17.06
Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Kollegin Doppler hat heute relativ großzügig Noten und Zeugnisse verteilt und Weihnachtsgeschichten erzählt. (Heiterkeit bei den Grünen.) Ich als Pädagogin versuche immer, wirklich stärkenorientiert zu beurteilen (Bundesrat Spanring: ... die armen Kinder!) oder zu reden. Jetzt habe ich nämlich extra noch einmal nachgefragt, weil es uns wirklich zuerst ein bisschen verwundert hat: Elf von 25 Fragen wurden nicht beantwortet. (In Richtung Bundesrätin Doppler:) Wie viel ist die Hälfte von 25? (Heiterkeit bei den Grünen. – Bundesrätin Doppler: ... mehr!) – Nein! Nein, nein, nein, ich habe extra nachgezählt, nachgehorcht: Elf von 25 wurden nicht beantwortet (Bundesrätin Doppler: ... mehr! ... 50 Prozent!), das sind damit weniger als 50 Prozent. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Doppler.)
Also meine Beurteilung lautet – weil wir beim Zeugnisverteilen sind –: Zählen funktioniert schon ganz gut, an den Grundrechnungsarten müssten Sie noch ein bisschen arbeiten. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Bei solchen Lehrern wundert es mich nicht!) – Ja, genau. (Bundesrat Schreuder: Es kann nur besser werden!)
Wir wissen, Bildung ist der Schlüssel zu Integration. Kindergärten und Schulen leisten einen immens wichtigen Beitrag dazu. Auch von meiner Seite an dieser Stelle wirklich ein herzliches Dankeschön an die Pädagoginnen und Pädagogen, die in Österreich tagtäglich tatsächlich zeitweise „Übermenschliches“ leisten. Kollege Professor Ruf ist jetzt nicht da, hat es aber auch schon erwähnt: Sie leisten teilweise wirklich „Übermenschliches“ – vielen herzlichen Dank an dieser Stelle auch von meiner Seite. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Wir haben es heute auch schon mehrfach gehört, und da sind wir einer Meinung: Basis für Integration, für gelungene Integration, ist wirksame Sprach- und Deutschförderung und auch die Förderung der Erstsprache. Das wäre vielleicht etwas, was sich die FPÖ hinter die Ohren schreiben könnte: Die Förderung der Erstsprache ist wirklich auch ganz, ganz wichtig. (Bundesrat Spanring: Ist das unsere Zuständigkeit in Österreich, damit die Kinder Afghanisch können, oder was?)
Gleichzeitig gelingt diese Förderung unserer Meinung nach am besten, wenn es nicht zur Trennung kommt. Kindergärten und Schulen müssen sozial und ökonomisch durchmischt sein, damit Kinder und Jugendliche voneinander lernen können und die Herausforderungen an den einzelnen Standorten nicht zu groß werden. Da wäre eine bessere Schülerstromlenkung wichtig. Die Kompetenz dafür liegt bei den Bundesländern und den dortigen Bildungsdirektionen.
Unserer Meinung nach ist für eine gute Integration und eine Förderung des guten gesellschaftlichen Zusammenhalts und Miteinanders eine gemeinsame ganztägige Schulform am geeignetsten – natürlich mit ausreichend Personal, mit multiprofessionellen Teams am Standort. Damit das gelingt, braucht es natürlich auch Individualisierung und Differenzierung am Standort. Es braucht Begabtenförderung, es braucht Förderstunden, Sprachförderung und so weiter. Wie schon gesagt, Sprache ist die Basis von Integration und die Eintrittskarte zu gesellschaftlicher Teilhabe.
Wir müssen da auch noch einmal gezielt Geld in die Hand nehmen und das von Anfang an fördern. Unserer Meinung nach wäre deswegen ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr wie gesagt wirklich wichtig. (Ruf bei der FPÖ: Nicht! Ein Zauberwort: nicht!) – Genau, ich weiß, dass ihr nicht dafür seid, ihr wollt am liebsten die Kinder bis, weiß ich nicht, kurz vor Schuleintritt zu Hause betreut haben, damit die Mütter ja nicht irgendwie vorher schon wieder ins Berufsleben einsteigen können. (Bundesrat Spanring: Bevor man sie zu solchen Lehrern gibt, ist das aber schon verständlich, oder? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist eure Familienpolitik. Das habt ihr eh schon zur Genüge bewiesen. Genau, weil es den Kindern in den Kindergärten so schlecht geht. Das ist es, was ihr meint; genau.
Die Schulen müssen unserer Auffassung nach außerdem – das ist unsere Meinung – autonom entscheiden dürfen, in welchem Setting Sprachförderung stattfindet. Zusätzliche Ressourcen dafür und erweiterte schulautonome Spielräume haben wir ja in dieser Regierungsperiode schon geschaffen. Schulstandorte mit größeren Herausforderungen brauchen natürlich auch mehr Mittel, mehr Personal, um die Nachteile ausgleichen zu können. Mittels eines Indexes könnten diese Schulen bereits jetzt identifiziert werden und man könnte diese Maßnahme eigentlich sofort umsetzen.
Zur Gewalt- und Extremismusprävention – Herr Bundesminister, Sie haben es schon ausführlich erwähnt – haben wir bereits 2021 kostenlose Schulworkshops eingeführt. Die sind tatsächlich so gut angenommen worden und so gut angekommen, dass wir sie noch einmal aufgestockt und bis 2024 verlängert haben. Das ist wirklich eine ganz tolle Sache.
Auch wir sind der Meinung, dass Eltern vermehrt ins Boot geholt werden müssen, am besten durch gezielte Elternarbeit. Um das bewerkstelligen zu können, braucht es natürlich auch ausreichend Ressourcen.
Bezüglich des Anstiegs an Suspendierungen von Schülern: Diese Zahlen sind übrigens deshalb quasi gestiegen, weil die Zahlen davor – während der Coronazeit und den teilweisen Schulschließungen – gesunken sind. So viel zu dem Thema, dass diese Zahl plötzlich irgendwie explodiert wäre. Es gibt außerdem immer einen Grund dafür, warum Schülerinnen und Schüler sich entsprechend verhalten. Da muss genau hingeschaut werden und gegengesteuert werden, beispielsweise durch verstärkten Einsatz von Sozialarbeiter:innen, durch aufsuchende Elternarbeit, durch vermehrten Einsatz von Psycholog:innen. Unserer Meinung nach sind und sollen Suspendierungen immer nur das allerletzte Mittel sein, das angewandt wird.
Dass wir finden, dass in einer anderen Konstellation im Bildungsbereich möglicherweise größere Würfe zu machen gewesen wären, ist ja kein Geheimnis. Uns ist aber in den letzten viereinhalb Jahren tatsächlich einiges gelungen – ganz im Gegensatz dazu, was der FPÖ so in den Bundesländern einfällt, denn das Maximum, das euch einfällt, ist, dass ihr Kinder und Jugendliche dazu nötigen wollt, ihre Muttersprache in den Pausen nicht mehr sprechen zu wollen (Ruf bei der FPÖ: Dürfen!), zu dürfen. Das ist kein Beitrag zur Integration (Ruf bei der FPÖ: Doch!), das ist Nötigung und entbehrlich. Das ist es! (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)
Wir haben in dieser Legislaturperiode zum Beispiel den verpflichtenden Ethikunterricht zumindest alternativ zum Religionsunterricht eingeführt. (Bundesrat Kofler: ... Beeinflussung!) Ein Ethikunterricht für alle von Anfang an wäre natürlich noch besser und wünschenswert, denn dort wird unter anderem über die verschiedenen Religionen gesprochen, über die Gemeinsamkeiten und Eigenheiten, und diese werden auch herausgearbeitet.
Im neuen Lehrplan haben wir außerdem die politische Bildung als überfachliches Thema verankert. Sie ist auch Teil des Geschichtsunterrichts. Geschichte und politische Bildung ist auch ganz wichtig. Es soll aber im Unterricht nicht nur über Demokratie gesprochen werden, sondern Demokratie muss auch ausprobiert werden können und erlebt werden. Die Schule ist einfach der ideale Ort, um das zu tun.
Arbeiten wir gemeinsam daran, die Talente aller Kinder zu fördern – nicht nur jener, deren Eltern einen entsprechenden Hintergrund haben! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätinnen Eder und Gruber-Pruner.)
17.15
Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik. – Bitte, Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen das Wort.