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Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem auch liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Zuallererst darf ich dir, sehr geehrter Herr Präsident, lieber Franz, zur Präsidentschaft, und Ihnen, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, zur Vorsitzübernahme in der Landeshauptleutekonferenz herzlich gratulieren und Ihnen beiden alles Gute für diese Herausforderung wünschen.
Herr Landeshauptmann, in Zeiten großer Herausforderungen kommt Ihrer Vorsitzführung eine sehr bedeutende Verantwortung zu. Dank unserer föderalen Struktur liegen viele Gestaltungsmöglichkeiten bei den Ländern. Umso wichtiger ist es, auf der Länderebene bestenfalls den Konsens, zumindest aber immer den Kompromiss zu suchen. Das ist zugegebenermaßen nicht immer leicht, aber unumgänglich, wenn man die Weichen für wichtige Entscheidungen stellen möchte – und in vielen Bereichen auch muss. Manchmal ist es eine Kunst, immer aber eine Notwendigkeit in der politischen Verantwortung, deshalb wünsche ich Ihnen für diese Aufgabe, für diese Verantwortung alles Gute und Erfolg.
Viele der Herausforderungen, die uns in der Lebensrealität der Menschen begegnen, sind nur durch ganz große Kraftanstrengungen zu bewältigen. Da fallen mir große Themenkomplexe ein, Stichwort Kinderbetreuung, Pflege, Gesundheit, Klimaschutz oder die heute schon gefallenen Gemeindefinanzen. Vor allem auch dürfen wir die Menschen in unserem Land nicht vergessen, Stichwort leistbares Leben.
Wir können in dieser Debatte nicht alle Bereiche diskutieren, aber zwei mir ganz wichtige möchte ich doch im Detail ansprechen.
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Sie sprechen oft von Oberösterreich, dem Land der Möglichkeiten. Oberösterreich hat zweifelsohne sehr viel zu bieten, viel Tradition und auch viel Zukunft. Ich sehe aber nicht alles so optimistisch, nicht alles so positiv und orte doch in zentralen Bereichen dringenden Handlungsbedarf. Als Bürgermeister und Kommunalsprecher meiner Fraktion denke ich da in erster Linie an die Gemeinden und an unsere ländlichen Regionen. Das ist nämlich der unmittelbare Lebensraum, in dem die Menschen leben; sie empfinden diesen Raum als ihre Heimat.
Für diese kleinste politische Ebene gibt es auch die sogenannte Gemeindeautonomie. Diese wichtige Selbstbestimmung wird aber in letzter Zeit immer mehr untergraben, teils durch überbordende rechtliche und bürokratische Vorgaben, durch Aufgabenübertragungen, jedenfalls aber durch die finanzielle Aushöhlung der Gemeinden.
Seit Jahren warnen wir vor dem drohenden Finanzkollaps der Kommunen und vor den negativen Auswirkungen. Wenn ich mir aber die Reaktionen von Bund und Ländern in den letzten Monaten, in den letzten Jahren anschaue, wage ich zu bezweifeln, dass dieser Problematik jene Bedeutung und Priorität zugeschrieben wird, die sie verdienen und dringend brauchen würde.
Die Gemeinden sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, der sie vielfach zu Verwaltern degradiert. Wir aber wollen den Lebensraum der Menschen aktiv gestalten. Ich frage die Verantwortlichen in Bund und Land, wie das unter diesen Rahmenbedingungen geschehen soll und geschehen kann. Die Gemeinden sind aus meiner Sicht chronisch unterfinanziert. Sie schaffen es kaum noch, die Daseinsvorsorge – wie zum Beispiel die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, die Müllabfuhr, die Erhaltung der Infrastruktur und, ganz wichtig, die Schulerhaltung und die Kinderbildung – zu stemmen. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Kosten explodieren – das ist kein Geheimnis – in den Bereichen Pflege und Gesundheit. Diese Kosten nehmen den Gemeinden den so wichtigen Spielraum für andere ganz wichtige Investitionen. Die Ausgaben-Einnahmen-Schere geht weiter auseinander, und das sagen nicht nur wir, diese Tendenz wird auch von zahlreichen Studien belegt, etwa vom Zentrum für Verwaltungsforschung, kurz KDZ.
Herr Landeshauptmann, ich habe Ihrer Erklärung ganz genau zugehört und auch Ihre Botschaft verstanden, nämlich den Standort, die Arbeitsplätze zu sichern. Wenn aber so viele Projektpläne in den Schubladen der Gemeinden und Städte liegen bleiben: Ist das der richtige Weg zur Sicherung des Standortes? Ich glaube nicht, denn diese Verzögerungen, diese Verschiebungen schaden der regionalen Wirtschaft und gefährden auch Arbeitsplätze. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Aus eigener Erfahrung muss ich feststellen, dass die Gemeinden – zumindest das Gros der Gemeinden – aus diesem Teufelskreis aus eigener Kraft nicht mehr herauskommen. In Oberösterreich kommen im Bundesländervergleich noch erschwerend die hohen Transferleistungen der Gemeinden an das Land dazu. Es sind mehrere Hundert Millionen Euro, bestätigt auch durch den Landesrechnungshof, die die Gemeinden und Städte laut Transferbilanz an das Land abliefern müssen. Darum ist es nicht verwunderlich, dass es immer mehr Härteausgleichsgemeinden gibt, die Tendenz ist leider erschreckend steigend. In meinem Heimatbezirk, im Bezirk Rohrbach, sind bereits rund zwei Drittel aller Gemeinden Abgangsgemeinden, sprich Härteausgleichsgemeinden. (Bundesrätin Schumann: Bist du gscheit! – Bundesrat Schennach: Wow!) Das ist sehr bedenklich und auch dramatisch, wie ich meine.
Im Gegenzug aber spreche ich Ihnen, Herr Landeshauptmann, das Bemühen nicht ab, auch über Entlastungen für die Gemeinden nachzudenken. Wie der Bund unterstützt auch das Land Oberösterreich punktuell mit Einmalhilfen. Diese Maßnahmen bekämpfen aber nicht die Ursache, sondern lindern nur geringfügig das Problem. Es bleibt die bittere Erkenntnis, dass man bei den Finanzausgleichsverhandlungen im Vorjahr eine Riesenchance vertan und verspielt hat. Statt einen nachhaltigen Systemwandel anzustreben, ist man beim alten Verteilungsschlüssel geblieben. Das ist aus unserer Sicht eine nachweislich falsche Entscheidung und ein Fehler, der die Gemeinden zu Bittstellern degradiert. Deshalb mein Appell: Setzen Sie alle Hebel in Bewegung, um den Gemeinden jene Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen und stärken Sie sie auch finanziell! (Beifall bei der SPÖ.)
Positiv bewerten möchte ich, dass Sie den Vorschlag von Landesrat Lindner für einen Transfergipfel aufgegriffen haben. Das Wichtigste für uns Gemeinden wäre, wenn es bald positive Ergebnisse aus diesen Gipfelgesprächen geben würde.
Ich möchte noch ein weiteres wichtiges Thema ansprechen, die Kinderbildung und Kinderbetreuung. Das ist auch ein Bereich, bei dem in Oberösterreich – dem ausgerufenen Land der Möglichkeiten – leider noch viel Aufholbedarf besteht. Da kann ich kein gutes Zeugnis ausstellen. Oberösterreich ist abgeschlagen, was Ganztagsbetreuungsplätze angeht, und im Bundesländervergleich – mit 23,4 Prozent – Schlusslicht bei der Betreuungsquote der unter Dreijährigen. Es gäbe viele Angebote nicht, auch das ist meine Feststellung, wenn nicht die Gemeinden immer wieder viel Geld in die Hand nehmen würden. Es gab in letzter Zeit zwar erste richtige Schritte, will Oberösterreich aber wirklich Kinderland Nummer eins werden, muss es ganz eindeutig die Schlagzahl erhöhen. Geht es in diesem Tempo weiter, bleibt Oberösterreich leider weiter im Hintertreffen.
Was dieses Hintertreffen heißt, lässt sich aus einem ORF-Bericht mit der Überschrift „480 Kinder verlieren Tagesmutter“, der gestern Abend online ging, ableiten. Die Ferien beginnen also für diese Eltern und Kinder mit einer Hiobsbotschaft. Aus wirtschaftlichen Gründen stehen 107 Kündigungen beim Verein Aktion Tagesmütter Oberösterreich an. Diese 107 Tagesmütter und Tagesväter sind bereits beim AMS-Frühwarnsystem angemeldet. Das erzeugt absolute Verunsicherung. Wie es weitergeht, weiß leider niemand. Es ist aber ein weiterer Beweis für die Unterfinanzierung im Bereich Kinderbildung und Kinderbetreuung. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik.)
Was in diesen Bereichen wirklich möglich wäre, das sehen wir in den Bundesländern Wien, Kärnten und Burgenland; genau dort müssen auch die restlichen Bundesländer hin. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Ich komme zum Schluss: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, ich ersuche Sie und bitte Sie – das ist uns und auch den Menschen in diesem Lande ein großes Anliegen –, sich für die Gemeinden und vor allem auch für die Kinderbildung starkzumachen und diese zu unterstützen; dann – und nur dann – sind Sie auch „Nah bei den Menschen“. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall der SPÖ.)
10.00
Präsident Mag. Franz Ebner: Danke, Herr Bundesrat.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Pröller. Ich erteile ihm das Wort.