17.15
Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler, Eltern, Großeltern! Wir von den NEOS stehen wie sonst keine andere Partei für das Thema Bildung. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Himmer – erheitert –: Kannst ja gleich erzählen, wie das in Wien ist!)
Ich persönlich stamme aus einer Gastronomiefamilie aus Klagenfurt am Wörthersee und ich erinnere mich noch sehr gut an die Geschichten, die mir meine Oma erzählt hat: wie sie als Kind, als eines von zehn Geschwistern, vom elterlichen Bauernhof in Unterkärnten bei jedem Wetter, auch starkem Schnee und meterhohen Schneebergen, stundenlang zu Fuß in die Schule und nach wenigen Stunden Unterricht wieder heimgehen musste. Jeden Schultag war das damals gar nicht möglich, weil die Kinder wie die meisten Kinder am Land am Hof helfen oder auf ihre Geschwister aufpassen mussten.
Meine Oma war Köchin, hat ihr Leben lang hart in der Küche gearbeitet und war für ihre Kochkünste hoch geschätzt. Als sie aber in Pension ging, kam sie drauf, dass sie das Schreiben gar nie richtig erlernt hatte. Sie war sehr beschämt, und ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie bitterlich sie geweint hat, als ihr das bewusst wurde. Sie hat sich dann in ihrer Pension monatelang jeden Tag hingesetzt und ganze Bücher abgeschrieben, weil sie den Ehrgeiz hatte, das Schreiben zu erlernen. Sie hat es geschafft. Die Handschrift meiner Oma auf Briefen oder Karten an mich werde ich nie vergessen.
Warum erzähle ich das? – Wir vergessen viel zu oft, welchen Wert Bildung hat und welche Würde sie den Menschen gibt. Es ist auch in unserem Land gar nicht lange her, da war der Pflichtschulabschluss samt Lehre oder gar die Matura, wie sie dann meine Eltern machten – die Mama die Lehre, der Papa die Matura –, alles andere als selbstverständlich. Meinem jüngeren Bruder und mir wurde von meinen Eltern dann schon gesagt: Du darfst alles studieren und alles werden, was du willst! Ich habe dann in Klagenfurt maturiert. Die Schule war nicht immer lustig, sie war anstrengend, aber sie war auch bewältigbar, und ich habe später mit Freude in Graz Jus studiert.
Herr Minister, Sie werden sich nicht an mich erinnern, aber ich war eine Ihrer damaligen Studentinnen in Graz. Sie waren damals frisch Assistent am Rechtsgeschichteinstitut, und ich kann mich noch gut erinnern, wie Sie mit wehenden blonden Haaren, die Sie im Nacken zu einem Rossschwanz gebunden hatten (Heiterkeit der Bundesrät:innen Eder und Himmer), schnittig mit dem Rad vor dem Institut eingeparkt haben. Polaschek, der war modern, der war unser Idol, der war cool. (Heiterkeit bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Als Sie 2021 Bildungsminister wurden, habe ich mir gedacht: Endlich, super, da kommt jetzt jemand, der etwas weiterbringen und den Schülerinnen und Schülern irgendetwas bieten wird! – Heute frage ich mich: Was ist da nur passiert?
Als Mutter von drei schulpflichtigen Kindern kenne ich das österreichische Bildungssystem nur zu gut. Die Schulen leiden an Überfrachtung und total veralteten Lehrplänen, an überbordender Bürokratie, die die Lehrerinnen und Lehrer förmlich erdrückt. Sie leiden aber sogar auch an Gewalt – physischer wie psychischer.
Vor dem Büro des NEOS-Stadtrats für Bildung Christoph Wiederkehr stehen Sprüche mit Wünschen von Schülerinnen und Schülern. Einer davon gefällt mir besonders gut. Er ist von der neunjährigen Dora und er lautet: „Ich möchte, dass Wien die erste Schule auf dem Mond baut, damit wir in den Pausen Sterne pflücken können. Und dass sich auf unserer Schulfassade in Wien bunte Blumen bis hinauf ins Dach ranken.“ Manches davon wird sicher schwer umsetzbar sein, aber Christoph Wiederkehr setzt in Wien unzählige Maßnahmen um, zum Beispiel: Aufstocken der Sprachförderkräfte, drastisches Aufstocken des Unterstützungspersonals an den Schulen, Etablieren von Schulpsycholog:innen an jeder Schule, Gratismittagessen an Wiener Schulen, das erste Bildungsfestival und das Wiener Bildungsversprechen, in das die Stadt Wien rund 7,5 Millionen Euro investiert und an dem 37 Schulen teilnehmen.
Das ist aber noch nicht alles. Christoph Wiederkehr hat noch weitere Ideen zur Verbesserung der Schule, um jedem Kind die Flügel zu heben. Er möchte verpflichtende Deutschkurse im Sommer, weil rund 80 Prozent der Wiener Schülerinnen und Schüler nicht Deutsch als Erstsprache haben. Er möchte Sanktionsmöglichkeiten für Eltern bei Gewalt an der Schule. Er möchte ein verpflichtendes Schulfach Leben in einer Demokratie, und er möchte außerschulische Brückenkurse und Unterstützung für die jetzt kommenden monatlich 400 bis 500 Kinder, die praktisch direkt aus den Flüchtlingslagern nach Wien kommen und kein Deutsch sprechen – die sollen nun unterrichtet werden. Wie soll das gehen?
All das blockieren Sie, Herr Minister Polaschek. Beate Meinl-Reisinger hat Ihnen im Nationalrat symbolisch einen Betonziegel überreicht. Ich kann nur meine persönliche Enttäuschung kundtun. Idol war leider gestern.
Das österreichische Schulsystem braucht dringend einen Systemwandel, um jedem Kind die Flügel zu heben, und dazu braucht es uns NEOS.
Wir fordern einen österreichweiten Chancenbonus für Schulen mit größeren sozialen Herausforderungen, für Brennpunktschulen. Es ist enorm wichtig, jedem Kind die gleichen Chancen zu geben und jedem Kind die Flügel zu heben. Ich bitte daher alle Omas, Opas, Mamas, Papas, Lehrerinnen und Lehrer: Wählen Sie bei der nächsten Wahl NEOS, damit sich in der Bildung endlich etwas tut. – Danke.
17.20
Vizepräsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte Frau Bundesrätin, ich erteile es Ihnen.