21.51

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Werte Frau Bundesminister! Liebe Frau Gewessler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrätin Doppler: „Liebe Frau Gewessler!“) Es ist ein bissl ein harter Kautabak, den wir heute auf den Tisch kriegen. Ich möchte aber eingangs sagen: Ich bewirtschafte mit meiner Familie seit 1992 einen Bergbauernbetrieb im Großarltal. Ich habe vor zwei Jahren den Betrieb übergeben. Wir sind seit 40 Jahren ein Biobetrieb, wir bewirtschaften biologisch. (Bundesrat Schennach: Sehr gut!) Seit der EU-Bio-Verordnung ist uns das aber leider nicht mehr möglich. So geht es einem mit Richtlinien und Verordnungen, so geht es einem, wenn aus der Europäischen Union etwas kommt: dass es in der Praxis nicht mehr umsetzbar ist. Dadurch können wir nicht mehr so bewirtschaften. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Schumann.)

Das Renaturierungsgesetz ist ein Naturschutzgesetz und ein Umwelt­schutzgesetz, es ist aber kein Klimaschutzgesetz, und ich bin mir sicher, der Klimawandel wird deswegen gleich weiterverlaufen und die Erderwärmung wird gleich weiterverlaufen. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher. Wir müssten natürlich auch über die Flieger reden, über die Industrie reden und über viele an­dere Dinge, wenn wir den Klimawandel stoppen wollen. (Bundesrat Leinfell­ner: Übern Flieger darfst mit der Gewessler nicht reden!)

Ich möchte einen Menschen zitieren, den wir alle kennen, es ist ein sehr berühm­ter Mann, es ist unser Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er hat, als die Oppositionsparteien mit der damaligen Regierungspartei, der FPÖ, der Bundesregierung das Misstrauen ausgesprochen haben, gesagt: Wir sollten besonnen sein, wir sollten Ruhe bewahren. Wir haben eine elegante Verfassung, die es uns möglich macht, diese Krise zu bewältigen. Und er hat auch gesagt: „So sind wir nicht!“ Ja, er hat gesagt, so sind wir Österrei­cherinnen und Österreicher nicht!

Ich frage mich: Wo ist jetzt, in dieser Krise – und das ist eine Krise! –, die Stellungnahme von unserem Herrn Bundespräsidenten zu der Situation, die wir jetzt haben, oder wo ist die Rechtsmeinung von der Justizministerin? Ich gehe davon aus, dass beide die Verfassung ganz genau kennen, aber beide äußern sich nicht. Das ist schon etwas eigenartig. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Leinfellner. – Bundesrat Spanring: Wer hat ihn unterstützt, den Herrn Van der Bellen?)

Da hätten Sie sich, Frau Gewessler, die privaten Gutachten sicherlich sparen können. Ich behaupte, die Zustimmung von Frau Gewessler zum EU-Re­naturierungsgesetz ist eine rein parteipolitische Aktion, die mit allen Führungskräften ihrer Partei inklusive Bundespräsident und auch mit dem Bür­germeister und Landeshauptmann von Wien abgesprochen wurde.

Was die Bundesländer betrifft, ist im Bereich Naturschutz, Umweltschutz, Biodiversität, Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Erhalt der Artenvielfalt, was Pflanzen und Tierwelt betrifft, noch nie so viel umgesetzt worden wie in den letzten zehn bis 20 Jahren.

Wir stehen zum Naturschutz, vor allem die Jugend ist sensibilisiert, wir machen tagtäglich Naturschutz. Hier die Verantwortlichen in den Bundes­ländern und speziell die Landeshauptleute als zukunftsvergessen zu bezeichnen ist ein Affront und eine Brüskierung der Bundesländer und des gesamten ländlichen Raums – das ist vermessen und das ist auf das Schärfste zurückzuweisen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es scheint so, als sei der Herr Bürgermeister von Wien Bürgermeister von ganz Österreich. Er hat den Auftrag gegeben, dem Renaturierungsgesetz zuzu­stimmen. Ich wüsste gerne, wo die offiziell abgeänderte Stellungnahme ist. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Wenn Sie eine einheitliche Stellungnahme aller Landeshauptleute, die Sie, Frau Gewessler, aufgrund unserer Verfassung verpflichtet hätte, dem Rena­turierungsgesetz nicht zuzustimmen, missachtet und ignoriert haben, dann muss ich Sie als Klimaaktivistin mit den Menschen, die sich auf die Straße kleben, gleichstellen, nicht – als Ministerin der österreichischen Bundesregierung – mit einem auf die Verfassung angelobten Regierungsmitglied. Sie haben die de­mokratischen Spielregeln und die Verfassung missachtet!

Wie geht es uns in Salzburg, welche Voraussetzungen haben wir, vor allem, was ist schon umgesetzt worden, und zwar ohne Renaturierungsgesetz? – In Salzburg sind rund 80 Prozent unserer Landesfläche nicht besiedelbar, aufgrund vieler Berge, Ödland und auch vieler bestehender Gefahrenzonen. Nur ein Fünftel der gut 7 000 Quadratkilometer Fläche unseres Bundeslan­des Salzburg steht als Dauersiedlungsraum zur Verfügung. Das heißt, um diese Fläche konkurrieren Landwirtschaft, Bevölkerung, die Wirtschaft und der Verkehr. Und einem stimme ich voll zu: Was den Flächenverbrauch betrifft, sollten wir unbedingt besser werden und weniger verbrauchen.

Insgesamt steht ein Drittel der Landesfläche unter Naturschutz. Unter Naturschutz verstehe ich Landschaftsschutzgebiete, Naturschutzgebiete, Euro­paschutzgebiete sowie geschützte Landschaftsteile, den Nationalpark Hohe Tauern, Naturdenkmäler, Naturparks und vieles, vieles mehr.

45 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe wirtschaften biologisch, 90 Prozent nehmen freiwillig am österreichischen Umweltprogramm teil. Mit circa der Hälfte der Landesfläche ist der Wald ein ganz bestimmender Faktor der Salz­burger Kultur- und Naturlandschaft. Neben der wirtschaftlichen Bedeu­tung erfüllt der Wald auch eine ganz wichtige Schutzfunktion vor Lawinen, vor Muren, vor Erosion und Steinschlag, er ist Wasserspeicher bei Gewittern und Starkregen und hat natürlich Wohlfahrtsfunktion für die Men­schen in unserem Land.

Diese wichtigen Funktionen, was Klimaschutz, Biodiversität und CO2-Speicher betrifft, kann nur ein bewirtschafteter gesunder Wald erfüllen. Und in Salzburg – so wie in ganz Österreich – ist nicht die Entwaldung die Herausfor­derung, sondern die Verwaldung. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Wald liefert auch regionalen Baustoff, erneuerbare Wärme, ist Energielieferant und macht uns unabhängiger. Ein wesentlicher Teil des Waldes ist als Schutz- und Bannwald deklariert. Wird dieser unter Schutz gestellt und nicht bewirtschaftet und werden durch Sturm oder Unwetterereignisse Bäume umgeworfen, muss in große bauliche, teure Schutzmaßnahmen wie Fangnetze, um Verkehrswege freizuhalten, oder Wildbachsperren investiert werden; mit Tausenden Kubikmetern Beton und Eisen müssen die Wild­bäche verbaut werden. – Schutz durch gesunden Wald wo möglich, Verbauung dort, wo unbedingt notwendig!

Was macht Salzburg so einzigartig und wertvoll? – Das sind unsere 1 800 bewirtschafteten Almen. Ein Viertel der Landesfläche sind Almen. Es werden 60 000 Rinder, 8 500 Milchkühe, 25 000 Schafe, 3 000 Pferde von 4 700 Betrieben auf Salzburgs Almen aufgetrieben. Das ist extensive, na­türliche und nachhaltige Landwirtschaft, die über Generationen so geführt wird. Das ist der beste Naturschutz, der beste Klimaschutz und die beste Bewirtschaftung für den Klima- und Artenschutz. Das kann niemand besser und günstiger als die Bauern. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sieht auch der österreichische Umweltdachverband so – mit die­sem arbeiten wir als Almwirtschaftsverein zusammen. Darüber hinaus freuen sich Einheimische und Gäste, wenn sie die Almen erwandern, sich er­holen können und dabei auch noch mit regionalen Lebensmitteln von der Alm verköstigt werden.

Von der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Salzburg werden 90 Prozent – das sind die Alm- und Weidegebiete, die Hutweiden, die Streu­obstwiesen, die Bergmähder, die ein- und zweimähdigen Wiesen – sehr extensiv und nachhaltig bewirtschaftet.

Wir sehen, in Salzburg, aber sicher auch in allen anderen Bundesländern, kann man sagen: Die Verantwortlichen in den Gemeinden und Behörden, die Gebietskörperschaften, die Landwirtschaft sind seit Langem schon sensi­bilisiert. Wir alle tragen im ureigenen Interesse viel dazu bei, dass es der Natur gut geht, dass wir gesunde Böden haben, dass alle unsere Flüsse und Seen Trinkwasserqualität haben und dass wir der Jugend Perspektiven geben, damit sie die landwirtschaftlichen Betriebe gerne übernimmt und weiterführt.

Ich habe jetzt noch ein paar Renaturierungsbeispiele mit dabei, um zu zeigen, was in Salzburg in den letzten zehn Jahren so alles passiert ist (Bundes­rat Schennach: Zufällig! – Heiterkeit bei SPÖ und Grünen):

Streuwiesenrenaturierung Adneter Moor: 2 Hektar Wiederherstellung, Rena­turierung; Salzacher und Antheringer Au: Renaturierung von 520 Hektar Salzach und zugehörigem Auwaldökosystem; Renaturierung des Hochmoors im Naturschutzgebiet Blinklingmoos in Strobl: 20 Hektar; Naturschutzge­biet Egelseen, Mattsee, Schleedorf: 1,5 Hektar; die Enns bei Mandling, Fluss mit Auwaldstreifen: ein halber Hektar; Erstpflege ökologisch hochwertiger Flächen seit über zehn Jahren, Flachgau und Tennengau: 20 Hektar Wiederher­stellung von brachgefallenen Mager- und Feuchtwiesen; Naturschutz­gebiet Fuschlseemoor, Thalgau und in Hof: 1 Hektar Rückführung von Fichten­forst in Streuwiese; Neuanlage artenreicher Wiesen und Blühflächen mit gebietseigenem Saatgut, eine landesweite Aktion (Bundesrat Schennach: Sehr gut!), landesweit 35 Projekte: 245 Hektar (Bundesrat Schennach: Wo ist das Saatgut? – Bundesrätin Schumann: Das Letzte habe ich jetzt nicht mitgekriegt! – Ruf bei der SPÖ: Ich auch nicht! – Heiterkeit bei der SPÖ); Renaturierung von Niedermoorwiesen und Fließgewässern in der Haider Senke; Renaturierung Mandlinger Moor: 19 Hektar Hochmoor, Übergangsmoor; Renaturierung von Feuchtwiesen im Oichtental: 3 Hektar; weiche Ufer Salzach, Sankt George­ner Au: 4,2 Hektar, Flusskilometer mit Auwald; Renaturierung eines Feuchtwiesenkomplexes in Sankt Martin: 2 Hektar; Wiederherstellung eines degradierten Feuchtgebietskomplexes zur Förderung einer bedrohten Schmetterlingsart (Unruhe im Saal – Vizepräsident Ebner gibt das Glockenzeichen); Initiative Streuobst: 125 Hektar; Renaturierung Naturschutzgebiet Ur­sprung der Mur: 16 Hektar; Renaturierung Hochmoor Weidmoos: 3 Hektar; Life-Projekt Salzachauen: 127 Hektar; Renaturierung der Weitwörther Au: 37 Hektar, und so weiter und so fort (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie Bra­voruf des Bundesrates Schreuder), insgesamt 1 200 Hektar, zum Teil in Arbeit, zum Teil fertiggestellt und zum Teil in Planung.

Ich möchte dies deshalb so hervorheben, weil man sieht: Es geht ohne Wien, es geht ohne Brüssel, weil es, wenn man es im Land selber in die Hand nimmt, trotzdem funktioniert. Ich möchte damit beweisen, dass uns der Na­turschutz, der Umweltschutz sehr viel wert ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt noch ein paar Fakten zum Renaturierungsgesetz, das in Luxem­burg beschlossen worden ist (allgemeine Heiterkeit – Zwischenruf der Bundesrätin Doppler – Vizepräsident Ebner gibt neuerlich das Glockenzeichen): Das ist ein Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte. Die jungen Leute, die die Betriebe übernehmen, haben Pläne, die wollen den Betrieb führen. Denen nimmt man den Gestaltungsspielraum, den sie gerne hätten. Die sind alle sensibilisiert, dass sie ihre Betriebe artgerecht und nachhaltig bewirtschaften.

Das Nächste ist der Eingriff ins Eigentum. (Unruhe im Saal.)

Vizepräsident Mag. Franz Ebner: Liebe Damen und Herren! Ich weiß, es ist schon spät, aber ich bitte um etwas Ruhe im Saal. Lassen wir auch Bundesrat Gfrerer die ihm gebührende Aufmerksamkeit zukommen!

Bundesrat Silvester Gfrerer (fortsetzend): Das ist eine Maßnahme, die uns zurückführt in eine Knechtschaft, in der wir abhängig sind von Richtlinien, von Bürokratie, von Rahmenbedingungen und Gesetzen, die in der Praxis zum großen Teil höchstwahrscheinlich nicht umsetzbar sind. Und wenn wir etwas umsetzen, bekommen wir eine Entschädigung? – Wahr­scheinlich je nach Maßnahme pro Hektar so viel, dass es zum Leben zu wenig ist und zum Sterben zu viel. (Bundesrat Schennach: Bei den bäuerlichen Förderungen ...!)

Es gibt in Österreich einen Plan, das ist der Österreichplan, das ist der Nehammer-Plan. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der SPÖ.) Wir stehen für Leis­tung, wir sorgen für Familien und Sicherheit (Bundesrat Schennach: Bitte, der Nehammer-Plan! Jetzt kommt noch der Nehammer-Plan!), und alle diese drei Begriffe finden sich auch in der Natur, in der Heimat, im ländlichen Raum, in der Stadt wieder.

Eines muss ich noch erwähnen, worüber ich wirklich verärgert bin: Es wird die Landwirtschaft für etwas verantwortlich gemacht. Es heißt, wir seien die Verursacher. Es wird eine Glaskugel drübergestülpt und alles soll unter Schutz und außer Nutzung gestellt werden. (Bundesrat Schennach: ... ist der Nehammer-Plan!) Das ist nicht unser Zugang!

Was die Lebensmittelversorgung betrifft, gibt es Berechnungen, dass Rindfleisch um 25 Prozent teurer wird, wenn wir uns nicht mehr selbst versorgen können, und Milchprodukte um 20 Prozent. Und ich schaue mir an, was Frau Schumann, die sich ja immer wieder hierherstellt und sagt: Die Lebens­mittel sind viel zu teuer!, dann sagt. (Bundesrätin Schumann: Endlich werde ich geehrt! Danke, danke!) Ich bin mir auch sicher: Wenn die Lebensmittel teurer werden, dann kommt das Geld nicht bei den Bauern an, sondern diese höheren Geldsummen kassiert irgendjemand anderer.

Noch einmal: Den Plan für Österreich werden wir verfolgen, und wir werden schauen, dass wir am 29. September die Wahl gewinnen, dass wir als Erste durchs Ziel gehen, damit wir weiterhin Österreich sicher führen können und gut gestalten können! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

22.08