11.29

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute über eine nachhaltig wettbewerbsfähige Europäische Union und über Standortimpulse für Europa. Das ist natürlich kein Ablenken davon, was es alles in Österreich braucht, um wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben, und natürlich auch kein Auseinanderdividieren von Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmern und Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, weil nämlich eine wettbewerbsfähige Wirtschaft natürlich auch hochwertige Arbeits­plätze schafft. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Das ist eine Voraussetzung dafür, dass wir in Österreich weiterhin einen hohen Wohlstand haben und auch – das ist der entscheidende Faktor, der oft ver­gessen wird – unsere sozialen Systeme weiterhin gut finanzieren können. Wenn wir nämlich Wettbewerbsfähigkeit verlieren und Arbeitsplätze verlieren, dann sind auch diese sozialen Systeme in Gefahr. Deshalb ist es so wichtig, darüber zu sprechen.

Ich nutze die Gelegenheit, am Anfang ein paar Punkte herauszugreifen, was in dieser Regierungszeit betreffend die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts geschehen ist: die Steuerreform mit der Senkung der Steuersätze; die Abschaf­fung der kalten Progression; die Indexierung der Sozialleistungen; wir haben im Bereich der Fachkräfte viele Initiativen gesetzt; dann die Kindergarten­milliar­den, die es zusätzlich gegeben hat; wir haben im Bereich Lehre und höhere berufliche Bildung Gesetze beschlossen, die in den nächsten zehn, 20 Jahren rückwirkend als eine der größten Reformen gesehen werden, wenn sie dann mit Leben befüllt sind – das ist ein Rahmengesetz zur höheren beruflichen Bildung. Das sind Voraussetzungen für die Zukunft; auch die Reformen der Rot-Weiß-Rot-Karte waren ganz wichtige Schritte in diesem Bereich.

Wir haben es schon gehört: Ganz entscheidend für Wettbewerbsfähigkeit ist Innovationskraft. Auch da hat es Schritte gegeben, die über die nächsten Jahre hinweg wirken werden. Der Klima- und Transformationsfonds ist schon angesprochen worden: 5,7 Milliarden Euro bis zum Ende dieses Jahrzehnts – ein Teil davon im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, ein Teil davon im BMK – um die Industrie zu unterstützen, um die Produktion in Europa und in Österreich zu erhalten, und – das ist der Teil, für den ich verantwortlich bin – um die Forschung und Entwicklung und auch Mitarbeiterqualifizierungsprogramme zu unterstützen, damit sich eben Unternehmen jederzeit neu erfinden können, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten, um sich an Neuentwicklungen anzupassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Budget für Forschung und Entwicklung bei mir im Haus hat sich in den letzten vier Jahren von knapp 100 Millionen auf 250 Millionen Euro erhöht, also um 250 Prozent, das heißt, man sieht, wie stark der Fokus darauf ist.

Wir haben den Chips Act beschlossen – danke dafür –, das macht uns sicher, dass die Halbleiterindustrie in Österreich, die nicht nur als Industrie wichtig ist, sondern auch in der Transformation eine ganz entscheidende Rolle spielt – Energiesparchips werden bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz, da Serverfarmen so viel Energie verbrauchen, entscheidend sein –, auch in Österreich bleibt und weiter ausgebaut werden kann: Fast 3 Milliar­den Euro bis 2031 sind als Unterstützung für Unternehmen möglich.

Dann möchte ich noch einen Punkt erwähnen, der sehr wichtig ist. Wir haben ein großes Start-up-Paket beschlossen – auch das ist, glaube ich, ent­scheidend für den Standort –: eine neue Gesellschaftsform, die flexible Kapitalgesellschaft, die es ermöglicht, rasch und einfach Gesellschaften zu gründen, und zweitens die Mitarbeiterinnen-, Mitarbeiterbeteiligung, die steuerlich begünstigt wird. Das sind zwei Maßnahmen, die gerade den jungen Unternehmen in Österreich extrem helfen.

Damit komme ich jetzt zum Thema Standort und Standort Europa. Was ist der Ausgangspunkt dieser Diskussion? – Wir haben eine neue Europäische Kommission, die sich gerade formiert. Es wird wichtig sein, dass Wettbewerbs­fähigkeit und Standortpolitik auf europäischer Ebene wieder einen hohen Stellenwert einnehmen, nicht als Selbstzweck, sondern um eben genau diese Ziele zu erreichen, unseren Wohlstand abzusichern. Der Wettbewerb ist in der Welt einfach härter geworden, es haben sich geopolitische Verände­rungen ergeben, es gibt Konflikte, es gibt eine Fragmentierung des Welt­handels, und da muss man ganz ehrlich sagen, davon ist Österreich als relativ kleines, mittelgroßes Land in der Welt – wir haben die Zahlen schon in einer Rede gehört – stärker betroffen als die großen Länder der Welt.

Die Exportquote von Österreich liegt bei 60 Prozent, also 60 Prozent brutto von unserem Bruttoinlandsprodukt sind aus dem Export. Für die USA ist diese Exportquote etwa 11, 12 Prozent. Das heißt, wir sind einfach abhängiger davon, dass es in der Welt eine gute Entwicklung gibt, dass es einen Welthandel gibt, der funktioniert, dass es einen fairen Handel gibt, der funktioniert, und dass unsere Unternehmen mit Innovationskraft, mit harter Arbeit und mit den richti­gen strategischen Entscheidungen dort erfolgreich sind.

Deshalb gab es den Auftrag, ein Standortimpulspapier dafür auszuarbeiten. Wir haben in vielen Runden mit Expertinnen und Experten, mit Unternehmerinnen und Unternehmern, mit den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, mit der Sozialpartnerschaft versucht, da entscheidende Impulse zu geben. Es ist jetzt nicht genug Zeit, um auf jeden Bereich einzugehen, aber ich möchte ein paar Dinge herausgreifen, die ich für sehr wichtig halte.

Erstens geht es darum, dass Europa strategisch darauf schaut, im Wettbewerb mit anderen Teilen der Welt nicht zu verlieren. Da geht es vor allem darum, dass Europa gerade bei der Genehmigung von Beihilfen schneller wird. Wir haben es gehört, der Inflation Reduction Act der USA ist tatsächlich ein Wettbewerbs­vorteil für die USA. Wenn wir bei Genehmigungen langsamer sind, dann verlieren wir Investitionen in Richtung USA. Es geht darum, dass wir unsere Unternehmen nicht mit unnötiger Bürokratie belasten. Wir brauchen eine regulatorische Atempause, damit es wieder gelingt, dass Unternehmen vor allem produktive Tätigkeiten vollziehen können und nicht so stark durch Berichtspflichten und andere bürokratische Pflichten belastet sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Das ist natürlich auch eine nationale Aufgabe. Wir werden weiterhin darauf schauen müssen, europäische Gesetze so schlank wie möglich umzusetzen.

Ich möchte einen zweiten Punkt herausgreifen, der ganz entscheidend ist: Das ist der Bereich der Arbeits- und Fachkräfte. Ich glaube, da gibt es auch in den verschiedenen Fraktionen keine großen Unterschiede in der Einschätzung. Es muss uns klar sein, dass in den nächsten Jahren aufgrund der Demografie einfach viele Menschen in Pension gehen werden, wir weniger Fachkräfte und Arbeitskräfte haben werden und wir alles dafür tun müssen, damit die Poten­ziale, die es hier in Europa gibt, auch angesprochen werden. Das ist eine Aufgabe, die uns in den nächsten Jahren weiter beschäftigen wird. Wie gesagt, es wurde auch schon eine Reihe von Maßnahmen in dieser Legislaturperiode getroffen. Es wird uns weiter beschäftigen. Das ist vor allem eine nationale Aufgabe.

Wir haben in diesem Standortpapier aber auch eine Forderung geschrieben, die ich für sehr richtig am Arbeitsmarkt halte: Wir wollen, dass es in der gesam­ten Europäischen Union eine Ausbildungsgarantie bis 25 gibt, so wie es sie in Österreich gibt. Ich halte das für ein Vorbildmodell, das gibt es in ganz wenigen Staaten. Jemand, der in Österreich unter 25 arbeitslos wird und keine fertige Berufsausbildung hat, hat die Garantie, über das AMS eine Berufsausbildung in den verschiedensten Formen abzuschließen. Nicht alle jungen Menschen schaffen das dann leider auch wirklich, aber es gibt die Garantie, dabei unter­stützt zu werden. Ich halte das für ein Vorbild, das sollte in ganz Europa der Fall sein. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Der letzte Punkt, den ich herausheben möchte, ist noch einmal die Innovations­kraft. Wir brauchen weiter alles, um Unternehmen innovativ zu halten. In einem Land, in dem es einen hohen Lebensstandard gibt, in dem dadurch auch die Löhne auf einem hohen Niveau sind, können wir nur wettbewerbsfähig sein, wenn wir in Forschung und Entwicklung investieren, wenn wir Innovation unter­stützen und wenn wir alles dafür tun, dass die Arbeits- und Fachkräfte die Ausbildung haben, dass das auch in den Unternehmen gelingt. Das wird nicht gelingen, wenn wir nur auf diesen Bereich schauen.

Der entscheidende Faktor ist aus meiner Sicht, dass wir die Innovation mit der Produktion verbinden. In Österreich gibt es viele Unternehmer – ich könnte jetzt viele aufzählen –, die genau in dem Bereich tätig sind, die es geschafft haben, innovative Produkte auf den Markt zu bringen, teilweise auf der ganzen Welt bekannt zu sein und eben auch weiter in Österreich zu produzieren. Was nicht passieren darf, ist, dass die produzierende Industrie, aber auch die kleineren, die mittleren Betriebe, die produzieren, abwandern, weil sie hier zu hohe Kosten, zu viel Bürokratie und zu wenig Unterstützung vorfinden.

Ein letzter Punkt, weil es angesprochen wurde und weil es mir wichtig ist, dass nicht der Eindruck entsteht, mir wäre der Arbeitsmarkt nicht wichtig: Ich darf ganz kurz etwas zur Bilanz der letzten drei Jahre sagen, nehmen wir den 30. Juni als Referenzzeitpunkt: Wenn man sich die Arbeitslosenquote vom 30. Juni anschaut, sieht man, dass die Jahre 2022, 2023 und 2024 die drei Jahre mit der geringsten Arbeitslosenquote der letzten zehn Jahre waren. Das ist kein Zufall. Wir haben nämlich drei Jahre, 2022, 2023 und 2024, mit den höchsten Mitteln für die aktive Arbeitsmarktpolitik – für Qualifizierungsmaßnahmen, für Wieder­eingliederung und so weiter – aller Zeiten pro Arbeitssuchenden in Österreich gehabt. Dafür habe ich mich eingesetzt, weil ich es für sinnvoll halte, dass wir Arbeitskräfte, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, möglichst gut und möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt bringen und, wenn es notwendig ist, höher qualifizieren oder umqualifizieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt keine Kürzung der AMS-Mittel, weil es noch kein Budget 2025 gibt. Das ist der entscheidende Faktor, ich möchte das klarstellen. (Bundesrätin Hahn: Das macht auch keinen Unterschied!) Es hätte auch jetzt noch kein Budget für 2025 gegeben, wenn es eine Regierung gäbe, die auch noch nächstes Jahr im Amt wäre. Jetzt gibt es im Herbst Nationalratswahlen, der Verwaltungsrat des AMS hat natürlich auch schon Beschlüsse gefasst, um abzusichern, dass Programme weitergeführt werden können, aber die Aussage, dass es Budget­kürzungen gäbe, ist unrichtig. Ich möchte das wirklich klarstellen: Die gibt es nicht!

Es braucht natürlich ein Budget 2025, ein Bundesbudget, das im Nationalrat beschlossen werden muss, um klare Sicherheit zu haben, wie die Mittel ausschauen. Das gab es aber immer, das ist keine Eigenheit der jetzigen Situation, deswegen finde ich schon, dass das ein bisschen parteipolitische Kleingeld­wechslerei ist, wenn wir jetzt auf diesen Punkt eingehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir wollen und ich will, dass die AMS-Programme weitergeführt werden, dafür brauchen wir ein Budget, dass von einer Regierung beschlossen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

11.40

Vizepräsident Dominik Reisinger: Danke, Herr Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmer:innen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christian Buchmann. Ich erteile ihm dieses.