9.20

Landeshauptmann von Oberösterreich Mag. Thomas Stelzer: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Vor allem: Lieber Präsident, herzliche Gratu­lation zur Vorsitzführung im Bundesrat in diesem halben Jahr! Herzlichen Dank auch dafür, dass ich die Gelegenheit habe, hier in der Länderkammer unseres Hohen Hauses eine Erklärung abzugeben.

Die Schöpfer der Grundstrukturen unserer Verfassung, sehr geehrte Damen und Herren, haben sehr weise entschieden, als sie festgelegt haben, dass die Vorsitz­führung in der Länderkammer turnusmäßig unter allen Bundesländern wechselt. Das bringt die Gleichrangigkeit der Länder zum Ausdruck – und in der Gleich­rangigkeit auch die Besonderheiten von unseren Ländern, die Vielfalt, die gebün­delten Stärken, die wir in die Republik einbringen können, immer getragen von einem Verständnis, dass wir uns untereinander austauschen, füreinander da sind und auch miteinander arbeiten. So haben sich auch die Bundesländer in der Erfolgsgeschichte unserer Republik zu wesentlichen Säulen des schönen Österreichs entwickelt. Wir haben viel zur Erfolgsgeschichte unseres Landes beigetragen und sind natürlich bereit, das auch heute und morgen zu tun.

Die Bundesländer standen an der Wiege der Republik, daher haben wir Länder­vertreterinnen und Ländervertreter ein tiefes Verständnis dafür, dass wir immer eine Verantwortung für das große Ganze haben – und diese Verant­wortung tragen wir auch gerne. Wir sehen uns daher als Vertreter der schönen Bundes­länder, als selbstständige Mitglieder und Mitgestalter des Bundes­staates – und das sind wir auch –, denn die Bundesverfassung hat nun einmal die Aufgaben, die es für unsere Landsleute zu erledigen und zu gestalten gilt, auf verschiedene Körperschaften und Ebenen aufgeteilt – so auch auf die Gemeinden und Länder. Deren selbstständige Gestaltung sowie deren Inanspruchnahme dieser Kompe­tenz und der Verantwortung ist immer von dem Wunsch und dem Ziel getragen, das Bestmögliche für unsere Landsleute daraus zu machen.

Zu diesem Grundkonzept gehört es eben auch, dass wir aus dem einen gemein­samen Steuertopf für die Gestaltung der Aufgaben, die uns die Verfassung zuweist, auch die ausreichenden Mittel bekommen, um für unsere Landsleute auch bestmöglich gestalten zu können. Das gilt insbesondere für die großen und dynamisch wachsenden Herausforderungen in Bereichen, in denen uns weite Zuständigkeiten zukommen, nämlich der Pflege und der Gesundheits­versor­gung.

Beim jüngsten Finanzausgleich, sehr geehrte Damen und Herren, ist es gemein­sam gelungen, dass wir da einen doch gewichtigen Schritt nach vorne machen: Es sind uns mehr Finanzmittel vor allem auch für diese Bereiche zugänglich gemacht worden und vor allem wurde vereinbart, festgelegt und dann dankens­werterweise auch beschlossen, dass diese Mittel auch valorisiert werden, also in all den Jahren mitwachsen. Das bedeutet natürlich auch einen Einstieg in das ständige Dynamisieren dieser Mittel, was aber auch dazu passt, dass diese Bereiche sich in ihren Anforderungen ebenso dynamisch entwickeln. Die demografische Herausforderung wurde ja heute schon angesprochen.

Für mich ist das aber – und das möchte ich sehr klar festhalten – nur ein erster Schritt. Es ist der Einstieg in die Debatte und dann hoffentlich auch in die Fest­legung dahin gehend, dass die Verteilungsschlüssel des Finanzausgleichs, die jetzt seit Jahren und Jahrzehnten immer fix geblieben sind, auch mit den wach­senden Herausforderungen der Aufgaben, die gerade wir in den Ländern und Gemeinde haben, Schritt halten müssen. Das ist sicher ein Hauptinhalt und ein Hauptthema der nächsten Finanzausgleichsberatungen und -verhand­lungen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wissen natürlich aber auch, dass wir durch unsere täglichen Leistungen die föderalen Strukturen durch Leistungs­beweise eben immer wieder legitimieren müssen – und das tun wir auch. Wir tragen eine gesamtstaatliche Verpflichtung, und dazu sind wir bereit.

Der Herr Präsident hat das Motto, die Überschrift für die Tätigkeit in der Landes­hauptleutekonferenz für dieses halbe Jahr schon genannt: „Verlässlich fürs Land. Nah bei den Menschen“. Ich glaube, dass speziell in diesen Monaten diesem Motto eine besondere Bedeutung zukommt, denn die Länder stehen für Stabilität, sie stehen für Verlässlichkeit, und es sind gerade wir in den Ländern und Gemeinden, die auch sehr direkt und ungeschminkt das erfahren, was sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von uns erwarten, was diese kritisieren, was diese sich wünschen, wo diese Sorgen und Ängste haben, was diese auch brauchen.

Zu diesem unmittelbaren Erfahren der Dinge gehört auch, dass wir die Verantwortung, diese Dinge anzugehen und zu lösen, auch sehr unmittelbar spüren. Diese Verantwortung wird zu Recht auch eingefordert. Man könnte landläufig auch formulieren: Wir sind dadurch auch ständig auf Zug vor Ort.

Auf Gemeinde- und Landesebene – auch darauf hat der Herr Präsident hinge­wiesen – ist der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern ein direkter und unmittelbarer; und es ist vor allem die Gemeindeebene, auf der unsere Lands­leute bereit sind, sich im besten demokratischen Sinn einzubringen, Aufgaben und Verantwortungen zu übernehmen. So sind weite Teile – was im Ausland oft Verwunderung auslöst – unseres Sicherheitswesens, ich denke an die Feuer­wehren, an unserer Gesundheitsversorgung, an die Rettungsdienste, und auch weite Teile der Kultur, des Sports, des Sozialen durch ein ehrenamtliches und freiwilliges Engagement getragen. Das, sehr geehrte Damen und Herren, verdient sich selbstverständlich Wertschätzung. Zur Wertschätzung muss immer auch das Bemühen von uns allen dazukommen, den entsprechenden Rahmen dafür zu bieten, dass dieses ehrenamtliche Engagement geleistet werden kann und auch entsprechend abgesichert ist.

Die Kultur steht in Oberösterreich im heurigen Jahr natürlich besonders im Mittelpunkt. Wir haben die Chance, im Salzkammergut mit der Bannerstadt Bad Ischl wieder – relativ kurze Zeit nach Linz 2009 – die Europäische Kultur­hauptstadt in Oberösterreich gemeinsam mit dem Nachbarland Steiermark zu gestalten. Wir haben auch die erste große oberösterreichische Kultur-Expo rund um den 200. Geburtstag des großen Anton Bruckner. Ich nehme an, er ist auch der Lieblingskomponist jeder Dame und jedes Herrn hier im Hause. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Schreuder – erheitert –: Platz zwei!)

Es ist aber nicht nur heuer ein Jahr der Kultur, sondern in Oberösterreich ist Kultur an jedem Tag jeden Jahres unmittelbar spürbar – und das aus gutem Grund, denn es ist unser Anspruch, ein Land der Kultur zu sein, da das Erleben von Kultur und das, was sie auslöst, was sie in uns als einzelnen Menschen, aber dann auch in der Gesellschaft bewirkt, wichtiger Humus für eine gelingende Lebensgestaltung und auch Humus für Ideenvielfalt, für Innovationsgeist und auch für mutige Entscheidungen, die nach vorne weisen, ist.

Innovationen, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir auch nötig, um uns den Vorsprung, den wir wieder brauchen werden, wieder zu verschaffen. Vorsprung zu haben, durch Innovationen zu glänzen und voranzugehen war immer auch das Erfolgsgeheimnis des Standorts Europa insgesamt, ganz besonders aber auch der Standorte Österreich und Oberösterreich. Diese Standortstärke, diesen Standortvorteil müssen wir uns wieder zurück­erobern und zurückerkämpfen, um die Wirtschaftskraft – über die wir uns freuen – und vor allem die Arbeitsplätze zu sichern und zu halten.

Es geht aus meiner Sicht jetzt wieder vermehrt vielmehr darum, darüber zu reden, wovon wir leben, und nicht ausschließlich darüber, wie wir leben können, denn – es ist zwar eine Binsenweisheit, aber es muss unterstrichen werden – all die gesellschaftlichen Ziele, die wir uns vornehmen, und deren Erreichung brauchen die finanzielle Ausstattung, aber all das muss verdient werden können, muss eine finanzielle Grundlage haben. Daher ist es wichtig, dass wir uns diese Grundlagen festigen und wieder erarbeiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrät:innen der Grünen.)

Ich möchte beileibe kein Kassandrarufer sein, aber es ist schon auch unsere Verpflichtung, dass wir Realistinnen und Realisten sind. Es ist nun einmal leider so, dass sich der Wirtschafts- und Industriestandort Europa in den letzten Jahren hinter andere Standorte dieser Welt zurückmanövriert hat. Auch die aktuelle wirtschaftliche Lage und Aussicht ist, um es höflich zu formulieren, etwas überschaubar. Das Gute ist aber, dass wir eine starke Basis haben und darauf aufbauend auch viele Möglichkeiten, Dinge selbst in die Hand zu nehmen und wieder etwas zu ändern.

Es ist klar und natürlich, dass es einen gesamteuropäischen Willen braucht, dass wir in Europa wieder ein weltweit wettbewerbsfähiger Standort und damit ein erfolgreicher Standort werden. Das geht aus meiner Sicht nur mit Technologie­offenheit, mit viel, viel weniger Regularien und Verboten, aber beispielsweise auch mit Unterstützung einer europäischen Produktion in vielen Bereichen, um im Wettbewerb mit anderen großen Standorten der Erde Erfolg haben zu können.

Wir können aber auch selber im Land viel tun und brauchen nicht nur auf andere Ebenen hinzuweisen, zum Beispiel und ganz besonders Verfahren, die in den allermeisten Fällen einfach viel zu lange dauern, zu beschleunigen und selbst­vers­tändlich auch die dafür nötige Entbürokratisierung immer wieder vorzu­nehmen, ein Schlankmacherprogramm in der Verwaltung als Daueraufgabe zu sehen.

Wir müssen auch die Forschung weiter entsprechend stärken und die nötige Infrastruktur, die der Standort braucht, auch zügig vorantreiben, womit wir – in Klammer sei es dazugesagt – wieder bei den Verfahrensdauern sind.

Zusätzlich, sehr geehrte Damen und Herren, müssen jene, die mehr leisten wollen, auch steuerlich so gestellt werden, dass sie von dieser Mehrleistung und von dem, was sie sich durch die Mehrleistung erwerben, auch für sich selber dann etwas haben. Wir müssen ihnen auch die Möglichkeiten geben, dass sie sich durch eigene Leistungen etwas schaffen können, zum Beispiel Eigentum, eine Eigentumswohnung oder die berühmten eigenen vier Wände mit einem Einfamilienhaus. Das motiviert zur Leistung. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

Es ist daher nicht nur nicht verständlich, sondern es ist dringend zu ändern, dass gerade in diesem Bereich die KIM-Verordnung dem privaten Hausbau und dem privaten Eigentumserwerb immer noch im Wege steht. Das ist dringend zu revidieren. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrät:innen Steinmaurer und Sumah-Vospernik.)

Neben der Stärkung des Standorts, sehr geehrte Damen und Herren, ist vor allem aber auch die Konzentration auf Sicherung und Gestaltung der Pflege und der Gesundheitsversorgung sehr wichtig. Gerade bei diesen beiden großen gesellschaftlichen Aufgabenbereichen und Herausforderungen steht für mich etwas sehr Entscheidendes im Mittelpunkt: die Würde jedes einzelnen Men­schen. Das ist das Kernstück jeder verantwortungsvollen Politik. So ist der Stellenwert der Menschenwürde in einer Gesellschaft auch daran messbar, ob sie auch in kritischen und sensiblen Bereichen sichtbar ist und gelebt wird. Daher muss in diesen Bereichen für uns immer die oberste Richtschnur sein, dass niemand allein gelassen wird – nicht jene, die die Hilfe brauchen, nicht deren Angehörige, aber auch nicht jene, die diese großartige Arbeit in diesen Bereichen für uns leisten.

Das bedeutet insbesondere, dass wir als gesamte Republik in der Anwerbung von Pflegemitarbeiterinnen und Pflegemitarbeitern gesamthaft vorgehen müssen, wenn es darum geht, diese aus dem Ausland zu uns zu bekommen; dass wir in der Anerkennung der von im Ausland erworbenen Qualifikationen viel, viel schneller und unkomplizierter werden müssen. Es bedeutet aber auch, dass die medizinische Versorgung im niedergelassenen Bereich noch mehr und rascher wieder gestärkt werden muss, damit die immer noch überlasteten Ambulanzen unserer Spitäler und Kliniken und vor allem auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sich wieder darauf konzentrieren können, wofür Spitalsambu­lanzen eigentlich da sind, nämlich für Notfälle und nicht für die breite Grund­versorgung. Das ist eine große Aufgabe, und die gilt es zu erledigen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind herausfordernde Zeiten, man kann sie ruhig auch schwierig nennen. Wir haben aber auch in den nächsten Monaten wohl eine gewisse Hektik am politischen Sektor zu erwarten, Stichwort Wahlen am 29. September. Ich sehe unsere Rolle als Ländervertreterinnen und Länder­vertreter darin, dass wir uns ganz besonders auch in dieser Phase als gestaltende und handlungsfähige Vertreterinnen und Vertreter unserer Landsleute einbrin­gen, auch wissend und im Bewusstsein, dass wir mit unserer Wortwahl und in der Art des politischen Gestaltens eine Vorbildwirkung haben: im Umgang mit­einander, darin, dem Gegenüber zuzuhören und auch im Zugehen auf das Gegenüber.

Das ist eine wichtige Grundlage für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Dieser Zusammenhalt ist die wesentlichste Basis für eine Entwicklung unseres Landes in Frieden und in Freiheit.

Als Länder sind wir bereit, unserer gesamtstaatlichen Verpflichtung gerecht zu werden. Wir bekennen uns dazu, dass wir die Stärken, die es in unseren Ländern gibt, zum Wohle des Staatsganzen einbringen, und wir wollen auch gemeinsam daran arbeiten. Im Zeichen dieses Verständnisses, aber auch dieses Versprechens steht auch der oberösterreichische Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz in diesem halben Jahr.

Ich bitte auch Sie, sehr geehrte Damen und Herren, um eine gute Zusammen­arbeit zum Wohle unserer Landsleute in der schönen Republik Österreich. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen von SPÖ und Grünen sowie der Bundes­rätin Sumah-Vospernik.)

9.35

Präsident Mag. Franz Ebner: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann von Oberösterreich für seine Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger, und ich erteile ihr das Wort.