieles da verdreht oder falsch verstanden wurde, so wie es auch Herr Kollege Steiner bei seinen langatmigen ersten Ausführungen getan hat, als er von einem „Bauernvernichtungsgesetz“ gesprochen hat. Das Gegenteil ist der Fall, Herr Kollege Steiner! (Bundesrat Spanring: Die Bauern werden mehr! – Bundesrat Steiner: Die Bauern werden mehr, bravo!)
Die Natur zu schützen sichert die Existenzgrundlage der Landwirtinnen und Landwirte. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Genau.
Spannend finde ich auch, wie euch plötzlich solche Dinge wie Ernährungssicherheit so wichtig sind (Bundesrat Spanring: Na, schau mich an! Mir ist das Essen schon wichtig! – Bundesrat Steiner: Mir ist es auch wichtig!), jene Ernährungssicherheit, die seit Langem – Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag – durch den hemmungslosen Bodenverbrauch aufs Spiel gesetzt wird. Nein, Kolleginnen von der FPÖ Schartel und Doppler, daran sind nicht die Windräder schuld, es geht um die Ernährungssicherheit, die unter anderem vom FPÖ-Landeshauptfraustellvertreter in Niederösterreich aufs Spiel gesetzt wird, wenn er zum Beispiel 20 Prozent mehr Budget für den Straßenbau vorsieht. (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ.)
Das ist das, was unsere Ernährungssicherheit gefährdet: wenn nämlich wertvoller Boden unbedacht zubetoniert wird. (Bundesrat Spanring: Stimmt! Gehen wir alle zu Fuß, Frau Kollegin! – Zwischenruf des Bundesrates Leinfellner.) Das ist das, was sie gefährdet – genau.
Das sehen auch viele auch ÖVP-geführte Gemeinden so. (Bundesrat Spanring: Fahren wir über den Feldweg!) Ich möchte da gerne aus einem Blogbeitrag eines Bürgermeisters einer meiner Nachbargemeinden zitieren. Er schreibt da nämlich unter anderem (Bundesrat Steiner: Na, zitieren ...!):
„Ich hätte nicht erkannt, warum die Wiederherstellung gestörter biodiverser Lebensräume schädlich wäre. Für mich wäre schädlich, nichts zu tun oder weiter zu tun, wie oftmals bislang. Ich hätte nicht erkannt, warum nicht versucht werden sollte, die zurückgegangene Insekten-, Schmetterlings- und Vögelpopulation wieder deutlich zu erhöhen. Ich hätte nicht erkannt, was daran schlecht wäre, wenn Gemeinden angehalten sind, städtische Grünflächen zu vermehren.
Ich bilde mir ein, die entsprechenden Kapitel auch so verstanden zu haben, dass die Ernährungssicherheit, die einige mit diesem Gesetz für gefährdet erachten, immer gegeben sein muss und dass, wenn dies nicht der Fall sein sollte, die Renaturierungsverordnung ausgesetzt werden kann bzw. sogar“ soll. – Wie gesagt: ein ÖVP-Bürgermeister.
All das untermauert auch der unlängst veröffentlichte WWF-Bodenreport. Darin wird einmal mehr verdeutlicht, was die negativen Folgen des hohen Bodenverbrauchs sind. Er bedeutet nämlich eben Verlust der Artenvielfalt – und das ist das, was unsere Ernährungssicherheit gefährdet –, aber nicht nur das, er befeuert die Klimakrise und deren Auswirkungen: Gesunder Boden dient als CO2-Senke, er speichert CO2 langfristig. Je mehr gesunder Boden verbraucht wird, desto stärker werden wir alle die Folgen der Klimakrise wie Hitzewellen, Trockenperioden oder Extremwetterereignisse spüren.
Exzessiver Bodenverbrauch gefährdet auch unsere Gesundheit. Nur offener, gesunder Boden trägt zur Abkühlung bei, und ohne diesen entstehen in Städten Hitzeinseln, die sogar tödliche Folgen haben können.
Bodenverbrauch ist ein ganz wichtiger Faktor in Bezug auf Katastrophenschutz. Versiegelte Flächen nehmen kein Wasser mehr auf; bei den immer häufiger werdenden starken Regenfällen kommt es dadurch immer häufiger und eher zu Hochwasser.
Unser EU-Abgeordneter Thomas Waitz hat am Beispiel der belgischen Stadt Löwen aufgezeigt, wie wichtig intakte Natur für den Katastrophenschutz ist. Anfang der 1990er-Jahre wurde ein ehemals landwirtschaftlich genutztes Gebiet, Doode Bemde, renaturiert und der dortige Fluss Dijle wurde quasi sich wieder selbst überlassen.
2021 war West- und Mitteleuropa, darunter waren auch große Gebiete Belgiens, von verheerenden Überschwemmungen betroffen – wir alle können uns an die Bilder von zerstörten Häusern erinnern, von verzweifelten Menschen, die ihr Hab und Gut verloren haben und auch viel zu oft ihre Angehörigen verloren haben. Die Stadt Löwen blieb dabei tatsächlich verschont. Das renaturierte Gebiet konnte als natürlicher Hochwasserschutz wirken: Die immensen Niederschlagsmengen konnten sich in dem Gebiet natürlich verteilen.
Ich hoffe, dass es uns allen ein Anliegen ist, unseren Kindern und Enkelkindern einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. Dazu ist die Renaturierungsverordnung ein wesentlicher und absolut notwendiger Baustein. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
21.16
Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Vielen Dank, Frau Bundesrätin.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort.